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Dranth nickte. Die Erleichterung in seinen Augen erreichte nicht sein restliches Gesicht.

»Wenn wir unsere Kräfte bündeln, könnt Ihr Eure Rache haben, und meine Pläne wird es auf angenehme Weise vorantreiben.« Er drückte seinen Stuhl zurück, stand auf und ging langsam zu den hohen Fenstern, welche den zentralen Platz der Stadt überblickten, auf dem die Waage stand. Ihr gewaltiger Arm warf einen dunklen, rechteckigen Schatten auf die Straßen. »Ich nehme an, es ist Euch klar, dass dieses Gespräch unter dem heiligen Eid der Gildenmeister steht?«

»Natürlich.«

»Und dass wir als Brüder der Gilden dazu verpflichtet sind, ehrlich miteinander umzugehen?«

Dranth zog die Brauen zusammen. »Die Rabengilde folgt derselben Standesehre wie alle anderen Gilden, Herr. Trotz unseres besonderen Geschäftsbereiches.«

»Versteht mich nicht falsch, Kronprinz«, wandte Talquist ein und öffnete die Hände zu einer milden Geste. »Ich achte den Ruf Eurer Gilde und Eure Sachkenntnis. Zu meiner Zeit als Gildenhierarch im westlichen Sorbold habe ich mit vielen Eurer Brudergilden zu tun gehabt. Ich muss aber unbedingt die Wahrheit wissen. Hat die Gildenmeisterin wirklich einen Plan der Bolg aufgedeckt, in Sorbold einzumarschieren, oder ...«

»Nein.«

»Gut. Ich bitte Euch, mir beim Abendessen Gesellschaft zu leisten. Dabei können wir besprechen, wie wir unser jeweiliges Ziel am besten erreichen.« Dranth nickte, und Talquist läutete nach dem Kammerherrn.

Als die Liköre serviert und die letzten Teller abgedeckt wurden, beugte sich Talquist über den Tisch.

»Jetzt, da ich die Fähigkeiten Eurer Organisation verstehe, glaube ich einen Weg zu sehen, wie ich Eure Bitte erfüllen kann.«

Dranth schlang die Finger ineinander. »Ich höre.«

»Alle Erkenntnisse, die Ihr mir mitgeteilt habt, entsprechen der Wahrheit, außer Eurer früheren Behauptung, die Bolg wollten Sorbold angreifen, nicht wahr?«

»Ja«, antwortete der Kronprinz der Rabengilde mit düsterer werdendem Blick. »Warum?«

Talquist ließ den Likör in seinem Glas sanft kreisen und atmete das Bukett ein.

»Was wisst Ihr über das Königreich Golgarn?«

Dranth zuckte die Schultern. Golgarn war ein fernes Reich, südöstlich von Ylorc und Sorbold gelegen. Die gefährlichen Pässe in den Zahnfelsen verhinderten den Handel über Land sowie Reisen von Roland und Ylorc nach Golgarn, sodass Informationen nur durch Botenvögel und Waren über das Meer ausgetauscht werden konnten. »Dort gibt es eine Brudergilde. Esten stand in losem Kontakt mit ihr, zu dem es für gewöhnlich kam, wenn ein Schuldner von hier nach dort oder umkehrt fliehen wollte, um seinen Verpflichtungen zu entgehen. Sie hat die Brudergilde als sehr hilfsbereit empfunden und sich dafür immer rasch erkenntlich gezeigt. Golgarn steht in freundschaftlichem Kontakt mit Sorbold, nicht wahr?«

»Ja«, stimmte Talquist ihm zu. »Aber der Kontakt ist nicht freundschaftlich genug.« Er nahm einen Schluck der goldenen Flüssigkeit, als Dranth fragend eine Braue hob. »Ihr werdet nach Golgarn gehen und ihre Nachrichtenkanäle unterwandern, die beim König enden. Ihr erzählt ihnen dasselbe Märchen, das Ihr mir erzählt habe, nämlich dass Ihr unanfechtbare Beweise für den Plan des Bolg-Königs habt, sein Heer aufzurüsten und Golgarn zu überfallen.«

»Sie werden mir nicht mehr glauben als Ihr«, sagte Dranth düster. »Die Berge schützen sie. Die Bolg-Tunnel enden fünfhundert Meilen vor ihrem Reich.«

Talquist grinste. »Ja, Ihr habt Recht. Wenn jemand zu Beliac, ihrem König, ginge und ihm eine solch abenteuerliche Geschichte erzählte, würde er sie sofort durchschauen. Aus diesem Grund müsst Ihr ihn dazu bringen, diese Information selbst herauszufinden.« Er leerte sein Glas und griff nach der Karaffe, um es erneut zu füllen. »Wenn echte, leicht abgeänderte Dokumente beweisen, dass die Bolg-Tunnel nicht fünfhundert, sondern fünf Meilen vor Golgarn enden, und diese bei dem Einbruch in ein Haus von zweifelhaftem Ruf – wie etwa dem Eurer Bruder-Gilde – gefunden würden, wäre Beliac genügend besorgt, um eine Untersuchung einzuleiten.«

Auch Dranth goss sich ein weiteres Glas ein. »Und was würde er finden, wenn er fünf Meilen weit in die Berge eindränge?«

»Ein Feldlager der Bolg, die sich auf den Krieg vorbereiten«, antwortete Talquist.

Dranth hatte das Glas an die Lippen gehoben und hielt in seiner Bewegung inne. »Aber da gibt es keine Bolg.«

»Es könnte welche geben. Zumindest genug, um Beliac davon zu überzeugen, dass er an seiner Grenze ein ernstes Problem hat.«

»Eine Scharade? Ein vorgespieltes Feldlager?«

»Genau.«

»Wie? Wie wollt Ihr genug Bolg überreden, einschüchtern oder gefangen nehmen, um eine solche Maskerade durchführen zu können? Sie sind ihrem König und Oberbefehlshaber gegenüber einzigartig loyal, von ihrer Schlichtheit und mangelnden Vertrauenswürdigkeit gar nicht erst zu reden. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, dass sie unter Folter oder in Todesschmerzen eine solche Scharade aufführen würden.«

Talquist nahm einen Schluck und öffnete die Lippen gerade weit genug, über die brennende Flüssigkeit hinweg einzuatmen und den Mund mit den alkoholischen Dünsten zu füllen. Dann schluckte er.

»Dranth«, sagte er und beugte sich nach vorn, »niemand hat in Golgarn je einen Bolg gesehen. Zumindest nicht seit dem cymrischen Krieg vor tausend Jahren. Ich könnte einen Ochsen oder einen Gorilla in ein rosafarbenes Unterhemd stecken und ihn mit einer schrecklichen Maske und einem Speer in die Berge stellen, und Golgarn würde glauben, dass man es angreift.«

Der Gildenführer starrte den Herrscher eine Weile an. Die Andeutung eines Lächelns legte sich über sein ansonsten regloses Gesicht. Er prostete Talquist zu und trank.

»Also habt Ihr vor, Golgarn zu vernichten?«, fragte er. »Ihr wollt sie anstiften, die Bolg anzugreifen?«

»Golgarn vernichten? Macht Euch nicht lächerlich, Dranth. Golgarn ist ein wichtiger Verbündeter, und Beliac ist mein Freund.«

Der Gildenführer schüttelte verwirrt den Kopf. »Dann verstehe ich Eure Beweggründe nicht. Wenn Ihr den König von Golgarn davon überzeugt, dass sich die Bolg gegen ihn sammeln, und er sie daraufhin angreift, werden die Bolg ihn und sein ganzes Königreich buchstäblich auffressen.«

»Beliac wird die Bolg nicht angreifen«, sagte Talquist. »Zumindest nicht allein. Er wird sich an mich wenden. Das sorboldische Heer ist zehnmal stärker als Golgarns, das zwar zahlenmäßig auch recht beachtlich, aber schlecht darauf vorbereitet ist, einseitig loszuschlagen. Beliac ist ein Verbündeter, der nicht einmal weiß, dass er mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Aber bald wird er es wissen.«

»Eure Bereitschaft, Eure Freunde so gnadenlos zu manipulieren, ist bewundernswert«, sagte Dranth, trank aus und stellte das Glas auf den Tisch. Es fing das Kaminlicht ein und warf es in einem goldenen Fleck auf den Tisch. »Nicht viele Männer haben diesen Mut.«

Talquist zuckte die Schultern. »Ich bin Kaufmann, Dranth. Kennt Ihr das Sprichwort, dass wir unsere eigene Mutter verkaufen würden, wenn es Gewinn verspricht? Nun, das habe ich wirklich getan. Habe einen anständigen Preis für sie bekommen.«

»Was habt Ihr davon, wenn der König von Golgarn mit Euch einen Pakt gegen eine angebliche bolgische Invasion eingeht?«

»Ein Heer, das meinen Plänen entspricht.«

»Und was sind das für Pläne?«

Der Herrscher von Sorbold lächelte. »Das sollt Ihr selbst herausfinden«, sagte er freundlich und stand auf, wie um anzudeuten, dass Mahl und Gespräch vorbei waren. »Seid versichert, dass Euer Verlangen, den Bolg-König zur Rechenschaft zu ziehen, mehr als befriedigt werden wird. Von Gildenbruder zu Gildenbruder möchte ich Euch noch ein kleines Geheimnis verraten. Ich brauche überdies einen nördlichen Verbündeten. Der Priester des Hintervold ist ebenfalls mein Freund, und zwar ein sehr enger. Ich verdanke ihm fast meinen gesamten Wohlstand, den ich in meiner Laufbahn als Kaufmann angehäuft habe. Er hat mir sogar einmal das Leben gerettet. Und wenn Ihr sehen werdet, welche grausamen Methoden ich einsetzen werde, um mir seine Ergebenheit zu sichern, werdet Ihr erst begreifen, wie sehr es mir zusteht, ein Bruder Eurer Gilde genannt zu werden.«