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Rhapsody streckte die Arme nach ihm aus. »Sam ...«

»Er hat natürlich Recht«, sagte die warme, kultivierte Stimme. »Ich habe euch gegenüber keinerlei Rechte mehr. Ich habe nur um deine Nachsicht gebeten.«

»Warum schaust du nicht nach, ob Achmed und Grunthor Hilfe brauchen, Sam?«, fragte Rhapsody sanft. »Ich kann auf mich selbst aufpassen. Geh. Bitte.« Gwydion sah sie zweifelnd an, dann erkannte er, was sie vorhatte, und ging mit einem Seufzer der Verärgerung fort.

»Er ist noch sehr wütend, und er trauert«, sagte Llauron. Es war, als ob seine Stimme aus der Erde und der Luft gleichzeitig käme. »Ich hoffe, du kannst ihm bei der Bewältigung seines Zorns helfen, meine Liebe.«

»Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte«, antwortete sie. »Vielleicht ist es für uns beide besser, uns immer an den Grund dafür zu erinnern.«

Ein dunkles Kichern rumpelte durch den Boden. »Das glaubst du vielleicht, Rhapsody, aber es stimmt nicht. Das hältst du nicht durch. Ich vermute, du hattest genug schlechte Gefühle für ein ganzes Leben. In Anbetracht deiner Lebenserwartung ist das eine Menge Schmerz. Du bist nicht der Typ, der andauernden Groll hegt.«

»Falls ich jemals Schwierigkeiten haben sollte, mich daran zu erinnern, warum ich nicht mehr mit dir rede, muss ich nur das Bild des heutigen Tages in mir heraufbeschwören: der verkrüppelte Anborn, der versucht hat, mich zu retten; Stephen, der gestorben ist, damit die Cymrer aus dem Gerichtshof fliehen konnten; das Entsetzen, das Anwyn auf uns herabgerufen hat ... Ich glaube, das werde ich nie vergessen. Mal sehen, ob ich nicht doch der Typ bin, der andauernden Groll hegt.«

Die Stimme im Wind schien ehrlich überrascht zu sein. »Warum bist du so wütend auf mich? Was habe ich dir getan?«

Verärgert schlug sie in den Wind. »Wo warst du? Warum hast du nicht geholfen? Du hättest so viele Leben retten können diese Cymrer, die du angeblich so verehrst und schätzt. Warum hast du dich nicht selbst um Anwyn gekümmert? Bestimmt wäre dir das leichter gefallen als allen anderen.«

Der Wind seufzte.

»Sie war meine Mutter, Rhapsody.«

»Und Gwydion ist dein Sohn. Anborn ist dein Bruder. Stephen war dein Freund. Und das hier ist dein Volk. Das ist wohl kaum eine gute Entschuldigung.«

»Gwydion hat dich. Anborn hat die Freundschaft vieler. Stephen möge der Schöpfer ihn segnen hatte die Liebe einer Frau, zweier wunderbarer Kinder und aller, die ihm je begegnet sind. Die Cymrer hatten einander und haben sich gegenseitig den Sinn im Leben verschafft. Anwyn hatte nur mich.« Der Wind blies warm durch ihre Haare. »Ich hoffe, du wirst es eines Tages verstehen und mich in deine Versöhnlichkeit einschließen. Ich hoffe, eines Tages meine Enkel zu sehen. Das wirst du mir doch nicht verwehren, oder?«

»Ich bezweifle, dass ich deine Beweggründe je verstehen werde, aber das muss ich auch nicht, Llauron«, entgegnete Rhapsody. »Du bist jetzt in deiner eigenen Welt. Wenn wir eines Tages Kinder haben und sie dich sehen wollen, werde ich nichts dagegen haben.« Das Grün ihrer Augen wurde dunkler. »Es sei denn, du versuchst uns wieder in irgendeiner Weise zu beeinflussen.«

»Ich habe verstanden. Ich glaube, unsere Welten sind weit genug voneinander entfernt, um sicherzustellen, dass das nicht geschehen wird.«

»Hoffentlich hast du Recht.«

Die wohlklingende Stimme seufzte im Wind. »Rhapsody, ich muss dich bitten, dich an etwas zu erinnern.«

Sie warf einen Blick über die cymrischen Versprengten, die in der Senke in kleinen Gruppen zusammenstanden und miteinander redeten. »Ja?«

»Ob du es erkennst oder nicht, und ob es dir gefällt oder nicht: Eines Tages wirst du dich noch einmal in derselben Situation befinden.«

Sie richtete wieder ihre ganze Aufmerksamkeit auf den unsichtbaren Llauron. »Was soll das bedeuten?«

»Wenn du einen Mann heiratest«, sagte die Elementarstimme des Wyrm, »der auch ein Drache ist, wirst du eines Tages bemerken, dass er ganz zu dem einen oder anderen werden muss. Wenn er sich entscheidet, dass die menschliche Seite den Sieg davontragen soll, wirst du irgendwann die Schmerzen der Witwenschaft kennen lernen, so wie ich. Und wenn er den Pfad einschlägt, den ich gewählt habe, dann weißt du jetzt, was ihr beide tun müsst. Ich will dein Glück in keiner Weise erschüttern, meine Liebe, aber so ist es nun einmal bei der Familie, in die du einheiraten möchtest. Ich will bloß nicht, dass du eines Tages aufwachst und glaubst, man habe dich in die Irre geführt.«

Bitterer Schmerz stieg in Rhapsodys Kehle hoch. Die Wahrheit seiner Worte war trotz ihres Verlangens, sie nicht weiter zu beachten, unleugbar. Seine Gründe für diese Mitteilung waren ihr weniger klar. Es war unmöglich zu sagen, ob er sie warnen oder davon abhalten wollte, sich in eine Lage zu begeben, in der sie irgendwann solchen Problemen gegenüberstand. Sie schaute wieder über das Feld in die Senke, in der Gwydion kniete, umgeben von alten Freunden, welche Rosella und die Kinder Stephen Navarnes trösteten.

»Auf Wiedersehen, Llauron«, sagte sie und raffte den Rock. »Ich vermute, wir werden uns auf der Hochzeit begegnen. Zumindest werde ich deine Anwesenheit spüren.« Sie kletterte von den Felsen hinunter und eilte durch den Gerichtshof zu ihrem wartenden Ehemann.

87

In der Großen Halle von Tyrian oberhalb von Tomingorllo und unter dem frohen Schall silberner Trompeten trug eine feierliche Prozession das erkorene Brautgeschenk zu dem Schaukasten, in dem das Diadem gelegen hatte. Es wurde vorsichtig abgesetzt und mit größter Hochachtung enthüllt.

Von allen wertvollen Staatsgeschenken, die der lirinischen Königin zur Begutachtung vorgelegt worden waren und die den Reichtum und die Kunstfertigkeit einer jeden Nation widerspiegelten, deren Herrscher um ihre Hand angehalten hatte, hatte sie eine einfache Schriftrolle ausgewählt, die von einem schwarzen Samtband zusammengehalten wurde. Sie war mit einem seltsamen, dreizehneckigen Siegel versehen, das angeblich eines von nur zweien auf der ganzen Welt war.

Es hieß, die Rolle enthalte ein Lied, das keinem anderen gleiche. Da die Königin eine unerreichte Musiker in war, hatte man es als geradezu magisch angesehen, dass sie diese Gabe allen anderen vorgezogen hatte. Die Plakette darunter trug die Inschrift: Gwydion von Manosse, Herr der Cymrer.

Während dieser bedeutungsvollen und fröhlichen Zeremonie war die Königin dem Brauch gemäß abwesend. Zumindest wurde sie nicht bemerkt. Sie lag jedoch bäuchlings auf dem Balkon des Großen Balkons und beobachtete alles zusammen mit Gwydion unter dessen Nebelumhang. Es war für beide ein Kampf, nicht wie Verrückte zu kichern. Genau so war es gewesen, als Rhapsody ihre Wahl Rial kundgetan und sein Amtszimmer fluchtartig verlassen hatte, bevor sie die Fassung verlor.

Das Lied war ein Geschenk, das nur für die Augen der Braut bestimmt war. Gwydion hatte damit gedroht, dass die Rolle eines von Grunthors unzüchtigen Marschliedern enthalte. Doch als sie das Lied entrollt hatte, hatte sie erkannt, dass er ihre musikalischen Anweisungen ausgezeichnet umgesetzt hatte. Das sorgfältig beschriebene Papier trug die Noten von Sam und Emily für immer ohne einen einzigen Fehler. Der Blumenstrauß, den er ihr gleichzeitig überreicht hatte, blieb in Elysian. Er öffnete sich jeden Tag ein wenig mehr und enthüllte mit jeder neuen Lage Blütenblätter ein tieferes Rot. Der Strauß wurde durch die Magie des Ortes frisch gehalten und blieb in dauernder, prachtvoller Blüte. Es war ein wirkliches Wunder, aber es war eines, das die Königin mit niemandem teilen wollte. Wieder ein Beweis, wie selbstsüchtig ich bin, hatte sie zu ihrem Erwählten gesagt, der darüber nur gelächelt hatte.

»Aber wer wird uns öffentlich verheiraten?«, fragte Rhapsody Gwydion, als sie durch den Garten von Tomingorllo schlenderten. »Du hast die Ämter des Fürbitters und Patriarchen inne. In der religiösen Rangfolge gibt es niemanden mehr über dir.«