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Jo stand ebenfalls auf. »Ich geh dann auch.« Sie drückte Rhapsody einen Kuss auf die Wange und folgte dem verhüllten Mann nach draußen.

Rhapsody wartete, bis sie sicher sein konnte, dass die beiden außer Hörweite waren. Dann wandte sie sich an Achmed und fragte: »Was ist nur los mit dir? Warum verhältst du dich so?«

»Was soll schon los sein? Jedenfalls nichts von Bedeutung.«

»Und wieso bist du dann so grantig?«

»Ich bin nicht grantig, sondern nur vorsichtig. Wir wissen schließlich nicht, wie der Hase läuft.«

Rhapsody kniff die Brauen zusammen. »Ashe scheint sich aber auszukennen.«

»Mit dem unbekannten Hasen meine ich Ashe selbst. Ich verstehe dich nicht, Rhapsody. Lernst dieses Früchtchen auf dem Marktplatz kennen; er nennt dich eine Hure, gibt dir dann reumütig ein Mittagessen aus, und du verzeihst ihm, zumal er irgendwie ja doch nicht ganz Unrecht hat. Dann kreuzt er hier auf, an meinem Hof, unangemeldet und ohne willkommen geheißen zu sein, und schleicht sich in dein Vertrauen ein. Ist dir die Gesellschaft der Firbolg so sehr zuwider, dass du um die Aufmerksamkeit eines nutzlosen Idioten buhlst, nur um unter deinesgleichen zu sein?«

Es hätte nicht viel gefehlt, und Rhapsody wäre in Tränen ausgebrochen. Dass er häufig taktlos war, wusste sie längst; aber solche gemeinen Worte hätte sie ihm dann doch nicht zugetraut. »Dass du so etwas Schreckliches sagen kannst...«

»Du hast mit noch viel Schrecklicherem zu rechnen, wenn du dich diesem Mann, den du kaum kennst, anschließen solltest. Ich werde dir nicht helfen können. Du weißt, dass es mir im Augenblick unmöglich ist, Ylorc zu verlassen. Wir stecken bis über beide Ohren in wichtiger politischer Arbeit, von der unser aller Zukunft abhängt.«

Rhapsodys Augen verengten sich wieder, und Grunthor, der sie aus der gegenüberliegenden Ecke des Raums beobachtete, sah grünes Feuer in ihnen brennen. Er kannte diesen Ausdruck.

»Mit anderen Worten, auch ich werde hier bleiben müssen, nicht wahr?«, sagte sie betont ruhig und hatte Mühe, die Stimme unter Kontrolle zu halten. »Dabei habe ich meinen Part zur Vereinigung der Bolg längst geleistet und verflixt viele Opfer dafür auf mich genommen, einzig und allein dir zu Gefallen, weil du es so haben wolltest. Was gäbe es denn jetzt noch für mich zu tun?«

Achmed umklammerte die Armlehnen des Stuhls, auf dem er saß. »Wie wär’s, wenn du dich für den Aufbau der Landwirtschaft stark machtest? Der Gesundheitsfürsorge? An der Entwicklung eines Schulprogramms arbeitetest?«

»All das ist schon angeleiert.«

»Und wer beaufsichtigt die Produktion von Gütern und Lebensmitteln? Den Weinanbau? Bald ist Frühling, da muss gepflanzt werden. Es gäbe so viel, was du tun könntest, um den Bolg, die dir doch angeblich am Herzen liegen, zu helfen.«

»Wäre ihnen nicht geholfen, wenn ich verhindere, dass die Drachenfrau sie mit ihrem heißen Atem bei lebendigem Leib einäschert?«, entgegnete Rhapsody. »Ist dir nicht klar, worum es hier geht? Ich glaube fast, dich bringt mein Begleiter mehr auf als das, was uns droht, wenn ich nicht gehe. Von einem König sollte man eigentlich mehr erwarten, wenn du mich fragst.«

»Wie wär’s, wenn ich dich begleiten würde?«, schaltete sich Grunthor ein.

Rhapsody lächelte dem Riesen zu. »Nein, das wäre nicht gut. Deine Anwesenheit hier ist noch wichtiger als seine.« Achmed nickte zustimmend. Sie sah, dass seine Augen aufleuchteten. Sie ging zu ihm, setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und ergriff seine Hand.

»Unsere Freundschaft ist doch, wie ich finde, inzwischen eng und fest genug, dass wir uns gegenseitig sagen können, was wir wirklich meinen, oder? Warum gibst du nicht einfach zu, dass du dich um mich sorgst? Dass du Angst hast, der Drache könnte mich töten oder gefangen halten? Dass du Ashe nicht über den Weg traust und fürchtest, dass ich mich ohne euch nicht zu schützen vermag?«

Achmed hielt ihrem Blick stand. »Hab ich das nicht gesagt?« Sie schüttelte den Kopf und lächelte.

»Wenn du meine Gedanken kennst, warum bleibst du dann nicht hier und ersparst mir diese Sorge?«

Rhapsody seufzte. »Einer muss gehen, und dass ich diejenige bin, liegt doch auf der Hand. Meine Arbeit hier ist getan. Ich bin am ehesten zu entbehren. Und auch wenn du daran zweifelst: Ich kann sehr wohl auf mich selbst aufpassen. Du scheinst vergessen zu haben, dass ich lange Zeit auf der Straße gelebt habe, bevor wir uns begegnet sind. Ich weiß mich zu wehren, glaub mir. Auch gegen Ashe, falls er mir krumm kommen sollte. Ich trage meine Tagessternfanfare und habe die beste Schwertkämpferausbildung genossen, die man sich wünschen kann.« Sie ahnte, dass Grunthor schmunzelte, wandte sich ihm zu und sagte: »Sag’s ihm, Grunthor, sag ihm, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht.«

»Unmöglich, Herzchen. Ich kann doch meinen König nicht belügen.«

Sie seufzte wiederum. »Sei’s drum. Erinnerst du dich noch an das, was ich damals am Ufer des Sees Elysian gesagt habe, Achmed? Dass ich ein Ziel brauche, eine Chance, etwas zu tun, was denen, die mir nahe stehen, zugute kommt. Dies ist meine Chance. In dieser Angelegenheit bin ich gefordert. Hier ist jetzt mein Zuhause. Ich will, dass es ein sicherer Ort ist, und werde einiges dafür auf mich nehmen. Ich kann den Bolg helfen, und zwar anders, als ihr es könnt. Das ist mir wichtig, nicht bloß für mich, sondern vor allem für sie.«

»Dann geh«, sagte Achmed. »Und nimm Jo mit. Wie lange werdet ihr weg bleiben?«

Rhapsody blinzelte mit den Augen. »Jetzt willst du auf einmal, dass ich gehe?«

Er schnaubte. »Sei nicht albern. Von wollen kann keine Rede sein. Aber du bist ja nicht davon abzubringen. Und ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass ich in diesem Streit den Kürzeren ziehen werde. Du hast deinen Entschluss schon gefasst. Was bleibt mir also anderes übrig, als darauf zu achten, dass du dir einen vernünftigen Plan zurechtlegst und alle nötigen Vorbereitungen triffst? Schließlich sollten wir auch noch eine Frist festlegen. Wenn die abläuft und du bist immer noch nicht zurück, werden wir deine Habseligkeiten untereinander aufteilen, dein Zimmer jemand anders geben und dich aus unserer Erinnerung streichen.«

Rhapsody fuhr sich mit der Hand durchs Haar und versuchte, die plötzliche Kehrtwende nachzuvollziehen. »Na schön«, sagte sie zögernd. »Aber Jo bleibt hier. Sie mitzunehmen ist keine gute Idee.«

»Sie könnte auf dein Gepäck aufpassen und stünde uns hier nicht im Weg.«

»Aber ich will sie nicht in Gefahr bringen, Achmed«, sagte Rhapsody verärgert. »Endlich habe ich’s geschafft, das Mädchen in Sicherheit zu bringen, und du willst, dass ich sie quer über den Kontinent in eine Drachenhöhle scheuche? Nein, da wird nichts draus. Und überhaupt, dass sie ein loses Mundwerk hat und geschwätzig ist, brauche ich dir ja wohl nicht zu sagen. Womöglich verplappert sie sich und erzählt Ashe oder sonst jemandem mehr über unseren Berg, als uns lieb sein könnte.«

»Apropos Ashe«, sagte Grunthor. »Vielleicht solltest du ihn von vornherein warnen. Wenn er dir was antut oder dich nich mehr zu uns zurückkommen lässt, werd ich mich persönlich auf den Weg machen und ihm ein Ende bereiten, das mir einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle der übelsten Folterer aller Zeiten sichert.«

Rhapsody lachte. »Das werde ich ihm ausrichten.« Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Backe.

Fünf Tage später trat sie mit Ashe die Reise an. Sie war in diesen letzten Tagen sehr viel mit Jo zusammen gewesen, die sich verzweifelt darum bemüht hatte, mitkommen zu dürfen, aber schließlich dann doch überzeugt werden konnte, in Grunthors Obhut zurückzubleiben.

»Soll ich denn nich nur die Gräfin, sondern auch noch meine kleine Kratzbürste verlieren? Oh, bitte nein. Hab ein Herz, Jo. Ich würd mich vor Einsamkeit in die dunkelste Ecke verkriechen und sterben.«

»Die Bitte kannst du ihm einfach nicht abschlagen«, hatte Rhapsody daraufhin gesagt, die Schwester in den Arm genommen und ihr ins Ohr geflüstert: »Und pass auch auf den anderen auf. Er hat’s noch nötiger.«