Der Zirkusdirektor schüttelte den Kopf. »Meine Entscheidung ist unumstößlich«, sagte er und kniff die Lippen zusammen. »Er steht nicht zum Verkauf, mein Herr.«
Talquists Hände wurden schweißnass. »Dann das Zwanzigfache.«
Der Zirkusdirektor wandte ihm den Rücken zu und ging wieder auf die Zeltklappe zu. »Dieses Ding verschlingt auf einen Schlag eine ganze Gallone Aale. Es hat mir gerade mal ein Dutzend meiner Zuchtgoldfische übrig gelassen – dank Entenfuß-Emmi, die sogar die Peitsche dafür riskiert. Es ist schwer zu hegen und durch und durch kränklich. Wozu wollt Ihr es haben? Nein, Herr, ich werde es Euch nicht verkaufen, und als Euer Freund kann ich mir nicht vorstellen, warum Ihr es haben wollt. Kommt, ich zeige Euch ein paar neue Missgeburten, die fast genauso beeindruckend sind.« Er schaute nervös über die Schulter. Der Herrscher starrte noch immer verzaubert den Fischjungen an. In seiner Verzweiflung kam Gart ein anderer Gedanke. »Ich habe einen neuen Lustwagen. Ich könnte ein paar Aufsehern befehlen, Wache zu stehen, falls Ihr ein wenig private Unterhaltung haben wollt, so wie früher ...«
Talquist drehte sich um und schoss einen Blick auf ihn ab, der wie ein Pfeil in seiner Stirn stecken blieb. »Mein letztes Angebot: das Zwanzigfache dessen, was du für ihn bezahlt hast, und freies Geleit aus meinem Land für dich.« Die Drohung in seiner Stimme war unüberhörbar.
Der Zirkusdirektor holte tief Luft und stieß den Atem langsam wieder aus. Innerlich kochte er. »Also gut. Ich habe zweihundert Goldkronen für ihn bezahlt – plus zwei«, fügte er rasch hinzu. Der Gedanke an die überheblichen Fischer schmerzte ihn immer noch.
»Du bist ein Lügner«, sagte Talquist verächtlich, »aber es ist mir gleich. Ich schicke meine Soldaten in zwei Stunden her, damit sie ihn abholen. Sie werden dir das Geld bringen, aber ich werde dich in sorboldischen Goldsonnen bezahlen. Unsere Münzen sind das Doppelte der orlandischen Kronen wert.«
»Ich vermute, Ihr wollt auch seine Nahrung haben«, meinte der Zirkusdirektor wütend. »Es ist unwahrscheinlich, dass Ihr mitten in der Wüste genügende Mengen an Fisch habt. Das wird teuer für Euch.«
»Behalte deine Nahrung, ich brauche sie nicht«, erwiderte der zukünftige Kaiser, ohne den Tank aus den Augen zu lassen. »Geh jetzt. Ich möchte mir meinen Neuerwerb ohne dich anschauen. Es ist offensichtlich, dass er dich nicht besonders mag.«
Er starrte weiterhin in das grüne Wasser und beobachtete die bleiche, fischartige Kreatur. Ihr umwölkter Blick folgte dem Zirkusdirektor, der das Zelt verließ und in die Dunkelheit trat.
Die Jagd
17
Achmeds Misstrauen war ein fester Bestandteil der Kultur, die er in Ylorc eingeführt hatte, und manchmal führte es zu ungewöhnlichen Verhaltensweisen, die an den meisten Höfen des Kontinents undenkbar gewesen wären. Wenn er abreiste, war dies meist ein gut gehütetes Geheimnis. Wann immer der König den Berg verließ, geschah es nicht mit dem Pomp und Zeremoniell, das viele Monarchen bevorzugten, sondern im Schutz der Dunkelheit und mit so wenig Aufsehen wie möglich, damit die Zahl der Leute, die von seiner Abwesenheit wussten, klein gehalten wurde. Achmed wich von dieser Angewohnheit nur ab, wenn seine ihm bekannten oder unbekannten Feinde wissen sollten, dass er fort war.
Der Sergeant-Major nahm an dieser Scharade bereitwillig teil, da sie Achmeds Verfolgungswahn ein wenig linderte. Er machte sich nicht die Mühe, dem Bolg-König zu erklären, dass jedes schlagende Herz in seinem Reich genau merkte, wenn er wegging, denn alle spürten deutlich, wie dann die Spannung nachließ. Nur wenige Stunden nach Achmeds Abreise fühlte praktisch jeder seiner Untertanen in den Tunneln der Berge vor der Verfluchten Heide die Abwesenheit des Herrschers und konnte deshalb ein wenig freier atmen.
Achmed bemerkte allmählich den widersinnigen Umstand, dass das Einzige, was seine Untertanen mehr als seine Abwesenheit fürchteten, seine Anwesenheit war, und wurde daraufhin noch gereizter und besorgter. Insgeheim freute er sich aus anderen Gründen auf Rhapsody, als er Grunthor gegenüber genannt hatte. Ihre natürliche Musik und die Schwingungen, die sie ausstrahlte, beruhigten seine gespannten Nerven und bloßliegenden Adern und besänftigten die angeborene Erregung, in der sich sein seltsamer Körper andauernd befand. Er unternahm diese Reise sowohl, um Leute an ihre Versprechen zu erinnern, als auch zum Eigennutz und fieberte dem Aufbruch entgegen, auf dass er wenigstens ein bisschen körperlichen Frieden fände. Deswegen war er sehr aufgebracht, als er in seinem eigenen Thronsaal aufgehalten wurde. Er hielt eine Tasche in der einen Hand und den Zirkel in der anderen, als Kubila erschien, der Archont des Handels und der Diplomatie, und unruhig am Eingang zur Großen Halle auf die Erlaubnis zum Eintreten wartete.
»Was ist los?«, fragte der König gereizt und bedeutete dem jungen Mann, näher zu kommen.
Der Archont räusperte sich. »Hier ist ein Botschafter, der Euch sprechen möchte, Herr.«
»Ein Botschafter?«, meinte Achmed ungläubig. »Es ist mitten in der Nacht.«
»Ja, Herr«, erwiderte Kubila nervös. Wie die anderen Archonten, so hatte auch er keine besondere Angst vor dem König; dazu behandelte Achmed ihn mit zu großem Respekt. Doch er war sich durchaus der Gefährlichkeit der Lage bewusst, was ihm eine Gänsehaut verschaffte.
»Narr«, murmelte Achmed und ergriff die Tasche mit der anderen Hand. »Schick ihn fort.«
Der Bolg-Diplomat räusperte sich noch einmal. »Herr, dieser Mann kommt von sehr weit her. Es könnte klug sein, seiner Bitte zu entsprechen. Er behauptet, er werde nur einen Augenblick Eurer Zeit in Anspruch nehmen.«
»Selbst wenn er von der untergegangenen Insel Serendair käme, wäre es mir egal«, gab Achmed zurück. Er deutete mit dem Kopf auf die Tür hinter dem Thron. Grunthor nickte und ging darauf zu.
»Herr, dieser Botschafter kommt von den Nain«, sagte Kublia rasch.
Seine Worte verloren sich in dem großen Raum. Achmed erstarrte, drehte sich dann langsam um und sah den zitternden Archonten an. Er holte tief Luft und stieß sie vernehmlich wieder aus. Dann übergab er Grunthor die Tasche.
»Ich treffe dich draußen«, sagte er und händigte ihm auch den Zirkel aus. Der Sergeant nickte.
Achmed wartete, bis der Riese den Raum verlassen hatte, und wandte sich dann wieder Kubila zu.
»Schick ihn herein«, sagte er knapp.
Kubila nickte und kehrte zum Haupteingang zurück. Er zog einen der beiden gewaltigen Türflügel auf, die zu Gwylliams Zeiten geschnitzt und mit reinem Gold belegt worden waren, und trat zur Seite.
Einen Augenblick später schritt ein Mann in den Raum. Hals und Schultern waren breit, die Brust war wie ein Weinfass geformt, und die Beine waren stramm und stark. Er war einen halben Kopf kleiner als Achmed, doch seine Haltung war so gerade und stolz, dass es wirkte, als sei er genauso groß wie der König. Sein Bart, der ihm bis auf die Brust hing, war am Kinn braun, in der Mitte silbern und an den gekräuselten Spitzen weiß. Die Haut war lohfarben und hatte einen blässlichen Unterton; es war das Anzeichen für ein Leben unter den Bergen, fernab der Sonne, aber nahe der gewaltigen Hitze von Schmiedefeuern. Als er den Raum betrat, fiel das Licht der Wandfackeln auf sein Gesicht, und das Blaugelb in den Augen des Mannes glimmerte in der schwach erleuchteten Halle wie bei einem wilden Tier.
»Freut mich, Euch zu sehen, Herr«, grüßte der Mann Achmed stramm. »Ich bin Garson ben Sardonyx, Abgesandter Seiner Majestät Faedryth, des Herrn der Fernen Berge.«
»Ich weiß, wer du bist«, sagte Achmed abfällig. »Ich habe deine Gegenwart und die deiner Genossen während meiner Amtseinsetzung und vor vier Jahren auf dem cymrischen Konzil ertragen müssen. Eure Gesandtschaft hat zehnmal mehr als alle anderen zusammen gegessen und getrunken und einen Abfall hinterlassen, der erst vor kurzem vollständig entfernt werden konnte. Was willst du?«