»Aber du un’ ich, mein Liebchen, wir spielen vor Königen un’ Königinnen, vor Herren un’ Herrinnen, Liebchen! Wir gehen in die großen Städte un’ Paläste, die diese Elenden nie sehen werd’n. Kann dir also egal sein, wennse über dich lachen, mein Liebchen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten, un’ das sin’ wir.«
Das Monstrositätenkabinett blieb drei weitere Nächte in Bethania, eine Nacht länger als geplant. Jeden Abend stellten sich die Leute in langen Schlangen an, um den schrecklichen Fischjungen zu sehen. Die Nachricht von ihm hatte sich bis in die innere Stadt verbreitet, und die Neugier war so groß, dass sogar der Zirkusdirektor, der sich sonst eng an seinen Zeitplan hielt, der Versuchung nicht widerstehen konnte.
Aber nachdem er drei Nächte hintereinander den Zirkus von Sonnenuntergang bis in die frühen Morgenstunden geöffnet hatte, entschied er, dass es auch so etwas wie zu viel Glück gab. Er befahl seiner erschöpften Menagerie zu packen und die Pferde anzuspannen.
Ein ganzes Reich erwartete sie, ein raues Land, in dem Handel und Wirtschaft aller Art, ehrenhaft und weniger ehrenhaft, blühten.
Sorbold.
11
Rhapsody war während des gesamten Mahls zu Gwydions Ehren blass und schweigsam. Nachdem das Essen abgetragen war, hoffte Ashe, sie werde einiges von ihrer Lebenskraft wiedererlangen und ihr Magen werde sich beruhigen, aber sie blieb auch noch angespannt und still, als die Reden begannen.
Ashe hatte sich unablässig Sorgen gemacht, seit er in die Große Halle zurückgegangen war und dort seine Frau im Gespräch mit Jal’asee angetroffen hatte. Rhapsodys Empfänglichkeit für die Musik des Lebens führte meistens dazu, dass die Schwingungen in ihrer Umgebung zu ihrer Stimmung passten. Seit ihrer Rückkehr zu Heim und Familie war sie mit sich im Einklang gewesen. Doch der Drachensinn in Ashes Blut verriet ihm nun, dass sie hinter ihrem ruhigen »Hofgesicht« entsetzlich nervös war. Was immer der Botschafter der Meeresmagier ihr gesagt hatte, hatte sie unbeschreiblich aufgeregt, doch sie hatte ihm nicht verraten, worum es sich handelte.
Als nun die einzelnen Herzöge Rolands nacheinander aufstanden und seinem jungen Mündel Worte der Weisheit und Wertschätzung übermittelten, ergriff Ashe schweigend Rhapsodys Hand. Sie war heiß, entweder durch die Schwangerschaft oder das Element des reinen Feuers, das sie vor langer Zeit auf ihrer Reise durch den Bauch der Erde mit Achmed und Grunthor in sich aufgenommen hatte. Außerdem war sie nass. Es war Angstschweiß. Er beugte sich wie beiläufig zu ihr hinüber und flüsterte ihr ins Ohr: »Möchtest du, dass ich dich ganz höflich entschuldige?« Rhapsody schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ist mit dir alles in Ordnung, meine Liebe? Du machst mir Angst.«
»Ich muss Zeit und Kraft finden, um noch einmal mit dem Botschafter der Meeresmagier zu sprechen«, flüsterte Rhapsody. Ashe hörte ihre Stimme nur in seinem Ohr; es war ein Kunstgriff der Benennerin.
»Morgen«, antwortete er ruhig. »Ich glaube, du solltest deine Ansprache halten und dich dann zur Ruhe begeben. Ich frage Jal’asee, ob er morgen früh nach deinem Gebet in den Garten kommt. Reicht das?«
Rhapsody seufzte und nickte zögernd. Als die Herzöge von Roland schließlich mit ihren Glückwünschen an Gwydion fertig waren und Rial von Tyrian sowie die übrigen Botschafter der befreundeten Staaten auf sein Wohl getrunken hatten, erhob sie sich ein wenig schwankend und wandte sich an ihren Adoptivenkel.
»Gwydion Navarne, du bist der Sohn eines großen Mannes und der Namensvetter eines anderen Großen. Du hast dein ganzes bisheriges Leben diese beiden Namen getragen und die Ehre, die mit ihnen verbunden ist. Am letzten Tag des Herbstes wirst du endlich zu deinem eigenen Namen kommen. Ich habe keinen Zweifel, dass die Sänger und Benenner in ihren zukünftigen Geschichten von großen Taten, von Ehrenhaftigkeit, Hochachtung, Tapferkeit, Treue, Führerstärke und Freundlichkeit gegenüber deinen Gefährten berichten werden. Du hast all diese Charakterzüge schon gezeigt, noch bevor du in dein Geburtsrecht eingesetzt wurdest. Trage sie weiter durch dein Leben, als Mann und als Herzog von Navarne.« Sie erblasste und griff nach der Hand ihres Gemahls. »Es tut mir Leid; ich muss mich jetzt hinlegen.« Ashe wollte aufstehen, aber sie bedeutete ihm, sitzen zu bleiben. »Nein, nein, bitte bleibt alle und feiert weiter. Ich will, dass mein Enkel anständig gefeiert wird, auch wenn ich heute Abend keine Stimme habe, um ein altes Lied zu singen. Ich entschuldige mich bei dir dafür, Gwydion, und wünsche dir alles Gute.« Schwach hob sie ihr Glas in Gwydion Navarnes Richtung, prostete ihm zu, lächelte ihn an und warf ihm einen Kuss zu. Dann raffte sie ihre schweren Samtröcke.
Ashe stand auf und ergriff ihren Arm. »Ich bin gleich wieder da«, sagte er zu den Gästen, »sobald die Herrin ruht. Bitte bleibt alle hier.« Die Herzöge und Botschafter erhoben sich, als das Paar den Raum verließ, und kehrten dann zu ihren Unterhaltungen zurück.
»Hast du Schmerzen?«, fragte Ashe, als sie durch die prächtigen Korridore von Haguefort auf die große Treppe zugingen, vorbei an liebevoll aufgestellten Rüstungen, Wappen, Gobelins und anderen Antiquitäten, die Stephen Navarne, der cymrische Geschichtsforscher, gesammelt hatte. »Mehr als üblich? Geht es dem Kind nicht gut?«
Rhapsody verlangsamte ihre Schritte, als sie am Fuß der Treppe ankamen, und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie, während ihr Gesicht noch blasser wurde. »Ich glaube, ich bin durch die Ereignisse etwas durcheinander gebracht.«
»Du kannst mir davon erzählen, sobald ich dich ins Bett gebracht habe«, sagte Ashe und legte den Arm über ihren Rücken, als sie den Fuß auf die unterste Treppenstufe setzte. Dann überlegte er es sich anders, hob sie in seine Arme und trug sie die Treppe hinauf. Ihre mangelnde Gegenwehr beunruhigte ihn, denn Rhapsody hasste es, getragen zu werden.
Ein Palastwächter öffnete die Tür zu ihrem Turmzimmer, als Ashe sich ihm näherte, und schloss sie hinter dem Paar wieder, worauf er sich leise aus dem Korridor zurückzog.
Ashe trug Rhapsody zu ihrem gemeinsamen Bett, legte sie nieder und zog beim Kerzenlicht die Bettvorhänge zu. Dann setzte er sich neben sie und schaute ihr tief in die Augen, während er versuchte, ihren Zustand zu erfühlen. Er erlaubte seinem Drachensinn, seinem Erbe, das er seiner Urgroßmutter Elynsynos zu verdanken hatte, über seine Frau zu schweifen und sie auf eine Art und Weise zu untersuchen, die dem bloßen Auge unmöglich war. Ihr Atem ging flach. Es war ein Zeichen von Unbehagen, das sie während ihrer Schwangerschaft oft zeigte. Manwyn, die Seherin der Zukunft, das Orakel von Yarim, hatte ihr Schmerzen vorhergesagt, aber gleichzeitig eine beruhigende Aussage gemacht.
Die Schwangerschaft wird nicht leicht, aber sie wird Rhapsody weder umbringen noch sie verletzen. Als Ashe seine Frau nun betrachtete, wie sie nach Luft rang und die Zähne zusammenbiss, um ihre Schmerzen unter Kontrolle zu halten, fragte er sich wütend, was das Orakel wohl mit »verletzen« meinte.
Rhapsodys Augen, die sich zu einem Smaragdgrün verdunkelten, wenn sie wütend, belustigt oder tief berührt war, hatten nun die Farbe von Frühlingsgras. Ashe bemerkte, dass sich ihr Blut veränderte, während das Kind in ihr wuchs. Der Drachenanteil seines Nachkommens war stark und deutlich daran erkennbar, dass er die Umgebung, in der er heranwuchs, bereits zu beherrschen versuchte.