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Der Bolg-König schnaubte: »Du würdest es nur verderben.«

Zum ersten Mal seit Llaurons Ende lächelte Rhapsody leicht. »Zweifellos«, gab sie zu. »Aber das ist meine Sache, Achmed. Du hast mir immer gesagt, ich hätte die Stärke, zu tun, was getan werden muss, zu führen, auch wenn ich es nicht will, weiterzumachen, obwohl ich aufgeben möchte. Du aber teilst die Gründe für deine Taten nie jemandem mit, deshalb kann ich sie nicht verstehen. Du stehst mir treu bei und fühlst dich betrogen, wenn ich dasselbe für dich nicht tun kann.«

»Ja, das stimmt ungefähr.«

»Also erkläre es mir«, beharrte sie. »Sag mir, warum du dieses verdammte Ding bauen und dafür so viel riskieren willst. Wenn ich verstehen könnte, warum du auf so verrückte Weise mit uranfänglicher Magie herumspielen willst, wäre ich vielleicht in der Lage, dir zu helfen.«

Achmed schwieg lange. Er schaute weiterhin nach oben und in das Innere der Höhle. Schließlich sagte er: »Habe ich dir je gesagt, wovor ich weggelaufen bin, als Grunthor und ich unglücklicherweise mit dir in Ostend zusammengestoßen sind?«

Rhapsody schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass du der Sklave eines Hohepriesters warst, der einem F’dor als Wirt diente«, sagte sie und rieb sanft über den Rücken des Kinds. »Ich war der Meinung, du seiest auf der Flucht vor ihm.«

»Das war ich«, sagte der Bolg-König matt. »Aber erinnerst du dich an den Schlüssel, mit dem ich die Sagia geöffnet habe, damit wir überhaupt in sie hineingelangen konnten?«

»Ja. Er bestand aus Lebendigem Gestein – als wäre es die Rippe eines Erdenkindes.«

»Ist es dir nie seltsam vorgekommen, dass ich einen solchen Schlüssel in meinem Besitz hatte? Hast du dich je gefragt, woher er stammte?«

Rhapsody dachte in der Dunkelheit nach. »Eigentlich nicht. Es gibt so vieles, was du mir verheimlichst oder was an dir seltsam oder schwierig zu verstehen ist, sodass ich mir darüber keine Gedanken gemacht habe. Ich war der Ansicht, dass du es mir schon sagen würdest, wenn du es wolltest.« Sie schaute in die Finsternis über sich und seufzte. »Nach eintausendvierhundert Jahren habe ich gelernt, mit der Aussicht zu leben, dass du es mir möglicherweise nie verrätst.«

Achmed saß still da und lauschte auf die hallenden Geräusche innerhalb der hohlen Hülle. Er bemerkte Rhapsodys Blick, der über den versteinerten Körper ihres Schwiegervaters strich – eines Mannes, den sie trotz seiner Machenschaften und Betrügereien geliebt hatte. Achmed hatte diesen Gesichtsausdruck schon einmal bei ihr wahrgenommen, nämlich an dem Tag, als sie aus der Erde aufgetaucht waren und hatten feststellen müssen, wie weit sie von zu Hause entfernt waren und wie sehr sie sich in der Zeit verirrt hatten.

Wie lange schon all jene tot waren, die Rhapsody geliebt hatte.

»Der Dämonenpriester, den du vorhin erwähnt hast, gab mir den Schlüssel«, sagte er endlich. Seine Stimme war trocken und sanft zugleich. »Er hatte mich an die Nordküste Serendairs geschickt, quer durch die Meerenge zu den nördlichen Inseln Balatron, Briala und Querel, wo sich früher einmal eine Brücke befunden hatte. Der Schlüssel sollte dazu dienen, eine Tür im Fundament dieser Brücke zu öffnen, damit ich einen seiner Genossen von der anderen Seite herholen konnte.«

Ihr Blick traf sich in der Dunkelheit. »Du weißt, dass Tsoltan der Wirt eines F’dor war?«

»Ja.«

»Du weißt auch, wohin er mich geschickt hat und was ich dort tun sollte?«

Sie überlegte kurz; ihre Augen wurden in der Dunkelheit größer.

»Du bist zur Gruft gegangen?«

Achmed nickte.

»Zur echten Gruft? Sie existiert in der materiellen Welt?«

Der Bolg-König stieß einen tiefen Seufzer aus. »Es gibt ein Tor zu ihr. >Das Gewebe der Welt ist an dieser Stelle dünn gewordene sagte Tsoltan, als er mir seinen Befehl gab.«

Rhapsodys Augen glimmerten nun. Achmed wusste, dass sie zunehmend nervös wurde.

»Hast du sie geöffnet?«

Er nickte. »Ja. Ich habe selbst in die Gruft der Unterwelt geblickt. Und was ich dort gesehen habe, entzieht sich jeder Beschreibung, sodass ich mich nicht einmal zu einem Versuch in der Lage gesehen habe, dem Befehl nachzukommen. Aber es reichte aus, um alles hinter mir zu lassen, was ich je besessen hatte und gewesen war, und die Flucht zu wagen, denn jeder Mensch hat eine Grenze – selbst ein kaltblütiger Mörder wie ich, selbst ein Verdammter, der für Gott und Menschen nutzlos ist und keine Scheu davor kennt, den Tod zu spenden, als wäre er ein Sakrament. Und diese Erfahrung war meine Grenze.«

»Das glaube ich«, sagte Rhapsody.

»Dann glaubst du vielleicht jetzt auch, dass ich alles unternehme und jede Gelegenheit ergreife, die sich mir bietet, um eine ähnliche Erfahrung für andere Menschen zu verhindern. Du glaubst, ich gehe unnütze Risiken ein, Rhapsody, doch in Wirklichkeit ergreife ich nur jede Gelegenheit, die Gruft für alle Zeiten geschlossen zu halten. Das ist eine endlose Aufgabe; es ist, als wolle man einen Sanddeich gegen die Flut aufschütten. Es stimmt, dass es nur eine begrenzte Anzahl von F’dor gibt, die aus der Morgendämmerung der Zeit übrig geblieben sind, aber es gibt noch genug von ihnen da draußen, die während der ersten Katastrophe aus der Gruft entwischt sind und nun unablässig versuchen, einen ähnlichen Schlüssel zu bekommen, um sie ganz zu öffnen und ihre Gefährten frei zu lassen. Ich will dich nicht beleidigen, wenn ich sage, dass du dir als lirinische Benennerin nicht vorstellen kannst, was das bedeuten würde. Ich bin selbst Bringer des Todes gewesen, manchmal auf wirklich schreckliche Weise, und sogar ich könnte es mir nicht vorstellen, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte.

Als du mir in übertragenem Sinn die Haut abgerissen hast, sagtest du, die Nain hätten etwas dagegen, dass ich die Maschine wieder erbaue. Es gibt einen guten Grund, warum ich auf das Gerede der Nain nichts gegeben habe. Sie haben bereits selbst eine solche Maschine gebaut.« Er bemerkte befriedigt, wie sie erstaunt die Luft einsog.

»Und ich wünschte, du würdest mich nicht über uranfängliche Magie belehren. Ich weiß einiges über diese Magie, was du nicht weißt. Sie ist nicht unveränderlich, sondern zerbrechlich. Sie kann sogar sterben. Der Tod der Sagia hinterließ ein gewaltiges Loch in dem, was der uranfänglichen Magie früher möglich gewesen war. Die Mittel, die wir noch besitzen, sind beschränkt, und die Waffen sind stumpf. Wir haben so viel konstruktive Macht verloren, so viel Magie aus der Welt der sterbenden Insel. Ich versuche, mit aller Kraft unser Arsenal in diesem letzten, größten Kampf an allen Fronten zu verstärken.«

»Aber wenn du befürchtest, ein F’dor könnte das Erdenkind finden, eine seiner Rippen als Schlüssel benutzen und die übrigen F’dor befreien, die dann den Wurm erwecken, was nützt dann dein Wächteramt, wenn der Gebrauch des Lichtfängers all das umgeht und die Bestie selbst weckt?«, fragte Rhapsody und drückte das Kind enger an sich.

Achmed richtete sich auf und schüttelte einen Krampf aus seinem Nacken. Dann erwiderte er ihren Blick.

»Auf dem höchsten Berg Serendairs, in so großer Höhe, dass die geflügelten Löwen, die ihn beschützten, wegen der dünnen Luft nicht fliegen und nur flüstern konnten, stand der Lichtfänger. Ich habe ihn gesehen, Rhapsody. Ich habe gesehen, wie er eingesetzt wurde, oder wenigstens habe ich das Ergebnis gesehen. Ich habe mit den Wächtern gesprochen.

Er war auf dem höchsten Berg errichtet worden, weil er seine Kraft nicht aus der Erde, sondern aus dem Stern zog. Jedes Mal, wenn Faedryth mich durch den Apparat anschaut, reizt er die Bestie. Er richtet seine bewegliche Lichtschmiede in die Nähe einer Vene und erschüttert die Welt. Die Meeresmagier gehen mit diesen Erschütterungen zweifellos kalkulierbare Risiken ein, was der Grund ist, warum die Strömungen in der Nähe ihrer Insel unberechenbar sind.«