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Rhapsody seufzte und setzte sich ein wenig aufrechter hin.

»Was die Elegie angeht, hast du Recht«, sagte sie knapp. »Das ist das Mindeste, was ich als Benennerin tun kann. Aber ich will nicht das lirinische Lied des Übergangs für ihn singen. Das habe ich schon einmal getan, als er mich dazu gebracht hatte, ihn mit dem Schwert zu verletzen, damit er seinen elementaren Drachenzustand erreichen konnte. Ich glaube nicht, dass ich das noch einmal fertig bringe.«

»Fein«, meinte Achmed und suchte sich in der Dunkelheit eine bequemere Lage. »Dann sing ein Bordellliedchen oder eine von Grunthors Marschweisen. Ich wette, Llauron würde beides schätzen.«

Rhapsody nickte; es gelang ihr nicht zu lächeln. »Vermutlich hast du Recht. Trotz seines gediegenen Äußeren hatte er einen Sinn für groben Humor. Als ich zu Beginn bei ihm gelernt habe, hat er mir jeden Abend Seemannslieder vorgesungen, und einige davon hätten seinen Anhängern die Haare zu Berge stehen lassen.« Sie stand auf und ging hinüber zu Achmed, dann hockte sie sich vor das Kind, das die winzigen Augen auf sie richtete. »Natürlich hat mein Großvater dieselben Lieder gesungen.«

Sie summte eine Melodie und lächelte auf Meridion hinunter, dann begann sie mit einem wortlosen Lied des Meeres. Nach einigen Augenblicken fügte sie die Worte hinzu und sang eines von Llaurons bevorzugten Seemannsliedern, eine traurige Geschichte über eine einsame Wanderung durch die ganze Welt, ohne Ruhe, auf der Suche nach Frieden im Meer.

Achmed scherte sich nicht um das Meer, doch es war lange her, seit er sie zum letzten Mal singen gehört hatte. Er saß still im flackernden Licht der Tages-

Sternfanfare, deren kühler Glanz Rhapsodys ernste Stimmung spiegelte, und erinnerte sich an ihre gemeinsame Reise entlang der Wurzel und über Land zu diesem neuen Kontinent – nur sie beide und Grunthor. Er vermisste diese Zeiten mehr, als er sich eingestand.

Ein seltsamer Ton schwirrte in seinen Ohren. Er horchte angestrengt und erkannte, dass das Kind mitsummte. Rhapsody bemerkte es ebenfalls. Ihre Stimme wurde sanfter, und sie setzte den letzten Ton der Melodie nach dem Ende des Liedes fort, bis das Kind wimmerte.

»Ich vermute, er kennt seinen Großvater doch«, sagte sie, als sie sich das Kind an die Schulter legte und ihm den Rücken streichelte. Die Geste zeigte jedoch keine Wirkung. Meridion jammerte weiter, und sein Weinen steigerte sich zu einem schnatternden Schreien.

»Ich glaube, er hat den letzten Rest von Llaurons Selbst eingeatmet. Die schwere Luft schien über ihm zu schweben, als hätte Llauron gewollt, dass er sie in sich aufsaugt«, sagte Achmed und zog die Brauen zusammen, als Rhapsody ihr Hemd öffnete und sich das Kind an die Brust legte. Er wandte sich zu ihrer Verblüffung hastig ab und drehte ihr den Rücken zu, während sie das Kind stillte.

»Du musst mir nicht mehr den Rücken zuwenden«, sagte sie überrascht und zog das Wickeltuch über sie beide.

»Ich bin jetzt bedeckt, und ich entschuldige mich dafür, falls es dich belästigt hat.« Sie sah, wie er mit der Schulter zuckte, aber er drehte sich nicht zu ihr um. »Wir haben schließlich an der Wurzel tausend und mehr Jahre zusammen verbracht und immer gemeinsam gelagert. In uns sollte keine Scham mehr sein.«

Achmed starrte auf die Drachenhöhle über sich und bemerkte die Windungen von Brustkorb und Wirbelsäule.

»Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass es mir vielleicht nicht gefällt, dich das Kind eines anderen Mannes stillen zu sehen?«, fragte er verbittert.

Das Schweigen, das ihm antwortete, war schwerer, als es die Luft gewesen war.

Er fuhr fort, die Innereien der Hülle zu betrachten, die Llauron zurückgelassen hatte, bis er schließlich hörte, wie Rhapsody dem Kind auf den Rücken klopfte und ein wortloses Wiegenlied summte. Endlich drehte er sich um und sah, dass auch sie den Blick nach oben gerichtet hatte.

»O Götter, in gewisser Weise sind wir wieder bei der Wurzel«, murmelte sie. »Gefangen in einer Höhle ohne Ausgang, fern von allen, die uns beistehen könnten. Und es ist dunkel und eng hier drinnen.« Unbewusst wischte sie sich mit dem Handrücken über die Stirn und zog das Kind näher an sich.

»Ja, aber diesmal ist Grunthor nicht bei uns, um es uns erträglich zu machen.«

»Nein, da hast du Recht.« Rhapsodys Augen schimmerten in der Dunkelheit. »Du hast dich in den wenigen Jahren so sehr verändert, Achmed«, sagte sie traurig und wiegte das Kind in den Armen. »Selbst in der Dunkelheit erkenne ich dich kaum wieder.«

Dem Mund des Bolg-Königs entrang sich ein Zischen, als er sich das Lachen verkniff. Er streckte die Beine aus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Ist das wirklich so?«, fragte er. »Vielleicht erscheint es dir nur so, Rhapsody, weil du nie begriffen hast, was wichtig für mich ist. Du hast mir immer uneigennützige Beweggründe unterstellt, weil du glauben willst, dass wir dieselben Ziele verfolgen. Ich glaube, so war es wirklich einmal. Aber wer hat sich hier verändert?«

Das Kind seufzte im Schlaf. Es war ein hoher, süßer Laut. Rhapsody sah Achmed noch schärfer an.

Er beugte sich vor, damit er nicht laut reden musste, um seinen Worten Gewicht zu verleihen. »Du riskierst dein Leben und das deines Kindes, über dessen Schicksal du keine Gewissheit haben kannst, sowie das aller anderen, die deinen Visionen folgen, und das nur für deine wechselnden Launen. Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals so sorglos mit anderen Lebwesen umgegangen bist wie heute. Und ich, der ich nie die Pflicht verspürt habe, einen anderen Hals als meinen eigenen zu retten, bin nun Wächter des Erdenkindes und Beschützer eines Volkes, das nicht mehr durch die Welt zieht und seine Feinde frisst – oh, und ich bin der Schutzherr einer närrischen Königin, deren Gemahl diese Rolle allein nicht ausfüllen kann.

Wer also hat sich verändert? Vermutlich wir beide.«

Die Herrin der Cymrer starrte ihn an. Achmed bemerkte mit Interesse, dass die Drachenpupillen nun aus ihren Augen verschwunden waren. Das Kind gab saugende Laute von sich und verstummte schließlich. Rhapsody ergriff das Wort.

»Seit wir dieses neue Land zum ersten Mal betreten haben, Achmed, warst du genau wie Grunthor verärgert darüber, dass ich die Vergangenheit nicht vergessen konnte. Ihr seid aus Serendair geflohen, weil es dort nichts mehr gab, was euch etwas bedeutet hat. Auf euch hätte nur der Tod gewartet, wenn ihr geblieben wärt. Aber ich habe alles verloren, als ihr euch entschieden habt, mich mitzunehmen. Und als ich getrauert habe, habt ihr euch darüber beschwert. >Serendair ist Vergangenheit, habt ihr gesagt, >dein Leben findet jetzt hier statt.< Ihr habt darauf beharrt, dass ich mich an die neuen Gegebenheiten anpasse, die Vergangenheit vergesse und in der Gegenwart lebe.«

»Richtig«, stimmte Achmed zu. »Und ich habe dir eine Aufgabe anvertraut, an der du Geschmack gefunden hast: die Beendigung der Scheußlichkeiten, die Roland gegen die Bolg unternommen hat – und diese Bolg zu einem Königreich von Menschen zu machen –, wenn auch von monströsen Menschen. Ich habe dir in meinem Königreich ein Herzogtum gegeben und dir allen Plunder bezahlt, den du haben wolltest. In Elysian hängen immer noch zwei Dutzend Kleider, die still in der Grotte vor sich hinfaulen.« Er lehnte sich mit einer heftigen Bewegung gegen die Höhlenwand und seufzte. »Vielleicht sollte ich sie beschlagnahmen und an Bolg-Frauen verteilen, die sie tragen können, während sie Jagdbeute häuten oder Talg machen.«

»Das kannst du ruhig tun«, sagte Rhapsody und streichelte ihrem Sohn über die Wange. »Sie können die Kleider ja um den Hals tragen, so wie sie die Hörner der unglücklichen Ochsen, die du in das Königreich eingeführt hast, als Lendenschurzverzierung getragen haben. Aber schweif nicht vom Thema ab. Du bist zufrieden, wenn ich in der Gegenwart lebe, so lange es deinen Zielen dient. Sollte ich meine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwenden, die du als wertlos ansiehst – zum Beispiel das cymrische Bündnis, das Königreich Tyrian oder die Gründung einer Familie –, befriedigt dich das nicht. In deinem verdrehten Kopf habe ich mich verändert, weil ich nicht mehr das tue, was ich deiner Meinung nach tun soll. Vielleicht ist es verwegen von mir, aber ich möchte mein Leben nicht nach deinen Befehlen leben, sondern so, wie ich es für richtig halte.«