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Die Stimme von Oelendra, ihrer lirinischen Lehrerin und der letzten Frau, die die Tagessternfanfare vor ihr getragen hatte, hallte in ihrem Kopf wider.

Du hast einen guten Anfang gemacht, aber jetzt werden wir dir beibringen, wie unser Volk zu kämpfen.

Glaubst du, dass die Art, auf die die Lirin kämpfen, besser ist als die der Firbolg?

Ja, zumindest für die Lirin. Die Bolg sind groß, stark und unbeholfen; die Lirin sind klein, schnell und schwach. Du verlässt dich zu sehr auf deine Stärke und nicht genug auf deine Wendigkeit und Schlauheit. Du hast einfach nicht die Körpermasse, um wie ein Tier zu kämpfen. Langsam senkte sie die Klinge.

Sobald das Schwert auf den Boden zeigte, hastete der Kämpfer hinter ihr herbei. Mit der flachen Klinge zielte er auf ihren Hals, während nun auch die anderen näher kamen.

Sie tat so, als habe sie ihn nicht gehört und sei sich seiner Gegenwart gar nicht bewusst – bis zur letzten Sekunde, bevor er zuschlagen wollte.

Sie wirbelte herum, duckte sich und schlitzte ihm mit Anborns Schwert die Knie auf. Blut schoss wie aus einem Geysir aus der Wunde hervor und bespritzte ihr Kleidung und Gesicht. Der Wald schien plötzlich in einen Sturm auszubrechen, der sie umwarf. Sie spürte, wie Michaels übrige sechs Männer über sie herfielen, ihr die Waffe aus den Händen rissen und die Bluse aufschlitzten. Sie rollte sich im Fallen zu einer Kugel zusammen, um ihr Kind zu schützen, und machte sich gegen die Schmerzen taub, die von den Prellungen herrührten. Man hielt ihr die Beine fest, und ihr Rücken wurde immer wieder gegen den Boden gepresst.

Verschone mein Kind, betete sie zum All-Gott, während der Mann, dessen Beine sie verletzt hatte, wie verrückt schrie und ihr eigener Körper immer neue Schläge empfing. Falls ich überlebe, verschone mein Kind.

Die Tortur schien eine Ewigkeit zu dauern, doch tatsächlich war sie in wenigen Augenblicken vorbei. Rhapsody lag auf dem brennenden Boden; ihr Gesicht war grün und blau geschlagen, und sie blutete und atmete den Staub des Waldbodens ein. Überall um sich herum spürte sie die Hitze im Einklang mit Michaels Wahnsinn steigen.

Er schlenderte zu ihr herüber. Sie hörte seine Schritte und versuchte, sich nicht von Furcht auffressen zu lassen. Er packte das Seil, das ihre Hände band, und zog sie auf die Beine. Er starrte sie an. Seine Augen waren ein fließendes, grausames blaues Licht unmittelbar vor ihr. In diesem Moment war es Rhapsody, als blicke sie direkt in die Gruft der Unterwelt, wo die Rasse der Dämonen gefangen gehalten wurde.

Dann lagen seine Lippen auf ihren – Lippen, die vor beißendem Feuer brannten und sich so schwer gegen ihren Mund pressten, dass sie ihm Quetschungen zufügten.

Das ganze Grauen der Vergangenheit kam in einer Sekunde zu ihr zurück. Rhapsody zitterte heftig, als die schmerzhaften Erinnerungen sie überfluteten; es waren scheußlich Augenblicke aus der Vergangenheit, die sie zusammen mit ihren Albträumen fortgesperrt hatte. Gegen ihren Willen keuchte sie laut auf.

Michael beendete den Kuss und starrte sie an. Er hatte sie falsch verstanden. Er nahm ihr Gesicht in die Hände und presste seinen Körper gegen ihren. Das stahlähnliche Skelett wurde von Muskeln gehalten, die sich eher tot als lebendig anfühlten.

»Beiß mich, und es wird das Letzte sein, wofür du deine Zähne gebraucht hast«, sagte er gelassen, als er mit den Händen durch ihr goldenes Haar fuhr, das Band löste und es zu Boden warf. »Sie hindern mich nur bei meinem Plan, wie ich deinen Mund benutzen will.«

Dann stieß er ihr die Zunge zwischen die Lippen und nahm ihr den Atem.

Rhapsody versuchte, ihren Verstand vom Körper zu trennen, wie sie es früher gekonnt hatte, doch ihr Ekel war so stark und der Gestank brennenden menschlichen Fleisches, der bei wachsender Erregung von seiner Haut ausging, so überwältigend, dass sie das Geschehen nicht ausblenden konnte. Sie musste sich übergeben. Michael taumelte vor Abscheu einige Schritte zurück.

Sie stand vornübergebeugt und befand sich noch in den Wehen der Übelkeit, als er sich bereits wieder gefangen hatte. Wütend trat er vor sich und schlug ihr so kräftig ins Gesicht, dass sie rücklings auf den Boden fiel.

»Du Hure!«, kreischte er im heiseren Tonfall des Dämons. »Elende, brünstige Hure. Du hast den widerlichen Saft aus den Lenden deines Mannes ertragen, aber vor mir ekelst du dich?«

Als er die Hand ausstreckte, um sie wieder zu packen, rief der Vogt ihm zu: »Herr! Wir riskieren, entdeckt zu werden! Ich schlage dringend vor, dass wir zurück zu den Klippen und an Bord des Schiffes gehen. Dort könnt Ihr die Frau ungestört und in der Abgeschiedenheit Eurer Kabine nehmen, und sie wird Euch nicht entkommen können. Außerdem wartet Faron auf Euch.«

Der Seneschall starrte hinunter auf Rhapsody, die sich zusammengerollt hatte. Blut troff ihr aus der Nase. Er packte sie bei den Haaren und zerrte sie auf die Beine.

»Bring mir mein Pferd«, befahl er einem der übrig gebliebenen Schwertkämpfer, der vergeblich versucht hatte, die Beine des Verwundeten zu verbinden. Er schaute hilflos auf seinen sich am Boden windenden Kameraden und lief dann zur Straße, um die Pferde einzusammeln.

Hinter dem Seneschall ertönte Caius’ Stimme schwach und besorgt: »Herr, wir müssen zum Ort des ersten Hinterhalts zurückgehen und Clomyn holen. Er ist schwer verwundet und liegt im Sterben; ich fühle es.« Er fuhr sich mit der schweißbedeckten Hand über die graue Stirn.

Der Seneschall drehte sich um und schaute ihn wütend an.

»Bist du blind?«, knurrte er und deutete auf die Feuersbrunst, die sich besonders dort, wo der Wagen zuerst angegriffen worden war, wie ein Buschfeuer durch den grünen Wald ausbreitete. »Er ist nur noch Asche.«

Caius schaute auf die Wand aus Licht und Hitze. »Nein, nein, Euer Ehren, er lebt. Er ist mein Zwillingsbruder, Herr. Ich fühle, was er fühlt, und höre, was er hört, so wie er mich hört. Bitte, ich weiß, dass er noch lebt. Wir müssen ihn holen, bevor wir uns zurückziehen.«

Der Dämonenwirt, der früher einmal Michael gewesen war, sah den Armbrustschützen finster an. Als er sprach, tropfte Gift aus seiner Stimme.

»Also gut, Caius. Hol ihn, wenn es unbedingt sein muss.« Er wickelte sich Rhapsodys Haare mehrfach um die Hand und zog sie zu der Stelle, wo der Lakai das Pferd zum Stehen gebracht hatte. Rasch packte er sie am Kragen ihres Hemdes sowie an ihrem Gürtel und warf sie über den Rücken des Tieres.

»Aber Herr, wollt Ihr keine Öffnung in die Feuerwand brechen, so wie Ihr es vorhin getan habt?«, stammelte Caius.

Michael drehte sich nach ihm um. Seine Schultern waren unter dem Mantel deutlich angespannt. Er schaute den zitternden Schützen an.

»Natürlich, Caius«, sagte er fürsorglich. »Hier.« Er deutete lässig auf die Feuerwand. In den Flammen öffnete sich ein schmaler Durchgang, hinter dem ein Stück blauen Himmels sichtbar war.

Caius’ Gesicht entspannte sich ein wenig; mit dem flackernden Licht kehrte die Farbe in seine Wangen zurück.

»Vielen Dank, Herr«, murmelte er rasch, während er sich in den Durchgang stürzte. Sobald der Armbrustschütze zwischen die Flammen getreten war, machte der Seneschall eine Handbewegung, und der Durchgang verschwand.

Die Flammen schlössen sich um Caius, und sein Schrei wurde von dem Lärm des Infernos und dem Knirschen der brennenden Bäume übertönt.

Er wirbelte herum und schoss aus dem Feuer zu der Stelle, wo die anderen standen. Beinahe hätten ihn die Flammen verschlungen. Zwei der Schwertkämpfer ergriffen ihn, rollten ihn über den Waldboden und erstickten so alle Flammen, die noch an ihm züngelten.

»Wenn du das nächste Mal eine meiner Entscheidungen in Frage stellst, Caius, warte ich, bis du tiefer in dem Durchgang steckst«, sagte der Seneschall selbstgefällig. »Dann bist du auf ewig mit der Asche deines Zwillingsbruders vereint.«