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Sie keuchte entsetzt auf, schluckte und erbrach gleichzeitig und wurde unter dem Schlamm des Abfalls begraben, den die Nahrungsvorlieben der Bolg nur noch schrecklicher machten. Sie versuchte Luft zu holen, doch ihre Nase war mit Fäkalien gefüllt. Sie trat mit den Krallenfüßen aus und versuchte vergeblich Halt in der Tunnelwand zu finden. Schließlich fiel sie auf den Kopf, während sich um sie ein großer Berg aus Unrat bildete und den Tunnel völlig verstopfte.

Einen Augenblick lang.

Dann hatte sich der Druck aus dem Abwassersystem genügend aufgebaut, um die Drachin mitsamt dem Abfall aus dem Tunnel in die Schlucht zu spülen.

Worauf die Bergwachen unter der Anleitung des Schmiedes Yen, des Minenmeisters Greel und des gelähmten Buchhalters Vrith einen Hagel aus Felsbrocken mit untergemischten Glasscherben auf sie niedergehen ließen. Verletzt und mit einem starken Gefühl der Übelkeit, lag die Bestie auf dem Boden der Schlucht und versuchte das Bewusstsein wiederzuerlangen. In der Ferne bemerkte ihr Drachensinn schwach, wie die Katapulte auf den Felsvorsprüngen in ihre Richtung zielten.

Mit letzter Kraft bohrte sich die Drachin hastig in den Boden der Schlucht und folgte dem seit langem ausgetrockneten Flussbett fort vom Königreich der Bolg nach Norden, wo sie vor Schmerz und Erschöpfung zusammenbrach.

Sie war zu weit entfernt und vielleicht auch nur zu verausgabt, um die Siegesrufe und Freudengesänge zu hören, die mit rauen Bassstimmen gesungen wurden und von den Schluchtwänden in die Winternacht hallten.

Grunthor hob das Glas und prostete den Archonten zu.

»Hab euch Kerls ja immer schon gesagt: Nehmt, was ihr habt, und nehmt, was ihr kennt. Heißt wohl, dass ihr alle wisst, was hrekin ist.«

38

Die Höhle im untergegangenen See — Gwynwald

Ashe fuhr mit der Hand über die Stirn seiner Frau. Die Haut war nun kühler, aber papierdünn und trocken. Ihre Lippen waren blass und hatten beinahe dieselbe Farbe wie ihre Haut; sie hatten durch den Blutfluss viel von ihrer Röte verloren.

»Trocken«, flüsterte sie. »Meine Kehle ist so trocken.«

Ashe sah Krinsel an. »Kommt das Kind jetzt?«, fragte er die Hebamme leise. Die Bolg-Frau schüttelte den Kopf. Der Herr der Cymrer sah von Rhapsody zu den anderen, die in der dunklen Höhle standen. Jedes Gesicht, jedes Wesen war vollkommen verschieden von den anderen, doch sie alle spiegelten den gleichen Ausdruck des Erstaunens und der stillen Verzweiflung, als ob es nichts mehr auf der Welt gäbe, was man für diese Frau tun könnte, außer neben ihr zu stehen und sie gebären und sterben zu sehen.

Rasch zog er seinen Nebelumhang aus und bedeckte seine Frau damit in der Hoffnung, der kühle Dunst werde ihre Trockenheit lindern. Mit zitternder Hand zog er Kirsdarke, seine Waffe, das Elementarschwert des Wassers. Die Klinge glitt aus der Scheide, Wellen aus wogendem Nebel liefen an ihr entlang wie der Schaum des Meeres. Er hielt sie in der linken Hand und legte die rechte auf Rhapsodys Bauch. Er wollte, dass das Wasser in sie eindrang, sie nährte und heilte, da sie doch durch das Bluten so viel Flüssigkeit verloren hatte.

»Wie können wir das Kind herausholen?«, fragte er die Hebamme noch einmal.

Krinsel schüttelte den Kopf. »Ich habe ein paar Wurzeln – Kreuzdorn, Nachtkerze, Schwarzwurz –, womit ich den Bauch dehnen kann, aber es könnte einen von beiden töten. Ihr müsstet entscheiden, wen ich retten soll.«

»Wenn ihr zu solch äußersten Schritten Zuflucht nehmen wollt, erlaubt mir, euch zu helfen.«

Die vielfältigen Töne der Drachenstimme erfüllten die Höhle, und plötzlich tanzte verstreutes Licht über die Wände wie Abendsonne auf dem gekräuselten Wasser eines Sees.

Achmed und Ashe drehten sich um und sahen eine Frau hinter ihnen stehen. Es war eine große Frau, größer als sie beide, mit einer Hautfarbe wie goldener Weizen und ähnlichen Augen, die wie Sterne leuchteten. Silberweißes Haar hing ihr in Kräuselungen bis zu den Knien, und ihre Robe schien aus Sternenlicht gewoben zu sein; sie verbreitete ein ätherisches Glimmen in der Höhle.

Achmed schaute sich nach der Drachin um.

Sie war verschwunden.

Ashe starrte die Frau an. Zum ersten Mal, seit er die Höhle betreten hatte, erhellte ein Lächeln sein Gesicht.

»Vielen Dank, Urgroßmutter«, sagte er.

Rhapsody war halb bei Bewusstsein und regte sich unter der Veränderung in der Drachenstimme.

»Ich hatte geglaubt, du ... hast deine menschliche Gestalt... aufgegeben«, flüsterte sie.

Die leuchtende Frau lächelte breit. Sie beugte sich nieder und küsste Rhapsody auf die Stirn.

»Psst«, machte sie und legte die ätherischen Hände auf Rhapsodys Bauch. »Das habe ich auch. Bolg-Frau, öffne den Bauch.«

Krinsel starrte sie mit benommenem Blick an. Sie schüttelte ihre Verzauberung ab, griff in ihre Tasche und holte das Nachtkerzenöl hervor. Sie tunkte ein kleines Stück Seihtuch hinein und hielt es gegen Rhapsodys Lippen, damit diese etwas davon trinken konnte.

Die beiden Männer beobachteten schweigend die Bemühungen der Hebamme und konnten nicht genau einschätzen, was sie sahen. Von Zeit zu Zeit zog Rhapsody wie unter Schmerzen die Stirn kraus, doch sie gab keinen Laut von sich und öffnete auch nicht die Augen, doch Ashe war sich sicher, dass sie zumindest teilweise wach war.

Sein Blick flog von dem Gesicht seiner Frau zu dem seiner Urgroßmutter, das trotz aller Anmut und königlichen Schönheit einen kindlich erregten Ausdruck angenommen hatte, den er auch an ihrer Drachengestalt oft wahrgenommen hatte. Er schaute weiterhin in einer Mischung aus Ehrfurcht und Angst zu, bis er spürte, wie Rhapsody seine Hand ergriff.

»Sam«, flüsterte sie.

»Ja, Aria?«

Sie streckte die Hand zögernd aus und legte sie auf seine Brust.

»Ich brauche das Licht des Sterns in dir. Unser Kind kommt.«

Ashe beugte sich näher über sie und legte seine Hand auf ihre.

»Was immer du brauchst«, sagte er besänftigend, obwohl er keine Ahnung hatte, was sie damit meinte. »Wie kann ich es dir geben?«

Sie kämpfte um die Worte; ihr Gesicht war schmerzverzerrt.

»Öffne dein Herz«, flüsterte sie »Heiße dein Kind willkommen.«

Ashe gelang nur ein Nicken.

Sanft sang sie nun die Elegie an Seren, die Jal’asee ihr beigebracht hatte. Es war das Tauflied, das sie vor dem Untergang der Insel nicht mehr hatte lernen können. Während sie sang, weinte sie. Die Hebamme und die Drachin bewegten sich um sie, berührten ihren Bauch, flüsterten einander zu, aber sie hörte sie nicht. Sie lauschte nur den Schwingungen, die aus der Brust ihres Mannes drangen, dem reinen, elementaren Lied des verlorenen Sterns.

Komm herbei, mein Kind, sang sie mit der zwingenden Stimme der Benennerin, die jedoch unter den Empfindungen der Mutter schwankte. Komm in die Welt und lebe.

Sie spürte Wärme aus ihrem Bauch dringen, die Wärme des elementaren Feuers, das sie in ihrer Seele schon länger trug, als sie hätte sagen können. Mit ihr vermischte sich das kühlende Rauschen des Meerwassers, des Wassers, mit dem sie vor nicht langer Zeit getauft worden war, und es trat ein Wissen hinzu, das nicht von ihr, sondern von dem Vater des Kindes kam. Sie schloss die Augen und lauschte nun den geflüsterten Worten der Hebamme, dem tiefen Lied der Erde, das auch aus Ashe drang, und dem Pfeifen des Windes, von dem ihre eigene Art abstammte. Es war eine Sinfonie der Elemente, die aus ihr ins Leben traten, getauft vom Licht des Sterns, der alles andere als verloren war.