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Theophila hingegen war noch weniger durchsichtig als das Bleiglas, das sie und ihre Panjeri-Gefährten herstellten.

Während des größten Teils der Reise sagte sie gar nichts, sondern zog es vor, schweigend über die steinige Steppe zu reiten, die im Nordosten von Sorbold bis nach Ylorc an die Manteiden grenzte. Sie wurde sogar noch schweigsamer, als sie auf die Bergpässe gelangten, und hatte immer wieder wie ein Beutetier hochgeschaut, das nach Jägern Ausschau hält.

Zwar empfand Achmed ihr Schweigen im Gegensatz zu Rhapsodys Geplapper als angenehm, doch etwas an den Schwingungen, die von ihr ausgingen, stimmte nicht. Während die natürliche Musik, die Rhapsody umgab, beruhigend auf sein Netz aus Nerven und Adern wirkte, das die Oberfläche seiner Haut durchzog, hatte die Panjeri-Frau etwas Knisterndes an sich; es war eine Art von atmosphärischer Störung, die sie immer umgab. Zwar wirkte es faszinierend, versetzte aber seine natürliche Abwehr in höchste Alarmbereitschaft.

Hin und wieder versuchte Achmed, sie in ein Gespräch zu verwickeln oder in das, was er für ein Gespräch hielt. Dann stellte er ihr knappe und auf den Punkt gebrachte Fragen über ihre Ausbildung, ihre Erfahrung und die nötigen Arbeitswerkzeuge. Theophila antwortete meist kurz und abgehackt und richtete ihre Aufmerksamkeit lieber auf das unvertraute Gebiet, durch das sie reisten. Wenn sie nachts ihr Lager aufschlugen, bekam keiner von beiden viel Schlaf. In den Tagen seit ihrer ersten Begegnung hatte das Misstrauen zwischen ihnen kaum abgenommen, und so schliefen beide aufrecht und mit gezogenen Waffen, vorgeblich um jeder Bedrohung durch wilde Tiere oder Banditen sofort begegnen zu können, doch beide hegten kaum einen Zweifel daran, dass der jeweils andere sich ganz oben auf der Liste der Wesen befand, vor denen man sich in Acht nehmen musste. Bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen Theophila sprach, ließ sie sich lang und breit über die Werkzeuge und Hilfsmittel aus, die sie benötigte, obwohl sie ihren Arbeitsplatz noch gar nicht gesehen hatte. Sie hatte einen kleinen Beutel dabei, in dem sie vermutlich einige Handwerkszeuge hatte: eine Säge vielleicht, Zangen und die schlechten Feilen, die er bei den Glasfenstern in Sorbold im Einsatz gesehen hatte. Doch die wichtigeren Werkzeuge und alles andere gehörten den Panjeri, hatte sie gesagt, weswegen er sie vollständig ausstatten musste.

Sie ist verrückt nach Werkzeugen, dachte er belustigt, als sie ihre Liste der benötigten Sachen schrieb.

Wie Rhapsody eine Schwäche für Kleider hat. Jede Frau, der er bisher begegnet war, war von irgendetwas besessen gewesen, so großartig sie auch sein mochte.

Außerdem wusste sie, wie man ein Pferd handhabte. Wenn sie glaubte, dass er nicht hinsah, hörte Achmed, wie sie mit dem Tier sprach, das er in Yarim gekauft hatte, seine Hufe untersuchte und es mit Worten in einer fremden Sprache besänftigte. Ihre Hände waren klein, aber stark, und sie setzte eher sie als ihre Beine beim Lenken des Pferdes ein. Auf diese sanfte Seite ihres Charakters ließ sie keinen Blick zu, wenn sie wusste, dass Achmed sie beobachtete.

Sechs Tage nachdem sie den Rymshin-Pass verlassen hatten, kamen die hoch aufragenden Gipfel des Griwen und des Xaith in Sicht. Achmed schaute Theophila hinter seinen Schleiern an und bemerkte, wie schnell ihre dunklen Augen den Blick auf die vielfarbigen Berge einsogen, die sich fang-zahnartig in Schattierungen aus Schwarz und Purpur, aus Grün und Blau über den wogenden Nebel erhoben, der den Eindruck erweckte, als befänden sich die Berge hoch droben in den Wolken. Diese beiden Gipfel waren in der cymrischen Ära ausgehöhlt worden und wurden nun restauriert und zu Außenposten umgebaut, die rund um die Uhr besetzt waren und tausende von Soldaten in Wachttürmen beherbergten, von denen aus man fünfzehn Meilen weit über die Krevensfelder blicken konnte.

»Ylorc«, sagte er nur. Theophila nickte und schwieg. Er führte sie durch den Haupteingang in den Kessel, unter gewaltigen, aus dem Berg gehauenen Torbögen hindurch und an riesigen Bollwerken und Schutzwällen vorbei, die aussahen, als sollten sie die Götter selbst zurückhalten. Achmed kicherte in sich hinein, als er den Ausdruck unverhüllten Erstaunens in Theophilas Gesicht sah, und er erinnerte sich daran, wie er, Grunthor und Rhapsody zum ersten Mal bei sintflutartigem Regen Ylorc betreten hatten, das schon damals ein gewaltiges architektonisches Wunder gewesen war, auch wenn es in der Zwischenzeit an Pracht gewonnen hatte. Wie immer brauchte er sich nicht über seine Absichten klar zu werden.

Er hatte sie beeindrucken und überwältigen wollen. Er hatte sie sogar ein wenig einschüchtern wollen. Große Messingglocken schlugen bei ihrem Eintritt an. Der kriegerische Klang hallte über die Erdwälle und von den Berggipfeln wider und rüttelte an den schweren Gobelins in der inneren Halle. Zweihundert Bolg-Soldaten säumten in glänzenden dunklen Lederrüstungen und mit Beinschienen und Unterarmschonern aus blau-schwarzem Stahl den gewaltigen Korridor, der an riesenhaften Statuen vorbeiführte, welche aus der cymrischen Ära stammten, aber erst vor kurzem von Bolg-Künstlern in ihrer früheren Pracht oder wenigstens Sauberkeit wiederhergestellt worden waren. Theophila folgte dem Bolg-König durch den tiefen Tunnel, der zur Großen Halle führte und auf beiden Seiten von unzähligen, meist nicht zueinander passenden Postamenten gesäumt war, auf denen verschiedene Gegenstände hockten und Staub ansammelten.

»Was ist das alles?«, fragte sie. Ihre Stimme hallte in dem höhlenartigen Tunnel wider.

»Staatsgeschenke«, erwiderte Achmed und ging an Halsketten, Krügen und anderen Schätzen vorbei, die sehr nachlässig ausgestellt waren. »Plunder und Kinkerlitzchen, die uns verschiedene Führer anderer Nationen zum Geschenk gemacht haben, als ich die Herrschaft über die Bolglande angetreten habe. Bestechungsgeschenke. Besänftigungen. Staubfänger.«

Die dunklen Augen der Panjeri-Frau glitzerten in den Schatten der Fackeln an den Wänden.

»Einige sehen sehr wertvoll aus.«

»Das sind sie zweifellos auch.«

»Warum sind sie dann so nachlässig ausgestellt?«

Achmed schnaubte. »Weil sie mir gleichgültig sind. Ich hatte das Ganze schon auf dem Fischmarkt verkauft, aber mein ... Protokollminister bestand darauf, sie zu behalten, falls einer der Narren noch einmal herkommen sollte.«

Theophila lächelte schwach. »Warum passen nicht wenigstens die Postamente zusammen?«

Achmed zuckte die Achseln. »Du findest irgendwo in einer Abstellkammer eine alte Säule, du ziehst sie heraus, stellst eine Schüssel darauf und packst das Ganze in den Korridor. Das ist eine diplomatische Aussage. Sie müssen nicht zusammenpassen.«

»Aha. Und du bist trotzdem bereit, zweihunderttausend Goldsonnen für eine Bleiverglasung auszugeben. Du hast einen bemerkenswerten Sinn für Ästhetik.« Theophila verstummte und folgte ihm durch den Korridor in die Große Halle.

Shaene füllte inmitten der zerbrochenen Scheiben aus den vielen fehlgeschlagenen Schmelzversuchen gerade einen großen Haufen Holzasche in eine Tonne, als Achmed und die neue Glasmeisterin den Turm des Gurgus betraten.

Der canderianische Künstler riss den Mund auf, schloss ihn aber rasch wieder und lief über den Marmorboden. Seine Stiefelabsätze hallten in dem großen Kuppelsaal wider. Während er auf den Besuch zurannte, wischte er sich die Hände an seiner Schürze ab.

»Willkommen zu Hause, Euer Majestät«, sagte er mit übertriebener Höflichkeit zu Achmed. »Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Reise.« Er lächelte die Frau strahlend an, die seinen Blick ohne erkennbare Regung erwiderte.

»Wo ist Rhur?«, fragte Achmed harsch.

»Er und Sandy überprüfen die Brennöfen.« Shaenes Lächeln wurde noch breiter und kriecherischer. Achmed beachtete ihn nicht weiter und ging zu einem der Arbeitstische, auf dem viele Generationen von Versuchsscherben neben sieben in Leinwand eingewickelten Gläsern lagen. Theophila folgte ihm. Sie schaute sich in dem großen, schmalen Raum eingehend um und warf einen Blick auf den sich darüber erhebenden hohen, luftigen Turm, der bis in den Himmel reichte. Achmed deutete auf die gewölbte Decke, die behelfsmäßig mit Holz verschalt worden war. Sie war um ein Mittelstück in sieben gleiche, strahlenförmige Abschnitte unterteilt.