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Ich weiß, dass du nur Kinder in ihnen siehst. Du musst lernen, tiefer zu blicken, damit du erkennst, was sie wirklich sind. Du musst hinter die Fassade schauen, wie niedlich sie auch sein mögen. Ansonsten wirst du irgendwann eine böse Überraschung erleben.«

Rhapsody seufzte. »Bitte sage mir, dass ich keinen Fehler mache, wenn ich sie dir anvertraue«, erwiderte sie. Ihre Stimme war ruhig, doch in ihren Augen leuchtete es eindringlich. »Wir müssen unseren Weg gehen und bei unserem Plan bleiben. Wenn es uns gelingt, sie zu dem Herrscherpaar Rowan zu bringen, und das Dämonenblut aus ihnen geschieden wird, haben wir damit nicht nur die Möglichkeit, den Dämon zu finden, sondern können auch die Kinder von dem Makel befreien, den sie in sich tragen. Sie werden vor der Verdammnis der Gruft gerettet sein. Sie werden nicht auf ewig dämonisch sein. Aber du musst ehrlich zu mir sein, Oelendra. Kannst du in dieser Sache einen kühlen Kopf bewahren? Wenn nicht, muss ich mir etwas anderes ausdenken. Ich werde es nicht zulassen, dass du durch deinen Hass auf den F’dor ihre Sicherheit aufs Spiel setzt.«

Verärgerung brannte in den Augen der lirinschen Meisterin. »Soll ich das wirklich so verstehen, dass du soeben meine Fähigkeit in Zweifel gezogen hast, einen kühlen Kopf zu bewahren?«

Rhapsody seufzte und verschränkte die Arme.

Oelendra versteifte sich und setzte nach: »Sag mir, was du damit meinst, Rhapsody.«

»Das habe ich schon getan«, meinte Rhapsody tonlos. »Du hasst den F’dor so sehr, dass du alle anderen Beweggründe beiseite schiebst. Du musst erkennen, dass es nicht nur deine Aufgabe ist, Achmed beim Aufspüren des Dämons zu helfen, sondern auch die Kinder zu beschützen. Sie sind vielleicht eine Dämonenbrut, aber sie wurden von unschuldigen Frauen geboren und haben unsterbliche Seelen. Daran musst du dich immer erinnern. Sie dürfen nicht zur Zielscheibe deines Hasses auf ihren Vater werden. Ansonsten sind wir nicht besser als der Dämon.« Ein belustigtes Flackern trat in ihre Augen. »Das ist meine Antwort auf deine Frage. Vielleicht verstehst du sie besser, wenn ich sie vertone und auf meiner Laute spiele. Warte. Wo ist denn die Laute?«

Oelendra blinzelte, zuckte zusammen und kicherte schuldbewusst, als sie sich daran erinnerte, wie sie das Instrument in ihrer Wut auf den Dämon zerschlagen hatte. Rhapsody lachte und umarmte ihre Lehrerin.

Dabei fragte sie: »Vergibst du mir?«

»Dafür, dass du die Wahrheit gesagt hast?«, erwiderte Oelendra. »Dafür sollte sich niemand entschuldigen, vor allem kein Benenner. Ich schwöre dir, Iliachenva’ar, dass ich die Kinder unter Einsatz meines Lebens schützen werde.«

»Das weiß ich«, flüsterte Rhapsody ihr ins Ohr. Sie drückte Oelendras breite Schultern ein letztes Mal und wandte sich dann wieder Achmed zu, während Oelendra sich um ihre Pferde kümmerte.

»Hat Vincane gegessen?«

»Wen?«

»Das ist nicht witzig. Oelendra muss unverzüglich aufbrechen, und wir sollten uns ebenfalls auf den Weg machen.«

»Er war nicht sonderlich hilfsbereit, aber er hat etwas Suppe durch verschiedene Löcher in seinem Kopf aufgenommen. Ich war versucht, ihm noch ein paar weitere zu schlagen.«

»Es wird ihm vermutlich nichts ausmachen, wenn er hungert, bis Oelendra das nächste Lager aufschlägt.«

Während Achmed den Lehrling an dem Sattel eines der Rotschimmel festband, kam Oelendra zu Rhapsody zurück und überreichte ihr einen kleinen Käfig aus Schilfrohr. In ihm flatterte ein schwarzer Wintervogel; dann beruhigte er sich und starrte sie neugierig an.

»Das ist ein weiterer geflügelter Bote für dich. Ich werde dir zu jedem Treffpunkt einen mitbringen, damit du mir immer sagen kannst, wo du bist.«

»Vielen Dank«, sagte Rhapsody und umarmte Oelendra noch einmal. »Du musst wissen, dass ich deine Hilfe über alles schätze und es bedauere, dich damit in Gefahr zu bringen. Aber du bist die Einzige, die diese Sache erfolgreich zu Ende bringen kann.«

»Das Vertrauen der Iliachenva’ar ehrt mich«, entgegnete Oelendra und lächelte, als Achmed Arie auf ihr eigenes Pferd setzte, damit er in gehöriger Entfernung von Vincane mit ihr reiten konnte. »Pass auf dich auf, Rhapsody. Und mach dir keine Sorgen mehr um diese Kinder. Sie stehen jetzt unter Bewachung.«

»Unter der besten Bewachung, die sie bekommen können. Ich wünsche dir eine sichere Reise. Ich werde es dir mitteilen, wenn wir die nächsten beiden haben.«

Oelendra nickte und sah dann wieder in Achmeds Gesicht. Einen Moment lang starrten sie sich gegenseitig an; dann nickte Oelendra erneut, stieg auf und ritt davon. Die Zügel von Vincanes Pferd hielt sie fest in der Hand.

»Übrigens«, rief sie Achmed über die Schulter hinweg zu, »sobald das hier vorbei ist, erwarte ich von dir, dass du sie als Entschädigung zu mir schickst, damit sie uns dabei hilft, die abgespaltenen Teile des lirinschen Königreiches wieder zusammenzufügen. Wir werden jede lirinsche Seele dazu brauchen.«

Achmed verbarg ein Lächeln, als Rhapsody ihr nachwinkte. Die lirinsche Meisterin ahnte nicht, dass er ihr in einem anderen Leben bereits eine Entschädigung geleistet hatte, indem er in der alten Welt die vielen Aufträge, sie zu ermorden, nicht angenommen hatte.

12

Die alten cymrischen Schmieden, Ylorc

Grunthor bog mit seinen zwei Gehilfen um eine Kurve des dunklen Korridors und flötete fröhlich. An diesem Morgen war er in ausgezeichneter Stimmung. Alle Wachen waren gut gelaufen, die Rekruten waren gefügig, und die Verstärkungen im Versteckten Reich sowie im großen Wachtturm des Griwen verhielten sich wie erwartet. Er war auf dem Weg zu den letzten Stationen seiner morgendlichen Inspektionsrunde, zu den beiden gewaltigen Schmieden, in denen die Waffen für den Export und die Bewaffnung des Firbolg-Heeres hergestellt wurden.

Er traf bei der ersten ein; es war eine gewerbsmäßige Schmiede, deren Produkte auf weniger raffinierte Waffen beschränkt waren, die nach Achmeds und Grunthors Meinung durchaus in die Hände der Handelspartner aus Roland gelangen durften.

Wenn sie auch nur den Hauch einer Bedrohung darstellen würden, hätte ich ihnen niemals den Zugang zu diesen einfachen Waffen verschafft, hatte Achmed ihm und Rhapsody bei einer Flasche Wein erzählt, die Stephen ihnen im letzten Frühling für einen Handelsabschluss zum Geschenk gemacht hatte. Aber soweit ich sehe, stellt Roland kein Problem dar, solange es sich nicht wiedervereinigt, und selbst dann würden sie am Berg scheitern, bevor wir ihnen eine Lektion erteilen müssten. Sie könnten kühn werden, wenn diese kleineren Waffen in den Handel gelangen, aber sie werden eine falsche Vorstellung davon bekommen, zu was wir fähig sind. Der König hatte sein Weinglas geschwenkt und es dann geleert. Nein, ich mache mir keine Sorgen wegen Roland, hatte er gesagt und durch das Glas ins Feuer geblickt. Aber Sorbold wird mich immer beunruhigen.

Die besseren Waffen, die in der zweiten Schmiede hergestellt wurden, hatte Achmed selbst entworfen: ein schweres, aber gut ausbalanciertes Wurfmesser mit drei Klingen, kurze, gedrungene Armbrüste mit einem besonderen Rückstoßverhalten zum Gebrauch in den Tunneln Ylorcs, gespaltene Pfeilspitzen und schwere Pfeile für Blasgewehre, die auf ein besonders tiefes Eindringen berechnet waren, mitternachtsblaue Stahlmesser, die eigentlich rasiermesserscharfe Haken waren, welche die behelfsmäßigen Nahkampfwaffen vieler Bolg ersetzten, und natürlich die Scheiben seiner eigenen Cwellan, jener seltsamen, asymmetrischen Waffe, die er noch auf der Insel Serendair erfunden und erfolgreich in seinem mörderischen Geschäft eingesetzt hatte.