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In dem Bruchteil einer Sekunde, bevor die alles verzehrenden Flammen über Rhapsody zusammenflössen, wurde die Luft vor ihr grau und silbern, mit einem leisen Anflug von schimmerndem Kupfer. Eine große, durchscheinende Gestalt erschien aus dem Äther vor ihr und um sie herum, dünn wie ein Windhauch und kaum sichtbar. Sie umgab den Bolg-König sowie die Herrscherin der Cymrer mit ihrem Körper und schuf so eine Scheidewand zwischen ihnen und der tobenden Drachin.

Als Anwyn ausatmete und ein so ätzendes Feuer entfachte, dass es die Steine auf dem Boden unter ihr schmolz, löste Llauron ein wenig von seiner eigenen Kraft und ließ die elementare Erde frei, die sich in seinem Blut und seiner Seele befand.

Er wurde fest.

Und bildete eine gewaltige, versteinerte Hülle um den Mann, die Frau und das Kind.

Und rettete sie.

Und führte damit sein eigenes Ende herbei.

43

Die Flammen flössen über Llaurons felsartige Gestalt, leckten an den Rändern und verbrannten das Gras unter ihm. Rhapsody und Achmed bemerkten den Feuerstoß, erkannten ihn an der Gewalt seines Brüllens und hörten aus der Ferne die Zornesschreie. Dann setzte Stille ein.

Innerhalb der Hülle war es dunkel. Es war nur ein sehr schwacher Lichtschimmer übrig geblieben, der ätherisch leuchtete. Der Bolg-König tastete in der Dunkelheit herum, bis er Rhapsodys Hand fand und sie packte. Sie zitterte heftig und beobachtete, wie Llaurons Ende verschiedene schreckliche Zustände durchlief.

Mit der Weggabe seiner Erdmacht ging der Verlust des Sternenfeuers einher, das ihn seit seiner Geburt begleitet hatte. Das kühle Licht härtete die Hülle seines Körpers. Rhapsodys Herz schlug heftig gegen die Rippen, als das Wasser in Llauron verdunstete. Sie spürte auf ihrem Gesicht Tränen und Regen. Beides trocknete, als die Macht in der Welt verschmolz, aus der sich einmal die Seele eines Menschen gebildet hatte, der in das Meer verliebt gewesen war. Als das Wasser verdunstet war, härtete sich die Hülle noch mehr; sie kühlte ab. Nur das Element des Windes blieb; es nahm die Form süßer, schwerer Luft an, die zwischen den dreien hing.

Für einen Augenblick war innerhalb der dunklen Höhlung von Llaurons Körper nichts zu hören.

Dann weinte Rhapsody leise.

Achmeds Augen, die Nachtaugen eines Bolg, beobachteten sie, während sie zur rippengemusterten Wand ging, die Hand ausstreckte und sie dagegen legte. Überwältigt von Trauer, glitt sie langsam zum Boden der Höhlung. Auch das Kind in seinen Armen weinte nun.

Achmed stand reglos da, dann hob er allmählich das Windelbündel gegen seine Schulter und wiegte es unbeholfen vor und zurück.

»Psst«, sagte er. »Sei still.«

Außerhalb der gewaltigen Drachenhülle, die früher einmal ihr Sohn gewesen war, stand Anwyn entsetzensstarr. Zuerst war ihr Erstaunen aus der Unmittelbarkeit der Ereignisse erwachsen. Noch vor einer Sekunde hatte sie die Frau, die sie hasste, verwundbar vor sich gesehen. Sie hatte sich auf die Linderung ihrer Schmerzen gefreut, die mit Rhapsodys Tod einsetzen würde, auf den bitteren Geruch ihrer Asche, sobald ihr Körper verbrannt sein würde.

Dann war ihr der Drache, der sich Llauron nannte, entgegengetreten, war aus dem Äther erschienen, hatte die Frau und ihr Kind sowie das Ungeheuer umgeben, das sie beide beschützte, und sein Ende selbst herbeigeführt. Anwyn hatte vieles von ihrer eigenen Rasse vergessen, doch selbst in ihrem bruchstückhaften Bewusstsein begriff sie das Grauen, die Endgültigkeit und das Opfer dessen, was soeben vor ihren Augen geschehen war.

Und sie ärgerte sich darüber mit jeder Faser ihres zerfetzten, blutenden Selbst.

Die Stahlklingen dehnten sich in der Hitze ihres Körpers aus; sie fühlte ihr Anwachsen, jetzt, da sie nicht mehr durch die Kälte zusammengedrückt wurden. Mit jedem ihrer Atemzüge zerrten sie mehr an ihren Muskeln, zerrissen ihr Fleisch weiter und arbeiteten sich bis zu dem dreikammerigen Herzen vor. Die Drachin zwang sich dazu, langsamer zu atmen und ihre Körperfunktionen so weit zusammenzuziehen wie möglich, doch sie konnte das Schlagen ihres Herzens und ihren Blutkreislauf nicht länger kontrollieren.

Sie wollte schreien und ihren Zorn mit Feuer und Blut anfachen, doch die Scheiben wüteten in ihrer Bauchhöhle und bedrohten bei jeder noch so kleinen Bewegung ihr Leben.

Schließlich erkannte sie, dass ihr keine andere Möglichkeit blieb, als langsam und vorsichtig in den gefrorenen Norden zu ihrem Nest aus Eis und Frost zurückzuweichen. Sie hoffte, die Kälte werde dafür sorgen, dass die Scheiben verharrten, sodass sie sie aus dem Fleisch ziehen konnte. Selbst wenn das nicht möglich wäre, stürbe sie lieber in ihrem Nest als in diesem fremden Wald, diesem Ort, an den sie Erinnerungen haben sollte, stattdessen aber nur Leere und Zurückweisung erfuhr.

Diesen Ort, an dem ein Drache sein Leben beendet hatte.

Das allein reichte aus, um sie zu entsetzen. In ihrem Kopf hörte sie einen dunklen Gesang. Es waren Stimmen von Wesen, die einer völlig anderen elementaren Rasse angehörten. Sie schnatterten, während die Erde durch den Verlust eines Wesens, das zu ihr gehörte, an Macht verlor. Die Drachin konnte nicht länger bleiben. Der Anblick der gewaltigen Steinstatue mit den ausgestreckten Schwingen, die sich um die Frau, das Kind und ihren Begleiter gehüllt hatte, um sie zu retten, ließ sie zittern; doch als sie wenig später den Tar’afel durchschwamm und gegen die stärker werdende Strömung kämpfte, erkannte sie, dass ihr Zittern nicht nur von der Angst, sondern auch von der Nähe des Todes herrührte. Achmed hörte im Dunkeln, wie Rhapsody weinte. Es war ein Laut, den er von Anfang an gehasst hatte: eine harsche, schreckliche Schwingung, so ganz verschieden von der natürlichen Musik, die sie sonst von sich gab und die er so beruhigend fand. Es zerrte an den empfindlichen Nervenenden in seiner Haut, die vor Schmerzen vibrierten. Er biss die Zähne zusammen und schwieg; er erlaubte ihr, der Trauer freien Lauf zu lassen. Sie konnte sie nicht lange unterdrücken, da sie von den Geburtswehen und der Flucht vor der Drachin noch sehr schwach war.

Er beobachtete ihr Kind in der Dunkelheit. Er hatte den kleinen Jungen auf den Rücken gelegt. Der Boden des Drachenkörpers aus Stein war wärmer als der Waldboden. Das Kind schien seine Lage zu mögen, denn es winkte mit den winzigen Armen und atmete tief die kühle, süße Luft ein, die schwer über seinem Kopf schwebte. Rhapsody lehnte sich erschöpft gegen die Höhlenwand. Sie konnte im Dunkeln nicht so gut sehen wie Achmed. Um Finsternis und Kälte zu vertreiben, zog sie ihr Schwert und legte es auf den Boden. Es erfüllte die Kaverne mit Wärme und Licht.

»Die Ironie des Ganzen droht mich zu ersticken«, sagte sie matt und sah zu, wie ihr Kind den Bolg-König unterhielt.

»Warum?«

»Llauron wollte dieses Kind kennen lernen, und das Kind sollte ihn kennen lernen. Er hat sich für es und für uns geopfert. Das ist einfach unvorstellbar. Es ist ungefähr so, als würdest du dein Leben mitsamt deinem Nachleben opfern. Und nun ist Meridion in der körperlichen Hülle seines Großvaters gefangen – eines Großvaters, den er nie kennen lernen wird.«

Achmed seufzte niedergedrückt.

»Könnt ihr lirinischen Benenner nicht etwas tun, wenn so etwas geschieht?«, fragte er scharf. »Ein Lied des Übergangs singen oder dergleichen, anstatt nur zu trauern? Ich finde deinen augenblicklichen Gesang etwas ermüdend. Llauron war ein schwieriger Mann, ein drachenhafter Mann, noch bevor er seinen menschlichen Körper aufgab und gegen den elementaren Zustand eintauschte. Er hat nie zugelassen, dass sich ihm etwas in den Weg stellte, wenn er sich im Recht glaubte oder von einer Sache überzeugt war: nicht das Wohlergehen seiner Familie, nicht die Sicherheit seiner Verbündeten oder andere unwesentliche Überlegungen. Dass er das hier freiwillig getan hat, war möglicherweise seine erste wirklich edle Geste. Warum singst du ihm keine Elegie und legst deine ganze Trauer und auch jene hinein, die du stellvertretend für dein Kind empfindest? Meridion wird ihn nicht einmal vermissen.«