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»Wenn die Truppe eine Pause einlegen möchte, können wir gern halten«, sagte sie. »Ich bin nicht hungrig.«

Anborn schnaubte. »Sie hatten ein Frühstück«, sagte er hochmütig. »Wir reiten weiter; wir kommen gut voran.«

»Ich würde gern bei dem Baum anhalten, wenn wir in die Nähe des Kreises kommen«, sagte Rhapsody und hielt sich am Fensterrahmen fest, als eine neue Welle der Übelkeit sie überspülte. »Wie lange dauert es noch, bis wir da sind?«

Anborn schaute in den Wald und hoch zur Sonne. »Bis morgen Nachmittag.«

»In Ordnung.« Sie zog sich die Reisedecke über die Schultern. »Dann sollten wir doch anhalten und ein Mittagessen einnehmen. So wie ich dich kenne, Anborn, würdest du den Soldaten bis morgen keine Gelegenheit mehr geben, etwas zu essen.«

Der General lächelte schwach. »Wie du befiehlst.«

Dorndreher, der wie immer neben Anborn herritt und seine beiden Bögen über dem Schoß liegen hatte, sagte: »Den Göttern sei Dank. Ich wollte schon die Rinde vom nächsten Baum abreißen und sie verspeisen.«

Je tiefer sie in den grünen Wald hineinfuhren, desto leichter wurde die Reise. Anborn ließ den Wagen im Abstand von einigen Stunden immer wieder anhalten, wenn er glaubte, Rhapsody sei wach, damit sie Gelegenheit hatte, festen Boden unter den Füßen zu spüren und sich ein wenig zu recken und zu strecken. Nach wenigen Minuten wurde sie jedes Mal vorsichtig in den Wagen zurückgebracht, und das Garderegiment setzte sich wieder in Bewegung.

Als die Nachmittagssonne hinter den Bäumen versank und den Wald mit Stäben aus staubigem goldenem Licht überschwemmte, hielt der General an, um das Nachtlager aufzuschlagen.

»Ich glaube, du hattest genug Gerüttel und Geschüttel für einen Tag«, sagte er, während die Wagentüren geöffnet wurden. »Es ist Zeit, sich auszuruhen. Wir entzünden ein Feuer und gehen schlafen.«

»Wegen mir musst du nicht anhalten«, sagte Rhapsody und ergriff den Arm des Soldaten, der ihr die Tritte herunterhelfen wollte. »Ich kann im Wagen schlafen. Ich habe schließlich den ganzen Tag nichts getan.« »Was für ein angenehmes Leben«, lachte Anborn. Während die Soldaten das Lager aufschlugen, half Dorndreher dem General vom Pferd und legte ihn auf eine Bettrolle mitten auf der Lichtung in der Nähe eines Haufens aus Zweigen und Ästen, die das Lagerfeuer bilden würden. Rhapsody setzte sich neben ihn und erhielt einen Becher Apfelwein sowie einen Teller mit Keksen. Sie löste die Tagessternfanfare vom Gürtel und zog das Schwert vorsichtig aus der Scheide. Das ruhige Summen, das nun ertönte, klang genauso wie die Fanfare, die es ausstieß, wenn es in Wut oder Not gezogen wurde, doch nun war es kaum hörbar und wisperte leise durch die stille Luft des beständig dunkler werdenden Waldes.

Das Band mit dem Elementarfeuer tief in ihr sang darauf eine harmonische Antwort. Die Musik summte in Rhapsody und beruhigte Bauch und Geist.

Die Soldaten schauten beeindruckt zu, wie sie das Flammenschwert immer weiter zog und mit ihm den Haufen aus Zweigen und Ästen berührte. Sie entzündeten sich sofort; die Flammen tanzten im Wind und erfüllten das Zwielicht mit hellen Funken, die wie Glühwürmchen zuckten und huschten. Sie legte sich das Schwert über die Knie und hielt es mit den Ellbogen an Ort und Stelle, unempfindlich gegen die Flammen. Dabei lauschte sie dem Geplauder der vier Soldaten, die nicht Wache stehen mussten, sondern sich beim Feuer entspannten und ihr einfaches Mahl zu sich nahmen.

Es lag etwas Erfrischendes, Belebendes darin, in einer Sommernacht im Wald zu sein, dachte sie und sog tief die kühle, feuchte Luft ein, die in so großem Gegensatz zur trockenen Hitze Yarims stand. Vielleicht verbesserte es ihren Zustand, in dieser natürlichen Umgebung mit dem üppigen Grün des Sommers, dem warmen, reichen Duft der Erde und dem schützenden Blätterdach über ihr zu sein. Sie fühlte sich besser, obwohl ihr noch schwindlig war und ihre Blicke verschwammen. Viele Meilen entfernt hörte sie das Lied des Großen Weißen Baumes. Es war eine tiefe, uralte Melodie, die sich durch den ganzen Wald wob und in allen Pflanzen summte, die hier wuchsen. Sie schloss die Augen und lauschte bezaubert. Die Musik erfüllte ihren Kopf und machte ihre Gedanken klar.

Leise sang sie ein Lied aus ihrer Heimat, das ihr zur See fahrender Großvater ihr vorgesungen hatte, als sie ein Kind gewesen war.

Ich ward unter dieser Weide geboren, Wo mein Vater das Land bestellt’, Hatf grünes Gras zum Kissen mir erkoren Und den Ostwind als Laken und Zelt.
Doch fort! fort! rief der Wind aus West, Und als Antwort lief ich davon Sucht’ Abenteuer und Ruhm, Den versprach die goldene Sonn’.
Ich fand Liebe unter dieser Weide, So treu wie nichts auf der Welt, Verschenkte mein Herz und schwor Eide, Besiegelte sie mit Küssen und Geld,
Doch zu den Waffen! rief der Wind aus West Und treu lief ich davon, Marschierte für König und Vaterland In den Krieg unter der Mittagssonn’.
Oft träumt’ ich von dieser schönen Weide, Als auf den sieben Meeren ich fuhr, Und von dem Mädchen, das ich verließ, Bei ihr sein wollte ich nur.
Doch hinfort! hinfort! rief der Wind aus dem Westen, Und gleich fuhr mein Schiff davon, Die Küste hinab, durch die weite Welt, Unter fliegenden Segeln in der sinkenden Sonn’.
Nun liege ich unter der Weide, Nun reise ich nicht mehr umher. In den Armen der Braut und der Erde Ist meine Heimat nunmehr.
Wenn hinfort! hinfort! der Wind aus Westen ruft, Und jenseits des Grabes ich steh, Wird mein Geist die Sonn’ in den Morgen jagen, Jenseits des Himmels, jenseits der See.

Anborn, Dorndreher und die Soldaten lauschten verzückt der melancholischen Melodie; ihre Gespräche waren bei den ersten Tönen erstorben. Als Rhapsody fertig war, holten die Männer tief Luft und stießen sie in einem gleichzeitigen Seufzer wieder aus.

»Sing uns noch ein Lied, wenn du möchtest, Rhapsody«, sagte Anborn und trank seinen Humpen aus.

»Wärest du einverstanden mit Die traurige, seltsame Geschichte von Simeon Blaskerl und dem Schuh der Konkubine? Wie du weißt, ist das mein Lieblingslied.«

Rhapsody lachte und spürte, wie die Beklemmung in Brust und Bauch ein wenig nachließ. »Ein Gwadd-Lied? Wollt ihr, dass ich für euch ein Gwadd-Lied singe?«

Anborn tat so, als sei er beleidigt. »Warum nicht?«, wollte er wissen. »Bloß weil die Gwadd ein winziges Völkchen sind...«

»Und gute Schemel machen«, fügte Dorndreher rasch hinzu.

»... heißt das nicht, dass sie keine guten Sänger sind ...«

»Zart, wenn man sie mit Kartoffeln füllt...«

»Und dichten wunderbare Balladen...«

»Und sind ein guter Ersatz für Heuballen beim Bogenschießen ...«

»In Ordnung!«, sagte Rhapsody und musste vor Lachen so stark husten, dass ihr die Rippen schmerzten. »Hört aber sofort damit auf.« Sie richtete sich auf und räusperte sich. »Ich brauche meine Harfe«, sagte sie dann und setzte sich bequemer hin. »Wäre einer der vornehmen Herren so freundlich, sie aus dem Wagen zu holen?« Die Soldaten standen rasch auf und waren verblüfft, dass die alten Cymrer vor ihrer Herrin so grob waren und diese offenbar daran keinen Anstoß nahm. Aiiborn seufzte komisch, als einer der Männer zum Wagen rannte und das Instrument holte.

»Auf einer Ziehharmonika hört es sich besser an«, sagte er kennerhaft zu Dorndreher.