Achmed hob die Hand zum Dank und trieb die Pferde an.
Zwei Tage später brachte ihn ein einstündiger Ritt über den Rymshin-Pass und in Sichtweite der westlichen Krevensfelder. Die Sonne hatte den Horizont erreicht und badete die Welt unter dem Vorgebirge in Dunst und Dampf. Die grünen Wellen des hohen, an den Spitzen verbrannten Grases wogten im Wind.
In der Ferne bahnte sich die bewachte Postkarawane, sieben Wagen und vierundzwanzig Soldaten, langsam und ohne Eile einen Weg zu der Zubringerstraße zum transorlandischen Schnellweg. Sie war nach Sepulvarta unterwegs, das auf halbem Weg ihres vierwöchigen innerkontinentalen Zyklus lag. Achmed war sehr vertraut mit dem Plan und der Funktionsweise der Postkarawane, denn schließlich war er es gewesen, der sie ins Leben gerufen hatte.
Der Karawane folgten in geringem Abstand vier grobe, fröhlich bemalte Wagen, jeder von zwei Pferdegespannen gezogen, zwischen denen sich einzelne Reiter befanden.
Er hatte die Panjeri gefunden.
Achmed dachte kurz darüber nach, wie er sich am besten der Karawane näherte. Die Krevensfelder waren flach und ungeschützt, und selbst ein einzelner Reiter, der rasch von den Bergen herabpreschte und über die Steppe jagte, konnte fälschlicherweise als Räuber angesehen werden, auch wenn er der dümmste Räuber sein musste, der je gezeugt worden war. Er hatte keine Lust, von dem Pfeil eines Soldaten Tristan Stewards aufgehalten zu werden, und sah sich rasch nach etwas um, das als Friedenssignal dienen konnte.
Ein Banner mit der Sonne und dem Schwert der verstorbenen Kaiserin flatterte kraftlos am Eingang zum Pass; sein Gegenstück war vom Stab gerissen worden. Achmed ritt zum Eingang, ergriff das Banner und steckte es an seinen eigenen Reiterstab. Er schaute kurz auf und dachte an die Dynastie, die am vergangenen Tag für erloschen erklärt worden war, und an deren endlose Macht der Sonne und die dauerhafte Gewalt des Schwertes.
Selbst sie vergehen, dachte er. Vielleicht ist es besser, weniger großartige Symbole anzunehmen, damit man im Tod nicht lächerlich wirkt.
Er überprüfte die Zügel des Pferdes, das er in Sorbold gekauft hatte, und trieb dann sein eigenes über den felsigen Pfad in die offenen Arme der Krevensfelder.
Ein Ruf ertönte gleichzeitig von den orlandischen Wachen in der Nachhut der Karawane und den Panjeri, die neben ihren Wagen ritten.
»Holla! Südlich! Ein Reiter!«
Die Karawane zog weiter und wurde ein wenig schneller, während die südliche Flanke der Wachen umdrehte und eine wartende Formation bildete, um den Reiter abzufangen. Auch die Panjeri-Karawane setzte ihren Weg fort.
In dem zweiten Wagen packte eine ältere Frau die jüngere namens Theophila am Arm und schüttelte sie durch, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
»Theophila! Ein Reiter aus Süden! Ist das nicht der König der Bolg, der uns verfolgt?«, fragte sie im seltsamen Dialekt des Nomadenstammes.
»Er ist es! Ich erkenne seine Schleier«, sagte eine andere. »Er kommt zu dir, Theophila!«
Die jüngere Frau schirmte die Augen vor der Sonne ab und starrte nach Süden auf das Vorgebirge. Ein Lächeln, das die Panjeri kaum je bei ihr bemerkt hatten, kroch über ihre Mundwinkel, aber sie sagte nichts. Während der Wagen langsamer wurde, zogen die Frauen sie auf, und zwei Wachen aus der Karawane ritten los, um den Reiter zu treffen, der die Fahne der toten Kaiserin schwenkte und ein zweites Pferd mit sich führte.
»Er buhlt nicht um deine Künste als Glas-shairae, Mädchen!«
»Nein, er will deinen Hintern! Du hast einen lieblichen Hintern, Theophila.«
»Ja, aber sie hat ihn bei der letzten Arbeit Krentice unter die Nase gehalten. Wird er nicht eifersüchtig sein?«
»Auf den Bolg-König? Wohl kaum.«
»Warum nicht? Er hat den gleichen Sack in der Hose wie alle Männer...«
»Ja. Einen Geldsack!«
»Hört auf damit, ihr Hühner!«, schalt die ältere Frau. »Wo sind eure Manieren?«
Der Gegenstand ihrer Lästerei steckte soeben die Hand in die Hosentasche und holte die Münzen hervor, die sie von den Augen der Kaiserin und des Kronprinzen genommen hatte, nachdem die Geistlichen und die übrigen Trauernden die Gruft hoch oben in der verwitterten Bergspitze verlassen und versiegelt hatten. Sie fuhr mit dem Finger über das raue Metall und verspürte immer noch Bedauern darüber, dass sie das Loch im Glasfenster größer als nötig gemacht hatte. Es war diese Stelle, die sie wieder verschlossen hatte, als der Bolg-König auf sie aufmerksam geworden war.
»Sollen sie doch zwitschern«, sagte sie. »Ich höre ihnen sowieso nicht zu.«
Sie beobachtete neugierig, wie die Wachen einige Worte mit dem Reiter wechselten, dann die Pferde wendeten und zurück zur Karawane lenkten. Der Bolg-König, der wie auf dem Berg der Fenster in Schleier gehüllt war, warf die sorboldische Standarte zu Boden und trieb sein Pferd vorwärts. Er führte ein zweites, einen teuren, schönen Wallach an der Leine. Vor dem Wagen, in dem sie saß, bremste er ab, schirmte die Augen mit der Hand ab und schaute sie an, während sie sich erhob.
»Hast du über mein Angebot nachgedacht?«
Sie blinzelte in die Sonne. »Arbeit für Werkzeuge?«
»Ja. Jedes Werkzeug, das du haben willst, werden wir für dich herstellen.«
Sie dachte kurz nach. »Und die zweihunderttausend Goldsonnen?«
Achmed kniff die Augen zusammen; seine Stimme überschlug sich leicht, als er antwortete. »Das bezog sich auf die gesamte Panjeri-Gruppe.«
»Nein, es bezog sich auf so viele Panjeri, wie du brauchst. Du warst es, der gesagt hat, er benötige nur einen.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Willst du dein Angebot widerrufen?«
»Nein«, sagte der Bolg-König rasch. Er lächelte, als ihm ein Gedanke kam. »Es ist ein gerechter Preis für die unbegrenzte Zeit eines verbrieften Panjeri-Meisters.«
Nun war es Theophilas Stimme, die sich ein wenig überschlug. »Warte«, sagte sie. »Unbegrenzte Zeit? Dem habe ich nicht zugestimmt.«
»Doch, das hast du. Ich habe dir gesagt, ich wolle dich nur dann haben, wenn du den Auftrag beendest, und du hast mir sehr keck erklärt, du würdest nie auch nur den geringsten Teil deiner Arbeit unvollendet lassen. Du sollst wissen, dass es sich bei meinem Projekt darum handelt, alle Spalten in den Zahnfelsen mit reich verzierten Fenstern auszuschmücken, auf denen die Geographie der gesamten Welt abgebildet ist, vom Fuß jedes Berges bis zu seinem Gipfel. Willst du etwa deine Zustimmung jetzt zurückziehen?«
Theophila streckte trotzig das Kinn vor.
»Nein«, knurrte sie.
Achmed lächelte flüchtig. »Gut. Dann sage deinem Klan Lebewohl. Versichere ihnen, dass man dich gut behandeln und bezahlen wird, und komm mit mir.«
Die Frau wandte sich an die Panjeri, die sie verwirrt anstarrten. Sie sagte einige rasche Worte, hörte der Antwort eines älteren Mannes zu, der im selben Wagen wie sie saß und den Achmed aufgrund seines Verhaltens am vorangegangenen Tag als den Anführer der Nomaden ansah. Dann wandte sie sich wieder an den Bolg-König.
»Der Anführer will deine Versicherung, dass du mich freundlich behandelst.« In ihrer Stimme lag eine Spur Ironie; vielleicht dachte sie gerade daran, wie viel Freundlichkeit sie selbst für gewöhnlich zeigte.
Achmed richtete sich im Sattel auf, stieg ab und ging zu dem Wagen, wo er neben Theophila stehen blieb und zu ihr Hochschaute.
»Ich behandle niemanden freundlich«, sagte er ruhig. »Du kannst meine besten Freunde und meine schlimmsten Feinde fragen, und sie werden dir beide dasselbe sagen. Aber du wirst bei mir sicher sein, gut genährt, beschützt und ausgestattet werden. Darüber hinaus verspreche ich nichts.«
Die Frau stand schweigend da und dachte über seine Worte nach. Hinter ihr flüsterten sich die Panjeri etwas in ihrer seltsamen Sprache zu. Achmed wurde allmählich wütend. Er streckte die behandschuhte Rechte nach ihr aus.