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»Aber was sind das für Geschäfte?«, fragte er, schaute weit auf das Meer hinaus, an der inneren Schleuse vorbei auf den äußeren Hafen, und holte tief und vernehmlich Luft. »Guter All-Gott«, murmelte er.

Gwydion Navarne drehte sich im Sattel um. Nach so vielen Tagen des Reitens durch die Ödnis der südlichen Steppe hatte er den Geschmack der fernen Meeresbrise und die Geschäftigkeit des Hafens unter ihm genossen und entsetzte sich nun über den Gesichtsausdruck des cymrischen Helden, der so hart war wie nie zuvor.

»Was ist los, Marschall?«, fragte er und spürte Kälte von der See hereinströmen.

Anborn lenkte sein Pferd nach rechts, um besser sehen zu können. Er starrte lange hinunter auf den Hafen, der vor Geschäftigkeit brummte, und warf dann einen Blick zurück auf die Berge, aus denen sie gekommen waren.

»Zu Zeiten des cymrischen Krieges war das hier ein wichtiger militärischer Stützpunkt und der zentrale Hafen meiner Marineoffensive«, sagte er schließlich. »Unsere Flotte war damals verantwortlich für die Zerstörung eines großen Teils des westlichen Tyrian und die Verwüstung der Küstengebiete von Avonderre bis hoch zum Gwynwald. Ich habe das Heer meines Vaters gegen die Streitkräfte meiner Mutter mit großem Erfolg geführt, weil wir zahlenmäßig überlegen und bestens ausgerüstet waren. Aber bis Llauron Anwyn verließ und aufs Meer flüchtete, war er zu Wasser ein beachtlicher Feind, der unüberwindlich gewesen wäre und meine ganze Flotte zerstört hätte, wenn wir nicht Ghant kontrolliert und unsere gesamte Armada hier stationiert hätten.« Der Marschall schirmte die Augen vor der Sonne ab, die nun aus dem Himmel stach.

»Aber selbst damals waren weniger Schiffe hier als heute.«

Gwydion schluckte, sagte aber nichts darauf. Der Geschmack der Wüstenluft in seinem Mund war plötzlich noch trockener geworden, sie steckte erstickend in seinem Hals und brannte wie feuriger Sand.

Anborn reckte sich im Sattel und versuchte hinter sich zu blicken.

»Wenn ich mich recht erinnere, war irgendwo da oben ein Unterschlupf«, sagte er und schaute über die Schulter zu einer Karawane aus Pferdewagen, die von Soldaten in den deutlich erkennbaren Lederrüstungen der Bergtruppen begleitet wurden. Es handelte sich um Einheiten des sorboldischen Heeres, welche die Gebirgspässe vor der einige hundert Meilen entfernten Hauptstadt Jierna’sid schützten. Die Karawane kam über die alte Straße auf sie zu. »Ich glaube, wir sollten Schutz suchen, damit wir nicht entdeckt werden. Ich kann mir vorstellen, dass wir hier nicht willkommen sind.«

Die beiden trieben ihre Pferde zu einem Galopp über die felsigen Vorsprünge an, ritten tief in das zerklüftete Gebiet hinein und verbargen sich hinter den Felsen. Als die Pferde außer Sicht waren, machte Anborn eine ungeduldige Geste und sagte zu Gwydion: »Hilf mir aus diesem verdammten Sattel.« Dabei löste er die Schlaufen.

Gwydion stieg rasch ab, eilte an die Seite des Generals und half ihm vom Pferd. Sobald er unten war, drückte Anborn ihn weg und senkte seinen Körper mithilfe von Armen und Brust auf den Boden; dann kroch er bis zum Rand des Vorsprungs. Er gab Gwydion ein Zeichen. Der junge Herzog kauerte sich hin und legte sich neben ihn auf die windumspielte Klippe.

Schweigend schauten sie hinunter und waren von dem Anblick so gefangen genommen, dass sie die Zeit vergaßen.

In einer guten Stunde sahen sie mehr als zwei Dutzend Schiffe auf den äußeren Hafen Kurs nehmen. Es waren Handelsschiffe auf dem Weg in den inneren Hafen, die sich an den Kriegsschiffen vorbeischlängeln mussten. Sie wurden angehalten, untersucht und mit militärischer Präzision weitergeschickt. Sobald sie im eigentlichen Hafen waren, wurden sie sofort entladen und alle Güter auf Wagen geschafft. In Port Fallon in Avonderre hingegen wurden die Güter nach Handelsgilden getrennt und dann von den Hafenarbeitern der einzelnen Kaufleute ausgeladen.

»Was schließt du daraus?«, fragte der Marschall leise in demselben Tonfall, mit dem er dem jungen Herzog wichtige Dinge zu erklären pflegte.

Gwydion schaute hinunter auf die Fässer und Kisten, die systematisch in eine Reihe wartender Wagen verladen wurden.

»Entweder gehen all diese Waren an denselben Ort, oder sie gehören derselben Person«, mutmaßte er.

Anborn nickte. »Zweifellos der Krone. In gewisser Hinsicht ist das nicht sehr erstaunlich. Talquist, der neue Herrscher, war vor seiner Besteigung des Sonnenthrones das Oberhaupt der Gilden, die diese westlichen Schifffahrtslinien kontrollieren. Aber es ist nicht der Bestimmungsort dieser Waren, der mir Sorgen macht.«

»Was dann?«

Anborn deutete auf die Straße hinter den Felsvorsprüngen.

»Es sind die Waren selbst. Sieh nur.«

Gwydion schaute an Anborns ausgestrecktem Finger entlang von der Steuerbordseite des nächsten Schiffes am Kai, aus dem gerade Fässer und Kisten in Wagen geladen wurden, zur Hafenseite desselben Schiffes. Er sah zwei Reihen von Leuten das Schiff verlassen, die so fern waren, dass sie beinahe ununterscheidbar von der Masse der übrigen Hafenarbeiter waren. Die erste Reihe schritt auf einer höher gelegenen Planke. Es waren nur wenige, und sie verließen langsam das Schiff und mischten sich unter die Menge auf dem Pier. Gwydion nahm an, dass es sich um Passagiere handelte.

Die zweite Reihe benutzte eine tiefer gelegene Planke und kam unmittelbar aus dem Rumpf des Schiffes. Zuerst glaubte er, es sei die Besatzung, doch als er genauer hinschaute, bemerkte er, dass die Leute zu einer Reihe von Wagen ähnlich den Güterwagen gebracht wurden und sofort in sie einstiegen. Gwydion zählte mehr als hundert aus einem einzigen Schiff, die sich die Augen beschirmten und in die grelle Morgensonne hinaustorkelten. Er schüttelte den Kopf, als wollte er ihn klar bekommen oder einer summenden Hornisse ausweichen, als die schreckliche Erkenntnis über ihn kam. Er konnte sie nicht verdrängen, und so fiel ihm das Wort aus dem Mund.

»Sklaven«, murmelte er. »Er handelt mit Sklaven.«

Anborn nickte. Er deutete langsam und nachdrücklich auf jedes einzelne der zwei Dutzend Schiffe, die während ihres Zuschauens angelegt hatten und allesamt menschliche Fracht an der Steuerbordseite ausluden. Die Gefangenen wurden in Wagen gebracht, die auf der transsorboldischen Straße in verschiedene Richtungen davonfuhren.

»Sklaverei ist nichts Neues in Sorbold«, sagte er mit leiser Stimme. »Leitha war ein Dreivierteljahrhundert lang Kaiserin. Für eine Nicht-Cymrerin war sie von erstaunlicher Langlebigkeit. Zu ihren Zeiten wurde die Sklaverei stillschweigend geduldet. Es traf hauptsächlich Verbrecher, Schuldner und Kriegsgefangene, die in die Gladiatorarenen geschickt wurden. Der Sklavenstand war erblich. Eine Sklavenfamilie blieb gefangen, bis ihr ein männliches Mitglied die Freiheit erkaufen konnte, meist durch Tapferkeit als Gladiator. All das wurde als schäbiges und schlecht verhohlenes Geheimnis angesehen. Es gab nicht in jedem Stadtstaat eine Arena; insgesamt waren es weniger als zwei Dutzend.« Er warf einen raschen Blick über die Schulter zu den Pferden und schaute dann wieder hinunter zur Hafenstadt.

»In der letzten Stunde haben wir genügend menschliche Ware gesehen, um alle Arenen zu versorgen. Vor dem inneren Hafen liegen aber immer noch hunderte Schiffe und warten auf ihre Passage. Und das an einem einzigen Tag.«

»Könnte der Gladiatorenkampf seit der Thronbesteigung Talquists so sehr zugenommen haben?«, fragte Gwydion angeekelt.

Anborn kniff die Augen zusammen und betrachtete weiterhin das Geschehen unter ihm.

»Möglicherweise. Es heißt, Talquist habe eine Schwäche für diesen blutigen Sport. Ich wage aber zu behaupten, dass nur ein sehr kleiner Teil dieser Ladung für die Arena bestimmt ist. Vermutlich befinden sich die Sklaven auf dem Weg in die Salzminen von Nicosi oder in die Olivenhaine von Remaldfaer. Die wichtigere Frage lautet aber nicht, wohin diese armen Leute unterwegs sind, sondern woher sie kommen. Wenn nur die Hälfte der Schiffe die gleiche Anzahl an Gefangenen beherbergt, die wir schon gesehen haben, könnte man eine ganze Stadt mit ihnen bevölkern.«