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Er stieg auf das Pferd hinter der auf dem Rücken liegenden Rhapsody und zog sie hoch, sodass sie gegen seine Brust lehnte. Ihre Augen waren glasig, ihr Atem ging flach, doch der Herzschlag war stark, wie er bemerkte, als er ihr das Hemd aus der zerrissenen Hose zog und die Hand unter das Hemdchen steckte. Er berührte die zarte Haut der Brüste, von denen er endlose Zeiten hindurch geträumt hatte.

Rhapsody sackte nach vorn. Sie war so erschöpft, dass sie weder Kopf noch Rücken hochhalten konnte.

Ich muss meinen Bauch schützen, Zeit gewinnen und den richtigen Augenblick abwarten.

Sie kämpfte darum, nicht das Bewusstsein zu verlieren, während die Banditen nach Westen auf das Meer zu ritten.

Und sie verlor diesen Kampf.

29

Anborn kam auf dem Waldboden langsam wieder zu Bewusstsein. Das Feuer hatte die Bäume verkohlt und die meisten Büsche sowie das Unterholz zu heißer Asche gemacht und war weitergezogen.

Überall um ihn herum brannte die Welt.

Der General ächzte, als er den Kopf hob und sich umschaute, dann sackte er wieder zurück; er war zu schwer. Die Hitze versengte ihm den Rücken. Er begriff nicht, warum er nicht bei lebendigem Leibe verbrannt war.

Ganz kurz dachte er daran, die Augen wieder zu schließen, den Kopf zur Ruhe zu betten und das Feuer über ihn hinweg und durch ihn hindurch rauschen zu lassen, sich verzehren zu lassen, zu Asche zu werden und im Wind zu tanzen, sodass er über das Meer treiben konnte, über die ganze Welt, in endlosen Luftströmungen steigen und fallen wie der Blutsverwandte, der er gewesen war. Rhapsodys letzte Worte kamen ihm in Erinnerung und rüttelten ihn aus seinem todesnahen Tagtraum.

Lebe, lebe für mich, Anborn. Benachrichtige Ashe von dem, was hier geschehen ist. Sage ihm, den Kindern und meinen Bolg-Freunden, dass ich sie liebe. Und denk immer daran, dass ich dich ebenfalls liebe.

Ob diese Worte die unausweichliche Magie einer mächtigen Benennerin, der Befehl seiner Herrscherin, der er Treue geschworen hatte, der Ruf eines Blutsverwandten oder die letzte Bitte der einzigen Frau auf der Welt waren, deren Liebe und Freundschaft er schätzte, war gleichgültig; zumindest übten sie eine solche Macht auf ihn aus, dass er den Kopf hob und den warmen und gnädig endlosen Schlaf abschüttelte, der am Rande seines Bewusstseins glomm.

Als sich sein Blick klarte, erkannte er, dass die Zerstörung um ihn herum vollständiger war, als er es sich hätte vorstellen können. Jeder Baum in Sichtweite stand in Flammen, und das Feuer gewann noch an Stärke, während es sich nach Norden in Richtung des Tara’fel-Flusses ausbreitete. Er musste aus dem Wald fliehen und Hilfe holen.

Anborn drückte die Hände gegen den Boden und hob den Oberkörper so hoch, dass er sich umschauen konnte.

Sie war noch da. Sie schwelte still unter ihm und sog die zerstörerische Kraft der Flammen ein, wodurch sie ihn vor dem Tod bewahrte.

Die Tagessternfanfare.

Einen Moment lang starrte der General die Klinge an. Verschwunden waren die wogenden Feuerwellen, die vom Griff bis zur Spitze rollten, wenn Rhapsody das Schwert in der Hand hielt, und die ein Zeichen für das Band zwischen dem Element und der Iliachenva’ar waren. Ein heller Glanz von Sternenlicht durchdrang es noch, aber das Feuer war gelöscht, fortgenommen durch den Mann, der das Schwert der Luft trug. Auch wenn er es nie zuvor gesehen hatte, waren ihm Geschichten über diese Waffe zu Ohren gekommen; es handelte sich um eine Klinge, die in der alten Welt während des serenischen Krieges vor dem cymrischen Exodus geschmiedet worden war.

Tysterisk.

Seine Kraft war unleugbar. Er spürte sie und fühlte die Macht, welche die Gestalt am Ende der Straße über dieses Element ausübte.

Die Blutsverwandten waren Brüder des Windes; dieser Mann konnte dem Wind selbst befehlen. Anborns Gedanken wirbelten umher, waren gefangen in seinem teilnahmslosen Körper. Er dachte an Rhapsody; er wusste, wie entsetzt sie nun war, auch wenn sie in seiner Gegenwart tapfer gewesen war. Der Gedanke daran, was nun mit ihr geschehen mochte, oder dass sie möglicherweise schon tot war, erschuf eine Welle unbarmherziger Wut in seinem Herzen, die ihn rasch ganz überspült hatte. Unter großen Anstrengungen rollte er auf die Seite und griff mit zitternden Händen nach dem Elementarschwert. Mühsam steckte er es zurück in die Scheide und streckte dann den Arm so weit wie möglich aus in der Hoffnung, irgendwo eine Wurzel, einen noch lebenden Busch oder etwas anderes zu finden, woran er sich hochziehen konnte.

Die geschwärzte Hülse von etwas, das einmal ein Brombeerstrauch gewesen war, befand sich außer Reichweite. Anborn drückte sich voran, steckte die Hände in den brennenden Lehmboden, fand festen Halt in der Erde und zog sich einige Schritte vorwärts. Er wusste, dass sich das Feuer weitaus schneller bewegte als er selbst.

Alle bewussten Gedanken zerstoben. Er hatte nur noch ein einziges Zieclass="underline" aus dem brennenden Wald zu kriechen und zum filidischen Kreis beim Großen Weißen Baum zu gelangen, wo er mit Rhapsody noch vor einigen Tagen gewesen war. Sicherlich konnte man ihr von dort aus zu Hilfe eilen. Langsam, schmerzhaft langsam streckte sich der General und zog sich an jeglicher Vegetation, die er erreichen konnte, vorwärts, und wenn es ihm nicht gelang, dann kroch er nur mit Hilfe seiner starken Finger und Ellbogen weiter und kämpfte sich mit beinahe unerkennbaren Erfolgen durch die rauchende Blättermasse und andere brennende Rückstände des Waldbodens.

Die Zeit verging mit grausamer Langsamkeit. Das Inferno um ihn herum wurde immer heißer und heller am Rande seines Blickfelds, doch Anborn achtete nicht darauf, sondern richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die wenigen Handbreit Boden vor ihm, zog sich mühsam weiter, immer weiter, eine schmerzhafte Minute nach der anderen.

Nach einer scheinbaren Ewigkeit kam er zu dem reglosen Bogenschützen, der Dorndreher getötet hatte; die Armbrust lag noch neben ihm. Anborn ergriff die Gelegenheit, sich kurz auszuruhen und Luft zu holen. Er rollte auf die Seite, zuckte unter den überwältigenden Schmerzen in den Rippen zusammen und riss sich ein Stück Stoff aus dem Hemd, um damit die Blutungen an den Händen zu stillen. Rasch umwickelte er sie mit einem behelfsmäßigen Verband und schaute sich erneut um. In Reichweite lag das brennende Skelett eines Pferdes, dessen hochlehniger Sattel in der Hitze schmolz. Ein zerbeulter Säbel lag daneben; er glänzte im Feuerschein. Anborn griff mit heftig zitternder Hand danach und spürte dabei die Schmerzen im Rücken nicht mehr.

Die Körper der übrigen Angreifer mussten bereits von den Flammen verzehrt worden sein, durch die er nun kroch. Er hatte ihre Asche, ihre Überreste und Seelen auf dem Weg über den brennenden Waldboden eingeatmet.

Sogar die von Dorndreher.

Zum ersten Mal seit Beginn der Schlacht dachte er an seinen Freund und Lehrer. Er war ein einfacher Seemann gewesen, der in der Mannschaft der Serelinda gedient hatte, dem letzten Schiff, das die Insel verlassen hatte, bevor sie im Meer versank. Die Reise über den Nullmeridian hatte ihn in einen bärbeißigen, unsterblichen Soldaten verwandelt. Er war ein treuer, wenn auch bisweilen widerstrebender Gefolgsmann zunächst von Anborns Vater Gwylliam gewesen, dann fünfzehn Jahrhunderte lang von Anborn selbst, und hatte immer Ansichten gehegt, die nur aus der Weisheit von jemandem erwachsen konnten, der den Untergang zweier Welten erlebt hatte.

Als Anborn auf der Seite lag, spürte er, wie ihn Trauer erfüllte, eine Trauer, die er seit Jahrhunderten nicht mehr verspürt hatte. Er schloss die Augen, um sie im Zaum zu halten; sie lenkte ihn nur von seinem wichtigsten Ziel ab.

Als er sich ein wenig ausgeruht hatte, kroch er hinüber zu dem Körper des Bogenschützen. Nachdem er ihm ins Gesicht gespuckt hatte, packte er ihn am Kinn und schleifte ihn mit sich, denn er würde ihn noch brauchen.

Über seinem Kopf brach der massige, brennende Ast eines hohen Baumes durch das Blätterdach und schlug dicht neben ihm auf den Boden. Er hielt sich zum Schutz vor der aufgewirbelten Asche Nase und Mund zu.