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Genauso, wie er es vorausgesagt hatte, war es nun gekommen.

Zu ihrer Linken fing der Sergeant plötzlich mit seiner tief tönenden Stimme zu schmettern an.

So der kluge Volksmund spricht:

Rache ist ein Kaltgericht.

Doch ich mag es lieber warm.

Und wenn ich komme,

dich zu holen,

fress ich erst mal deinen Arm.

Die nächste Strophe begleiteten tausende heiser grölende Kehlen.

Ich fress dich auf mit Haut und Haar,

egal, ob’s roh ist oder gar;

Nur die Knochen spuck ich aus.

Und kommen uns von euch

noch andere quer,

ist es bald mit denen aus.

Allein das Echo, das von dem Felsen widerhallte, war so wuchtig, dass es Rhapsody aus dem Sattel zu werfen drohte. Es war ein gewaltiges Donnern, das, so lächerlich die Worte an sich auch sein mochten, Angst und Schrecken verbreitete. Rhapsody spürte die unumstößliche Entschlossenheit und Härte in diesen Stimmen.

Aus Furcht und Aufregung liefen ihr prickelnde Schauer über den Rücken. Sie warf einen Blick zur Seite auf Achmed, der ihr aufmunternd zulächelte, dann auf Grunthor, der, kaum dass das Lied zu Ende war, ein weiteres folgen ließ, irgendeine grauenvolle Kriegsballade, die bereits sehr viel finsterer klang. Das Gemetzel an seinen Männern hatte ihn ins Mark getroffen. Er würde sie, wie Rhapsody ahnte, auf entsetzliche Weise rächen. Sie machte sich auf das Schlimmste gefasst. Im Laufe der ersten drei Tage schlössen sich dem ohnehin schon riesigen Heer mehr und mehr Firbolg an. Von nah und fern eilten Mitglieder verschiedener Klans herbei; auch von den Beuschel hatten sich etliche anlocken lassen, nachdem ihnen klar geworden war, dass nicht die Erde selbst bebte, sondern ein Heer vorbeizog, das den ganzen Umkreis erzittern ließ.

Nachts wurde Rast gemacht. Diejenigen, die Wache hielten, ließen riesige Feuer abbrennen und sangen kriegerische Lieder. Rhapsody sah eine gewaltige Rauchwolke den Himmel verhängen, den Feuerschein und bizarre Schatten über die Felswände huschen.

Am Abend des vierten Tages kam es zu kleineren Gefechten. Die Bolg, die nun von den Hügeln herbei gelaufen kamen oder aus den Ruinen der verlassenen Cymrer-Siedlungen auftauchten, hatte nicht etwa die Absicht, sich den rächenden Reihen anzuschließen. Vielmehr versuchten sie, das königliche Heer an seinen Rändern aufzureiben. Doch diese Angriffe wurden an anderer Stelle des Riesentrosses nicht einmal bemerkt und vor Ort niedergeschlagen, ohne dass die Kämpfer ihren Gesang unterbrochen hätten.

Am fünften Tag wurde alles anders.

Im flackernden Schein hoch auflodernder Lagerfeuer hatte Achmed bereits in der Nacht darauf hingewiesen, dass nun das Territorium des Faust-und-Feuer-Klans erreicht sei. Er rechnete zwar nicht damit, dass ein wirklich ernst zu nehmender Gegner gegen sie aufmarschieren würde, doch waren Hinterhalte zu befürchten, denn man hatte es hier mit einem heimtückischen Stamm zu tun. Seine Ahnung sollte sich schon bei Tagesanbruch bestätigen. Dank ihrer von Achmed verordneten Diät aus Wurzeln und Innereien konnten seine Soldaten selbst bei spärlichem Licht so gut sehen, dass sie die Angreifer schon früh erkannten. Sie stürmten in zwei Schlachtreihen aus dem grauen Dunst herbei, wobei die hintere Formation einen weiten Halbkreis bildete und das Gelande – eine nur noch aus wenigen Grundmauern bestehende Ruinenstadt – von drei Seiten umstellte. Die erste Angriffswelle bestand aus losen Truppen, die mit brennenden Fackeln aus den Kellerlöchern der Stadt hervorzubrechen schienen.

»In einer Linie!«, brüllte Grunthor. Rhapsody zügelte ihr Pferd und sah, wie die Armbrustschützen in Stellung gingen und die Front der Angreifer methodisch und präzise mit ihren Geschossen bestrichen. Überall schlugen Flammen auf. Der äußere Ring der feindlichen Truppen hatte große Felder von Öl und Pech in Brand gesteckt, die alle Fluchtwege versperrten und die Luft mit beißendem Rauch füllten.

An Rhapsody gewandt, rief Grunthor: »Sing!«

Von Rauch umhüllt, fächerte sie sich Luft zu und fing zu singen an: das einstudierte Kriegslied, ein Lied, das dem Takt bolgischer Herzen entsprach und deren Blut in Wallung brachte. Es erhob sich ein wildes Geschrei, und angestachelt von ihrem Gesang warfen sich die Kämpfer ins Getümmel. Wie eine schwarze Rauchfahne flog Achmed plötzlich herbei und streckte die Hände nach ihr aus.

»Komm, runter vom Pferd! Wir müssen uns in die Höhle verkriechen, ehe uns das Feuer eingeschlossen hat.«

Er zog Rhapsody aus dem Sattel und hielt sie bei der Hand gefasst. Zusammen rannten sie durch das Gedränge, geduckt den Schwertgefechten ausweichend und über Gefallene hinweg setzend. Wenig später tauchte auch Grunthor auf, die Nasenflügel vor Wut gebläht. Mit Sal, seinem Stangenbeil, schlug er sich eine Schneise durch die Kämpfer der Faust-und-Feuer-Sippe, gesellte sich zu seinen Freunden und schützte Rhapsody mit seiner Waffe vor den Hieben, die ringsum niedergingen.

»Gehn wir jetzt rein?«, fragte er keuchend.

Achmed zeigte auf ein Loch inmitten des fauchenden Infernos. »Dahinten, da ist der Eingang«, sagte er.

Saltar hatte die Augen geschlossen. Seine Hände zuckten nervös. »Sie kommen«, sagte er. Seine Worte hallten von den Wänden der dunklen Höhle wider, dann aber war es still.

Er sperrte die rot geränderten Augen weit auf.

»Hast du nicht gehört? Ich sagte, sie kommen.«

Ein kalter Dunsthauch kühlte seine Stirn, doch er war nicht sicher, ob das Geistwesen dahintersteckte oder ob es daran lag, dass er heftig zu schwitzen angefangen hatte.

Er ist nicht bei ihnen.

Feuerauge langte nach dem Willum-Schwert, seinem zweitkostbarsten Besitz. Er hatte nicht erwartet, von ihm Gebrauch machen zu müssen.

»Was soll das heißen? Natürlich ist er dabei. Sie sind hier, sie kommen.«

Ich sehe ihn nicht. Der, um den es mir geht, ist nicht bei ihnen.

Saltar stieß eine Reihe von Flüchen aus, die selbst für bolgische Geschmacksvorstellungen überaus wüst waren.

»Du musst mir helfen«, sagte er und schnappte nach Luft. »Du musst kämpfen.«

Nur das Echo antwortete.

Achmed hielt vor dem Feuer an. Gleich hinter der Flammenwand hatte sich eine Abteilung Faust-Bolg zusammengezogen, um den Eingang zur Höhle zu bewachen.

Auf ein Zeichen von Achmed hin zog Rhapsody ihr Schwert. Die Tagessternfanfare glitt aus der Scheide und ließ dabei einen Ton erklingen, der sich hell schwingend über den Tumult legte. Rhapsody holte tief Luft und hob die Klinge vors Gesicht. Das letzte Bild, das sie vor sich sah, ehe sie die Augen schloss, war der entsetzte Ausdruck auf den Gesichtern der Gegner, die kurz zuvor noch ein höhnisches Grinsen zur Schau gestellt hatten.

»Slypka«, sagte sie. Erlisch.

Von jetzt auf gleich war die Flammenwand vor ihnen verschwunden.

Mit lautem Gebrüll stürmte Grunthor voran, das Stangenbeil wie eine Sense schwingend, und wer von den Gegnern nicht schnell beiseite sprang, wurde niedergemäht. Es dauerte nicht lange, und der Eingang zur Höhle war frei. Dicht gefolgt von Achmed und Rhapsody stob der Riese geradewegs darauf zu.

Rhapsody bremste kurz ab, um ihr Schwert in die Scheide zurückzustecken. Im Hintergrund waren die stampfenden Laufschritte der Soldaten zu hören, die ihnen in die Höhle folgten. Ihr blieb keine Zeit zu unterscheiden, ob es sich um Kämpfer aus den eigenen Reihen handelte oder nicht.

Vor ihnen versperrten Wachposten den Weg, Faust-Bolg, bewaffnet mit uralten Schwertern und Speeren. Achmed zog das lange dünne Schwert, das Rhapsody ihn im Haus der Erinnerung schwingen gesehen hatte. Sie warf einen Blick über die Schulter zurück.

Im Tunnel hinter ihr waren erbitterte Kämpfe ausgebrochen, Bolg gegen Bolg. Das Blut, das sie verströmten, lief am Boden zu einer großen Lache zusammen. Als sie wieder nach vorn schaute, hatte Achmed die Wachsoldaten bereits außer Gefecht gesetzt.