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Urplötzlich war das Lächeln aus Achmeds Gesicht verschwunden. »Ein Mann, der einer anderen Frau gegenüber nicht ausschließlich ehrenvolle Absichten hegt – insbesondere dann, wenn er verlobt ist –, ist auch als Nachbar nicht besonders vertrauenswürdig. Dass du, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, das Leben von zweitausend Männern aufs Spiel gesetzt hast, wird dir hoffentlich eine Lehre gewesen sein. Lass es nicht noch einmal so weit kommen.« Er wandte sich um und ging zur Tür. »Ich lasse dich allein, damit du nun in Ruhe dein Amt verrichten kannst«, sagte er noch.

»Was für ein Amt?«

Der Firbolg-König warf einen Blick über die Schulter zurück und lächelte. »Du wirst doch sicherlich für deine Männer eine Mahnwache abhalten wollen.« Die Schatten regten sich noch einmal, und dann war Achmed verschwunden.

Am Morgen des zehnten Tages kreuzte eine Reitergruppe aus Roland am Horizont der Steppe auf. Rhapsody und die Wachsoldaten in ihrer Begleitung warteten. Sie hatte Wert darauf gelegt, dass keines der von ihrem Kommando gerittenen Pferde aus den Reihen der geschlagenen Truppen des Gegners stammte. Ein bisschen Taktgefühl steht auch uns gut an, hatte sie zu Achmed gesagt. Jetzt lächelte sie unwillkürlich, als sie den Hohen Herrscher von Roland unter den Reitern erkannte und sich an den unfreundlichen Schlagabtausch mit ihm vor wenigen Wochen erinnerte.

Die fünf Männer in seiner Begleitung trugen einfache Reitkleidung und wollende Umhänge; offenbar wollten sie möglichst unerkannt bleiben. Rhapsody war ähnlich schlicht gekleidet – entgegen Achmeds Vorschlag, der sie gern in prunkvollstem Staat gesehen hätte, was ihr aber ganz und gar unangemessen vorgekommen wäre.

Außer Tristan Steward und zwei bewaffneten Wachen bestand die kleine Gruppe noch aus dessen Vetter Stephen Navarne, der Rhapsody mit freudigem Lächeln entgegenblickte, und einem weiteren Mann, der dem Hohen Herrscher auffallend ähnlich war, allerdings ein paar Jahre jünger zu sein schien. Er trug einen gehörnten Helm und ein schweres goldenes Amulett, das ihn als Geistlichen auswies. Rhapsody glaubte in ihm jenen Seligpreiser wiederzuerkennen, dessen Diözese aus den Nordprovinzen Canderre und Yarim bestand und den sie auf einem der Porträts in der Feuerbasilika gesehen hatte.

Der Herrscher über Roland zügelte seinen walnussbraunen Wallach und stieg aus dem Sattel. Offenbar hatte er es eilig, die für ihn so unangenehme Angelegenheit hinter sich zu bringen. Er hatte alle anderen Möglichkeiten in Gedanken durchgespielt und war zu der frustrierenden Einsicht gelangt, dass an dem verlangten Abkommen kein Weg vorbeiführte. Sein Vorschlag einer Invasion des Feindeslandes war von den anderen Herzögen entschieden zurückgewiesen worden.

Das benachbarte Sorbold, ein friedliebender Rivale und Handelspartner, hatte – nicht zuletzt unter dem Eindruck der vernichtenden Niederlage des orlandischen Heeres – ebenfalls kein Interesse daran, Krieg gegen die Bolg zu führen; im Gegenteil, man hoffte, den neuen Kriegsherrn als Freund zu gewinnen, und erklärte, dass man schon seit langem den Wunsch hege, mit den Bolg Handel zu treiben. Tristan Steward sah die Gesandte der Bolg von ihrem Pferd steigen und herbeikommen. Wie von ihm befürchtet und insgeheim erhofft, war es die Frau, der er vor einigen Wochen die kalte Schulter gezeigt und die er seitdem vergeblich aus seinen Gedanken zu vertreiben versucht hatte. Er war auf ihren Hohn gefasst, wurde aber stattdessen mit freundlichem Lächeln willkommen geheißen.

»Guten Tag, Eure Hoheit«, sagte sie und verbeugte sich. »Euer Erscheinen ehrt uns.« Ihre Stimme war ohne jeden Sarkasmus, und als er in ihre Augen blickte, spürte der Hohe Herrscher von Roland, wie ihm vor Lust und Verlangen die Knie weich wurden. Er musste sich selbst Gewalt antun, um der ihm hier und jetzt abverlangten Aufgabe gerecht zu werden.

»Meine Dame, erlaubt, dass ich Euch meinen Bruder, Seine Gnaden Ian Steward, den Segner von Canderre-Yarim, vorstelle.

Rhapsody verbeugte sich über den ihr Entgegengestreckten Siegelring. »Euer Gnaden.«

»Meinen Cousin, den Herzog Stephen Navarne, kennt Ihr ja bereits, wenn ich richtig informiert bin.«

»So ist es. Wie geht es Euch, mein Herr?«

»Danke, sehr gut. Es freut mich, dich zu sehen.«

Rhapsody lächelte. »Ganz meinerseits.«

Sie nickte ihrer Leibgarde zu, worauf zwei der zwölf Soldaten einen Tisch und Stühle herbeiholten. Die beiden Bolg grinsten angesichts der orlandischen Herren, die von der monströsen Gestalt ihrer Gegenüber sichtlich beeindruckt waren.

Als sich die beiden Kolosse diskret zurückgezogen hatten, räusperte sich Tristan Steward und sagte:

»Nun, wir haben ein paar Dokumente mitgebracht, die Ihr bitte begutachten möget. Da wäre zunächst der Entwurf für ein Handelsabkommen, der von der zuständigen Kammer in Bethania bereits abgesegnet wurde und somit auch die Zustimmung aller einschlägigen Stellen in den Provinzen finden dürfte. Er entspricht in allen Einfuhrbestimmungen und Zolltarifen den Verträgen, die auch für den Handel mit unseren langjährigen Geschäftspartnern im Ausland gelten, ja sogar für den Handel zwischen den Provinzen.«

»Ich fürchte, das wird nicht genügen«, antwortete Rhapsody freundlich. »Wir fordern, dass in den ersten zehn Jahren überhaupt keine Zölle erhoben werden – als Zeichen des guten Willens, denn Roland will doch gewiss die junge Wirtschaft der Firbolg nach Kräften unterstützen, nicht zuletzt um die seit Jahrhunderten willkürlich begangenen Zerstörungen zu reparieren, die Roland unter der Führung von Bethania in Ylorc angerichtet hat.«

Wie auf Kommando klappten drei Kinnladen herunter. Stephens Ausdruck wechselte schnell in ein Schmunzeln über, doch der Regent und der Segner schnitten eine weniger freundliche Miene.

»Ihr scherzt«, sagte der Hohe Herrscher von Roland. »Auf Zölle verzichten? Was für einen Sinn hätte es dann, überhaupt noch Handel zu betreiben?«

»Nennen wir es freien Warenverkehr, Hoheit«, antwortete Rhapsody. »Den fairen Tausch von Gütern, Währungen oder Dienstleistungen. Wie auch immer, König Achmed wird nie und nimmer bereit sein, Abgaben zu zahlen, mit denen Heere unterhalten werden, die seine Untertanen aufs Grausamste unterdrückt haben. Andererseits würde er es als eine Geste Eurer wahren Friedensbereitschaft werten, wenn Ihr auf Zölle verzichtet.«

»Ich bin gern dazu bereit«, sagte Herzog Stephen und ignorierte die strafenden Blicke der beiden orlandischen Brüder. »Das kann ich für Navarne so verfügen, denn es ist ja geltender Brauch, dass die Provinzen ihre Zölle selbst festsetzen, nicht wahr, Tristan?«

»So ist es«, knurrte der Hohe Herrscher von Roland.

»Nun, Navarne schuldet der königlichen Exzellenz von Ylorc seine Dankbarkeit für die selbstlose Rettung der Kinder seiner Provinz. Man darf wohl außerdem davon ausgehen, dass die cymrische Linie von Roland nicht weniger glücklich und dankbar für die Befreiung des Hauses der Erinnerung und der Restauration seines Baumes ist.« Er zwinkerte Rhapsody heimlich zu.

»Ich schlage also vor, Tristan, du entscheidest für Bethania und lässt den anderen freie Hand. Wie die anderen Provinzen entscheiden werden, glaube ich voraussehen zu können: Sie werden gern bereit sein, ihre Einfuhrzölle allein schon gegen die Chance einzutauschen, firbolgsche Waffen zu Gesicht zu bekommen.«

»Da könntest du sogar Recht haben. Also gut, es wird vermutlich nicht schaden«, gab Tristan Steward klein bei.

»Ausgezeichnet, vielen Dank«, sagte Rhapsody und zeigte ein strahlendes Lächeln. Ungeachtet der lüsternen Blicke, mit denen sie taxierte wurde, ergänzte und unterzeichnete sie den Vertrag. »So, und was hätten wir als Nächstes?«

Der Hohe Herrscher entrollte ein weiteres Schriftstück. »Unter der Voraussetzung einer Nichtangriffserklärung auf Seiten von Ylorc und der Erlaubnis, die Gefallenen der jüngsten Schlacht in ihre Heimat überführen zu lassen, erklärt sich Roland als vereinigtes Königreich bereit, sich in Zukunft aller unrechtmäßigen feindlichen Handlungen gegenüber Ylorc zu enthalten.«