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»Ist das auch der Grund, warum du diese hübschen Granatohrringe nicht tragen willst, die dir der Seligpreiser von Avonderre-Navarne geschenkt hat?«

»Nein, die sind mir einfach viel zu protzig. Zugegeben, in Sachen Schmuck bin ich ziemlich wählerisch. Ich trage nicht viel, aber es muss geschmackvoll sein.«

Jo stopfte sich noch eine Süßigkeit in den Mund. »Bis auf diesen einen Tag in Bethe Corbair habe ich dich noch nie etwas anderes tragen sehen als dieses Ding da«, nuschelte Jo und zeigte auf das goldene Medaillon, das Rhapsody an einer dünnen Kette um den Hals hing. Rhapsody nahm es in die Hand und betrachtete es eine Weile, sagte aber nichts.

»Auf jeden Fall hat dieser Fürst MacAlwaen einen guten Geschmack, was Dinge angeht, die lecker schmecken«, sagte Jo und packte eine der karamellisierten Nüsse aus.

»Er ist ein Baron. Seine Länder liegen südlich von Sepulvarta«, sagte Rhapsody und streckte sich auf dem Fußboden aus. »Pass auf und beiß dir nicht die Zähne daran aus. Ich glaube, seine Geschenke sind pure Höflichkeit. Er hat von Ylorc ohnehin nicht viel zu erwarten, weder im Guten noch im Schlechten.«

»Als ließe sich Achmed mit Süßigkeiten kaufen.«

»Nun, er hat uns noch etwas anderes übergeben lassen, und zwar ein ziemlich schlau ausgewähltes Geschenk, womit er uns dezent zu verstehen gibt, dass er der neuen Führung der Firbolg durchaus einiges zutraut.«

»Dezent? Was zum Kuckuck soll das denn nun wieder heißen?«

»Unter der Hand, unauffällig. Ist da noch Nougat?«

»Jetzt nicht mehr«, kicherte Jo. Sie warf das letzte Stück in die Luft und fing es mit dem weit aufgesperrten Mund auf. » ... ist unauffällig unter der Hand verschwunden.«

»Metze!« Rhapsody schmunzelte. Es freute sie, Jo lachen zu sehen. »Ich glaube, das für dich bestimmte Geschenk werde ich selbst behalten.«

Jo merkte auf. »Geschenk? Was für ein Geschenk?«

»Nun, ich dachte, dass du bei all den Geschenken, die für Achmed eintreffen, auch eine Kleinigkeit verdient hättest. Aber nachdem du diese Schachtel hier so rücksichtslos geplündert hast ...«

Ehe sie den Satz zu Ende gebracht hatte, hatte ihr Jo schon eine wahllos herausgegriffene Süßigkeiten in den Mund gestopft. Eine getrocknete Pflaume. Beide mussten prusten vor Lachen.

»Na schön, ich geb mich geschlagen«, sagte Rhapsody. Sie stand auf und schüttelte die Krümel von ihrem langen Nachthemd. Dann trat sie vor den hohen Schrank, der auf einem Karren von Bethania herbeitransportiert worden war, und zerrte eine große Holzkiste daraus hervor. Die schleifte sie über den Boden bis ans Bett und präsentierte sie der Freundin mit einem eleganten Hofknicks. Jo riss den Deckel so schwungvoll auf, dass die als Verpackungsmaterial aufgefüllten Holzspäne durch die Kammer flogen.

Obenauf fand sie eine Vielzahl in steifes Papier eingeschlagener, kleiner flacher Scheiben mit einem metallenen Dorn in der Mitte. Rätselnd blickte sie zu Rhapsody auf und sagte dann mit süßlicher Stimme: »O wie schön, genau das, was ich mir schon immer gewünscht habe – Fallen für Kakerlaken.«

Rhapsody lachte. »Da ist noch mehr drin.« Sie schaute Jo dabei zu, wie sie mit den Armen tiefer in die Truhe eintauchte und eine Hand voll Wachskerzen unterschiedlicher Größen und Farben zum Vorschein brachte. »Da du keine Feuerstelle in deiner Kammer hast, dachte ich mir, dass dir damit geholfen sein könnte.«

»Da müssen an die tausend Stück drin sein«, staunte Jo und sah sich eine dieser Kerzen von nahem an.

»Ich habe nie mehr als einen Stummel besessen, und der war nur für den Notfall gedacht. Hab ich einem toten Soldaten aus der Tasche gezogen.« Vorsichtig legte sie die Kerze zurück. »Danke, Rhapsody«, sagte sie mit einem sonderbaren Ausdruck im Gesicht.

»Keine Ursache«, antwortete Rhapsody, gerührt von Jos Miene. Sie hatte den Eindruck, sich selbst in jüngeren Jahren gegenüberzustehen. »Horte sie nicht, gebrauche sie. Wir können jederzeit mehr davon haben. Ich will, dass es um dich herum heller wird, als es bislang war.«

»Weshalb du mich wohl auch in einen Berg geführt hast, wo ich unter Firbolg lebe.« Jo schmunzelte.

»Stecken wir doch gleich welche an.« Sie schwang sich aus dem Bett, und gemeinsam bugsierten sie die Kiste durch den Flur in Jos Kammer.

Als Jo die Tür öffnete, stieß Rhapsody einen spitzen Schrei aus. »Lieber Himmel, was ist denn hier passiert?«, fragte sie erschrocken. »Da ist anscheinend jemand in dein Zimmer eingebrochen und hat deine Sachen durchwühlt. Ich werde sofort Alarm schlagen...«

»Was redest du da?«, fragte Jo irritiert. »Es ist doch alles in Ordnung – genau so wär’s, als ich das Zimmer verlassen habe.«

»Du machst Witze«, entgegnete Rhapsody mit Blick auf das heillose Durcheinander. »Das ist absichtlich so?«

»Natürlich«, antwortete Jo ungehalten. »Weißt du nicht, wie man wichtige Sachen am besten versteckt?«

»Offenbar nicht.«

»So, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht«, sagte Jo und stakte, die Truhe hinter sich herziehend, durch das Wirrwarr am Boden. Sie sprang auf das zerwühlte Bett und machte sich daran, die Kerzen auf die kleinen metallenen Kerzenhalter zu stecken.

»Aber du selbst findest auch nichts wieder«, sagte Rhapsody und sah sich, halb entsetzt, halb amüsiert, im Zimmer um. »Du könntest hier verloren gehen, und wir würden dich nicht wieder finden.«

Vorsichtig stieg sie über einen Berg schmutziger Wäsche und die Reste einer Mahlzeit hin zu einem kleinen Holztisch, auf dem sie Platz nahm, nachdem sie die Schuhe, die darauf lagen, von der Platte gewischt hatte.

»Sei nicht albern«, entgegnete Jo und reichte ihr ein paar Kerzen samt Halter. »Ich weiß ganz genau, was ich wo aufbewahrt habe. Soll ich’s dir beweisen? Nenn mir ein Beispiel.«

»Ach, lassen wir’s lieber.«

»Na los, nenn irgendwas, ich sag dir, wo es ist.«

Rhapsody sah sich in der Kammer um, widmete sich dann den Kerzen und versuchte, eine ernste Miene zu wahren. »Also gut, wo sind deine Handgelenkshalfter?«

Jo warf ihr einen mitleidigen Blick zu und hob die Hände. »Ahem.«

»Nimmst du deine Dolche auch mit ins Bett?«, fragte Rhapsody erstaunt.

»Höchstens zwei«, antwortete Jo und versteckte die Messerscheiden wieder unter den Ärmeln ihres Nachthemds. »Die anderen liegen unterm Kissen versteckt.«

»Gütiger Himmel. Sei’s drum, wo bewahrst du dein Geld auf?«

Jo musterte sie mit kritischem Blick.

»Verstehe«, sagte Rhapsody, »falsche Frage. Nehmen wir was anderes. Wo ist das Buch, das ich dir zum Lesenlernen gegeben habe?«

»Aha!«, triumphierte Jo. Sie sprang aus dem Bett und wühlte sich durch einen Berg aus Kartons, Mänteln und Konservendosen. Nachdem sie weiteres Gerumpel, das der Masse nach in etwa ihrem Körpergewicht entsprach, weggeräumt und mehrere Altkleidersäcke geleert hatte, hielt sie schließlich ein ziemlich ramponiertes Manuskript in den Händen. Sie blies den Staub vom Deckel und ließ es Rhapsody, überheblich lächelnd, in den Schoß fallen.

»Du bist, wie es scheint, eine sehr fleißige Schülerin«, frotzelte Rhapsody.

»Weiter. Frag mich noch was.«

»Nein, es reicht. Ich glaube dir, Jo.«

»Nun mach schon, Rhaps. Ist doch ein schönes Spiel. Frag weiter.«

»Also gut, wo ist deine saubere Unterwäsche?«

»Was verstehst du unter ›sauber‹?«

Rhapsody rümpfte die Nase. »Jetzt bitte ich dich aber. Das versteht sich doch wohl von selbst. Es gibt ›sauber‹ und ›nicht sauber‹. Was sonst?«

»Nun, da gäbe es noch halbwegs sauber«, sagte Jo, ohne mit der Wimper zu zucken. »Also zum Beispiel all das, was erst seit einem Monat oder so getragen wird.«

»Bitte, verschone mich mit weiteren Erklärungen«, flehte Rhapsody. »Du hast gewonnen, Jo. Ich bin von deinem Ordnungssystem vollauf überzeugt und werde es mir ganz bestimmt zU Eigen machen. Hauptsache, wir brechen das Suchspiel an dieser Stelle ab.«