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Auch Gwydion erhob sich. Gewöhnlich hatte er mit Frauen nicht viel im Sinn. Sie waren ihm fremd, zumal er ohne Mutter groß geworden war. Aber dieses Mädchen interessierte ihn. Er war fasziniert von ihr, vor allem von den klugen, rätselhaften Augen. Aber vielleicht war er auch nur deshalb so von ihr angetan, weil sie als einziges Mädchen weit und breit seine Hautfarbe hatte. Wie auch immer, er konnte den Blick kaum von ihr abwenden und hoffte inständig, dass sie nicht wegging.

»Warum versteckst du dich? Tanzt du nicht gern?«

Sie wandte sich ihm zu, was bei Gwydion wieder diese eigentümliche Empfindung auslöste, die von seinen Lenden ausging, sich dann rasend schnell bis in den Kopf und in die Hände ausbreitete und dazu führte, dass er zu schwitzen anfing.

»Doch, ich tanze sehr gern«, antwortete sie fast wehmütig.

»Na dann, wie wär’s? Ich meine, würdest du auch mit mir tanzen wollen?«, fragte er und geriet über den Klang der eigenen Stimme in Verlegenheit.

Emily schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann nicht«, sagte sie traurig.

»Was ist denn?«

Sie blickte sich wieder um, sah aber nichts, was sie besorgt hätte, und schaute ihm direkt in die Augen.

»Kommt dir all das hier nicht, nun ja, barbarisch vor?«

Gwydion lachte verwundert auf, nahm sich aber sofort wieder zurück, um sie nicht vor den Kopf zu stoßen. »In der Tat«, sagte er, »da ist was dran.«

»Na, dann kannst du dir ja vorstellen, wie ich mich fühle.«

Sein Gefallen an ihr nahm schlagartig zu. Er reichte ihr die Hand und sagte: »Komm mit.«

Nachdem sie sich noch einmal umgesehen hatte, griff sie nach der ausgestreckten Hand und ließ sich von ihm über den Schutt helfen, der sich am Rand der Fässer häufte. Sie gingen ein Stück die Straße hinunter und sahen sich dann nach der Festhalle um. Drinnen wurde offenbar ausgelassen getanzt; muntere Musik und fröhliche Stimmen drangen zu ihnen. Die Nacht war wunderschön, und es wehte ein laues Lüftchen.

Gwydion hatte so viele Fragen, dass er nicht wusste, womit er beginnen sollte, zumal er fürchtete, sie mit seinem Wissensdurst womöglich zu belästigen. Er deutete auf die Ansteckblumen. »Bist du in Begleitung gekommen?«

Emily legte die Stirn in Falten. Als sie aber seinem Fingerzeig folgte, ging ihr offenbar ein Licht auf.

»Nein«, sagte sie lächelnd. »Die sind ein Geschenk von meinem Vater. Und außerdem... zum Vorherbsttanz kommt man als Mädchen nicht in Begleitung. Das wäre nicht im Sinne der Veranstaltung.«

»Verstehe.« Im Licht der Laternen nahm Gwydion die Gelegenheit wahr, Emily ein wenig eingehender zu mustern. Sie trug ein Kleid aus Samt, dunkelblau, wie es schien, und am Hals tief ausgeschnitten. Den Ausschnitt bedeckte ein Busenstreif, dessen Muster der Borte am Saum entsprach und mit einer Reihe kleiner silberner Knöpfe verziert war. Ein dazu passendes Band fasste die Haare der Schläfen am Hinterkopf zusammen, damit sie ihr nicht ins Gesicht fielen.

Dass sie von lirinschem Blut war, zeigte sich am deutlichsten an ihrem schlanken Wuchs und der Feingliedrigkeit. Dabei war sie nur eine Handbreit kleiner als er. Abgesehen von den Schwielen an den Händen und einer kleinen Narbe am Handgelenk, deutete bei ihr nichts daraufhin, dass sie wie andere Bauernmädchen körperlich schwer arbeiten musste. Stattdessen strahlte sie eine Würde aus, die sich mit ihrer Jugend gar nicht so recht zu vertragen schien. Er wünschte, den Teint ihrer Haut und die wunderschönen dunklen Augen besser sehen zu können, doch dazu reichte das Licht nicht.

Zum ersten Mal war er wahrlich dankbar dafür, dass ihn sein Vater mit Nachdruck dazu angehalten hatte, Cymrisch zu studieren. »Was hast du jetzt vor? Zum Feiern hast du ja anscheinend keine Lust.«

Emily schaute zur Festhalle zurück. »Vielleicht sollte ich einfach warten, bis mein Bruder kommt und mich abholt«, antwortete sie, und ihre Stimme klang ein wenig betrübt.

»Ist doch ziemlich traurig, einen so schönen Sommerabend mit Warten zu verbringen.«

»Nun, es gibt verschiedene Grade von Traurigkeit und gewiss Schlimmeres als langes Warten.«

Gwydion nickte verständnisvoll. Er vermutete, dass ihre Familie besser gestellt war als die anderen, da sich die Tochter Kleiderschmuck leisten konnte. Gleichwohl würde sie in den Kreisen seiner eigenen Familie als armes Mädchen vom Lande angesehen. Der gute Stand ihrer Familie und ihr blendendes Aussehen machten sie anscheinend zum begehrten Ziel für die jungen Jäger in der Festhalle. Im Unterschied zu den anderen Mädchen hatte sie aber offenbar keine Lust, sich einfangen zu lassen, und das gefiel Gwydion an ihr.

»Ich habe eine Idee«, sagte er und ließ seinen Blick schweifen. »Nicht weit von hier ist eine offene, ebene Fläche. Bis dahin trägt die Musik allemal. Wir könnten dort ein Tänzchen wagen – oder zwei. Nur wenn du willst, versteht sich.« Die Anstandserziehung, die man ihm über viele Jahre hatte angedeihen lassen, machte ihn so befangen, dass er sich fast verhaspelte.

Aber dann sah er zu seiner Erleichterung, wie Emilys Gesicht sich aufhellte. »Eine schöne Idee«, rief sie. »Ich bin einverstanden.«

Er gab ihr wieder die Hand, überquerte mit ihr die Straße und führte sie über einen Acker auf ein kleinen Wiesenfleck zu, den er zuvor ausfindig gemacht hatte. Als sie dort ankamen, ging gerade eine Mazurka zu Ende. Betreten schweigend standen sie für eine Weile einander gegenüber. Endlich setzte die Musik wieder ein. Gwydion schlang seinen Arm um ihre Taille – und drohte aus dem Gleichgewicht zu geraten, so heftig war das Prickeln, das ihm durch die Finger und den Arm bis in den Kopf fuhr. Er nahm ihre Hand, die den Saum des Kleides gerafft hielt, und drehte sich mit ihr im Rhythmus der Musik im Kreise.

Schon bald gab es ein Problem. Der Tanz war zwar ganz einfach, aber die beiden hatten offenbar auf unterschiedliche Weise zu tanzen gelernt mit dem Ergebnis, dass Emily ihm bei jedem vierten Schritt auf die Zehen trat und darüber in große Verlegenheit geriet. Gwydion versuchte darüber hinwegzusehen, aber es passierte immer wieder, sodass sie schließlich entnervt stehen blieb.

»Entschuldigung«, sagte sie und wandte sich ab. »Ich bin ein Trampel. Es wäre wohl besser, du suchst dir eine andere Partnerin.«

Gwydion legte ihr eine Hand auf die Schulter und drehte sie zu sich herum. »Was redest du da? Ich bin es doch, der nicht tanzen kann. Bitte tu nicht so.«

»Wie bitte?«

»Tu nicht so, als wäre ich einer von denen.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung Festhalle. »Ich fühle mich wohl in deiner Gesellschaft, Emily, und du bist alles andere als ein Trampel. Welcher Tanz kommt wohl als Nächstes?«

Emily lächelte wieder. »Wahrscheinlich ein Freiersreigen.«

»Versuchen wir’s noch mal? Ich glaube, ich schaff’s jetzt.«

Sie nickte. Gwydion bemerkte, dass er immer noch ihre Hand umfasst hielt, und weil sie nichts dagegen zu haben schien, ließ er sie nicht los und wartete mit ihr auf den nächsten Tanz. Als die Musik wieder aufspielte, beschränkte er sich auf die Grundschritte und verzichtete auf all das, was er bei Hofe an eleganten Verzierungen gelernt hatte. Die beiden harmonierten nun schon sehr viel besser miteinander, und er sah, wie sie in Hochstimmung geriet, während er mit ihr, von der Musik begleitet, übers Feld schwebte. Ihre Augen strahlten vor Vergnügen, so als leuchteten sie von innen heraus.

»Emmy, was treibst du da draußen? Komm endlich rein.«

Sie wirbelte herum. Gwydion blickte über sie hinweg und entdeckte mehrere junge Leute, die am Feldrand standen und ihnen zusahen. Der Sprecher war ein dunkelhaariges Halbblut, vermutlich ihr Bruder. Er war in Gesellschaft von zwei jungen Frauen und jenem Burschen, der schon vor einiger Zeit nach Emily Ausschau gehalten hatte. Sie alle machten kein Hehl daraus, wie ungehalten sie waren.

»Man wartet auf dich, Emmy. Du hast schon drei Tänze ausgelassen, und dein Los ist mittlerweile für die Katz. Komm endlich.«