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»Wir werden angegriffen! Weiterfahren! Weiterfahren!«

Der dritte Pfeil zerschmetterte ihm den Brustkorb und nahm ihm den Atem. Dorndreher kämpfte gegen die Dunkelheit an, die aus den Augenwinkeln herbeikam, während ihm die Armbrust beinahe aus der Hand fiel. Der Bolzen stach das Pferd. Mit dem Rest seiner Konzentration zwang er das Spinnengewebe seines Bewusstseins auf einen bestimmten Punkt, packte seine Waffe mit einer letzten Anstrengung und feuerte erneut.

Der Pfeil flog weit, zumindest erschien es ihm so in dem Nebel, der sich in seinen Augen und seinem Denken festgesetzt hatte, und ein weiterer Körper fiel aus den Bäumen.

Er bemerkte, dass er keinerlei Schmerz verspürte, als er von der zuckenden Flanke des Pferdes fiel, und hörte nichts als das Klopfen in seinen Ohren, als sich sein Herz leerte und ihm das Blut aus der Brust schoss und sich auf dem Waldboden unter seinem Gesicht sammelte.

Er hörte, wie Anborn seinen Namen rief. Der Klang wurde schwächer, bis er ins Nichts verdämmerte.

»Reitet! Schützt den Wagen!«, donnerte der General und wendete sein Pferd, als Dorndreher auf den Waldboden fiel und sein Leben aushauchte. Er schlug sein Pferd und benutzte dabei das Handsignal, das es gut kannte. Er leitete es über die Straße und versperrte den Weg. In der einen Hand hielt er den Bogen, und mit der anderen zog er sein Schwert. Mordlust blitzte in seinen Augen auf. Reiter und Pferd hielten kurz an und galoppierten dann in Richtung des Waldes los. Geschickt wichen sie einem Pfeilschwarm aus. Anborn lehnte sich über den Hals des Pferdes und hörte das beunruhigende Knirschen des schlingernden Wagens, als die Fahrer die Pferde antrieben. Die Wachen preschten neben ihm dahin. Dann stürzte er sich in den Wald, aus dem das Pfeilfeuer gekommen war, und schlug mit entfesselter Wut um sich.

Das Brechen von Knochen, das Spritzen von Blut, von Hirn, das Reißen von Leder, die Genauigkeit, mit der er seine Schläge führte, konnten die Wut nicht dämpfen, die in ihm übergekocht war und nun alle versengte, die ihm im Weg standen. Verschwunden war die unbeteiligte Sachlichkeit, mit welcher der Marschall die blutigsten Kriege in der Geschichte des Kontinents geführt hatte. Er konnte seinen Zorn nicht zurückhalten und stürzte sich mit solcher Gewalt auf einen der Bogenschützen, dass dessen Körper nach sechs raschen Hieben unkenntlich geworden war.

In der Ferne hörte er das Geräusch von schlagenden Bolzen. Er hielt seinen Hengst an und drehte sich entsetzt um.

Vor dem Wagen flogen die Pfeile. Einer der Fahrer war an der Stirn getroffen und fiel schwer zu Boden. Er riss die Zügel mit, während er unter die Räder rutschte.

Der Wagen schwankte wie verrückt und wäre beinahe umgekippt. Die Wachen bemühten sich, mit ihm Schritt zu halten, und feuerten auf alles, was sich am Rand der Straße bewegte. Zu beiden Seiten des Wagens versuchten Rhapsodys Bewacher von ihren Pferden auf die Kutsche zu springen, um sie aus der Gefahrenzone zu lenken. Einem gelang es aufzuspringen, doch der andere wurde in dem Augenblick erschossen, als er das Trittbrett gepackt hatte.

»Flieht!«, brüllte Anborn den Reiter und dem Kutscher zu, doch sie befanden sich außer Hörweite. Er riss an den Zügeln und wirbelte herum, trieb sein Pferd zurück an den Waldrand und setzte zwei Männern nach, die zu Fuß in Richtung Straße flohen. Wie eine vollkommene Einheit ritten Mann und Tier über den ersten hinweg: Anborn wartete, bis er spürte, wie die Pferdehufe den Kopf des Mannes gleich einer Melone zerquetschten, bevor er dem zweiten von hinten in den Hals schoss und ihn mit dem Schwert aus dem Weg wischte.

Vorn zwischen den Bäumen sah er huschende Gestalten, es waren zwanzig oder mehr, und er wusste, dass das nur die hintere Flanke der Streitmacht war, die den Hinterhalt gelegt hatte. Während er sich eng an den Hals des Hengstes drückte, wurde ihm übel bei dem Gedanken, dass der Wagen inzwischen umstellt sein musste und die Wachen entweder überwältigt oder tot waren. An Dorndreher dachte er nicht mehr.

Rhapsody erwachte, als sie quer durch den Wagen geschleudert wurde.

In dem Nebel, der sich seit der Empfängnis ihres Kindes in ihren Gedanken festgesetzt hatte, kämpfte sie darum, einen klaren Kopf zu bekommen, doch das ließen der schwankende Wagen und ihr mangelndes inneres Gleichgewicht nicht zu. Zuerst konnte sie sich nicht einmal daran erinnern, wo sie war. Sie befand sich noch in den Fängen der seltsamen und bizarren Träume, die sie soeben geplagt hatten.

Sie hörte Stimmen vor dem Wagenfenster. Es waren die Rufe ihrer eigenen Soldaten und, weiter entfernt, gedämpfte Schreie in einer Sprache, die sie nicht verstand.

Zitternd tastete sie nach ihrem Schwert.

Das kann nicht sein, dachte sie und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Gleichzeitig packte sie sich an den Bauch, als der Wagen wieder schlingerte und sie zu Boden warf. Als ihr Ohr gegen die Planken des tanzenden Wagenbodens schlug, hörte sie einen Freudenschrei aufsteigen, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Es war ein Siegesschrei.

Der Seneschall wartete eine halbe Meile entfernt auf der Straße.

Er hörte im Wind den näher kommenden Wagen, gefolgt von dem freudigen Schrei. Er schaute über die Schulter und rief nach Fergus am Kopf der verbliebenen Truppen, die auf Pferden saßen, welche sie sich in der letzten Woche beschafft hatten.

»Das ist das Signal. Sie kommt. Holt sie von der Straße.«

Fergus nickte knapp und gab der Truppe ein Zeichen, dann trieb er sein Pferd zu einem leichten Galopp an.

Der Seneschall hob die Hand über die Metalltonne vor ihm, die halb mit Öl gefüllt war. Er öffnete die Tür in seinem Kopf, die dem Dämon Einlass verschuf, und lud ihn ein.

Kryv, flüsterten sie gemeinsam mit einer einzigen Stimme.

Mit einem Fauchen entzündete sich das Öl und wurde zu einem Flammenteppich. Ein schwankender Vorhang aus schwarzem Rauch und Funken senkte sich und verbrannte die grünen Blätter der höchsten Bäume über der Straße. Das Feuer wurde rasch zu einer heißen, hellen Flammenhölle, einem gezügelten Inferno.

Die Truppen ritten vorbei. Die von Caius angeführten Bogenschützen blieben zurück. Sie hielten ihre langen Bogen mit den pechgetränkten Pfeilen bereit.

Während der Wagen die Waldstraße entlangholperte, schützten die verbliebenen sechs Soldaten den Fahrer. Sie trieben verzweifelt ihre Pferde an und versuchten mit dem entsetzten Gespann Schritt zu halten, das sich von seiner Bürde freizukämpfen versuchte.

Zwei weitere Gruppen von Angreifern, eine an der hinteren linken Flanke, die andere rechts vor ihnen, preschten aus dem Wald hervor und schössen einen ganzen Schwärm von Pfeilen ab. Einige waren auf die Soldaten gezielt, die meisten aber auf den Fahrer und das Gespann.

Rhapsodys Fahrer und Soldaten waren nun so unterlegen, dass sie nicht mehr tun konnten, als den Wagen auf der Straße zu halten. Die hintere Flanke schien sie nach rechts treiben zu wollen, und die vorn aus den Wäldern kommenden Männer hielten nach links. Dem Fahrer drohten die von den Zügeln blutig gescheuerten Hände zu versagen, als er das Gespann nach links lenkte, weg von den Furchen am Rand der Straße.

Als sie auf eine kleine Anhöhe kamen, schössen drei weitere Reiter aus dem Wald hervor und kamen geradewegs auf den Wagen zu. Sie zielten zuerst auf den Fahrer, der auf dem Bock in sich zusammensackte, und dann auf den Wagen und die Wachen. Sie trafen einige und trieben das Gespann nach Norden, von der Straße herunter und in das tiefer liegende Gebiet unmittelbar dahinter. Rhapsodys verbliebene Wachen, die sich einer vierfachen Übermacht gegenübersahen, hielten an und stellten sich zwischen den Wagen und die herankommenden Mörder.

Es war, als wolle man das Meer mit einem Schild zurückhalten.

Die Angreifer fielen über die Wachen her, zerfetzten sie und trieben ihre Pferde in den Wald; die Leichname baumelten von ihnen herunter.