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»Du irrst dich. Du gehörst nicht zu meiner Gruppe. Ich habe allen Kajüten zugeteilt und ...«

»Der Kapitän hat mich hier eingewiesen«, erklärte Fidelma rasch, »und nun will ich dir helfen.«

Erst trat Schweigen ein. Dann stöhnte die junge blasse Schwester laut auf.

»Mach das Licht aus. Ich kann kein flackerndes Licht ertragen. Und geh weg und sag dem Kapitän, ich will allein gelassen werden, damit ich im Dunkeln sterben kann. Ich verlange, daß du weggehst!«

Fidelma holte tief Luft. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, mit einer jammernden eingebildeten Kranken zusammengesperrt zu sein.

»Es würde dir sicher besser gehen, wenn du oben auf Deck wärst statt in dieser Enge hier«, erwiderte sie. »Wie heißt du übrigens?«

»Muirgel.« Die Stimme war kaum mehr als ein Ächzen. »Schwester Muirgel aus Moville.«

Fidelma hatte schon von der Abtei gehört, die der heilige Finnian vor hundert Jahren am Ufer des Loch Cüan in Ulaidh gegründet hatte.

»Nun, Schwester Muirgel, wir wollen sehen, was wir für dich tun können«, sagte Fidelma entschlossen.

»Laß mich in Frieden sterben, Schwester«, jammerte die Kranke. »Kannst du dir nicht eine andere Kajüte für deine Fröhlichkeit suchen?«

»Du brauchst Luft, frische Seeluft«, ermahnte sie Fidelma. »Die Dunkelheit und die stickige Luft in dieser Kajüte machen deine Krankheit nur noch schlimmer.«

Die Gestalt in der Koje würgte jämmerlich und gab keine Antwort.

»Ich habe gehört, wenn man den Blick fest auf den Horizont richtet, hört die Seekrankheit allmählich auf«, riet ihr Fidelma.

Schwester Muirgel versuchte den Kopf zu heben.

»Bitte laß mich einfach in Frieden«, stöhnte sie und fügte bockig hinzu: »Geh weg und ärgere jemand anders.«

Kapitel 4

Fidelma mußte es aufgeben. Es hatte keinen Zweck, mit einer jungen Frau in diesem Zustand ein vernünftiges Gespräch führen zu wollen. Sie fragte sich, ob es noch eine andere Kajüte für sie gäbe. Jede andere wäre besser als eine, in der sie mit jemand eingesperrt wäre, der von weitgehend eingebildeten Ängsten geplagt wurde. Fidelma hatte Mitleid mit jedem, der krank war, aber nicht mit jemand, der sich helfen konnte und es nicht wollte. Sie beschloß, den Kajütenjungen Wenbrit zu suchen und ihm das Problem vorzutragen.

Als sie aus der Kajüte trat, kam Wenbrit gerade die Treppe herunter. Er grüßte sie mit einem Lächeln, und sie bemerkte, daß sich sein Verhalten ihr gegenüber leicht gewandelt hatte. Es war weniger vertraulich und weniger frech als zuvor.

»Verzeihung, Lady.« Fidelma erriet sofort den Grund für sein verändertes Benehmen und unterdrückte ihren Ärger darüber, daß Murchad verraten hatte, wer sie war. »Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte er höflich. »Da du nicht zu den Pilgern aus Ulaidh gehörst, sollst du eine andere Kajüte bekommen.«

Fidelma erkannte das sofort als eine Lüge. Murchad hatte das erst beschlossen, als er wußte, wer sie war. Sie wollte keine besonderen Vorrechte. Doch die Unpäßlichkeit von Schwester Muirgel und die stickige Luft ließen die Vorstellung von einer eigenen Kajüte sehr verlockend erscheinen. Es war ein Zufall, daß ihr gerade das angeboten wurde, was sie suchte.

»Die Schwester, mit der ich die Kajüte teilen sollte, ist ziemlich krank«, gestand Fidelma. »Es wäre sicher schön, wenn ich eine Kajüte für mich allein hätte.«

Wenbrit grinste.

»Seekrankheit, was? Na, der fallen auch die Besten zum Opfer. Sie sah noch ganz gesund aus, als sie an Bord kam. Ich hätte nicht gedacht, daß sie krank würde.«

»Ich hab versucht, ihr zu klarzumachen, daß ihr davon nicht besser wird, wenn sie in einem engen Raum ohne Licht und Luft liegt«, erklärte Fidelma, »aber sie wollte nicht auf mich hören.«

»Auf mich auch nicht, Lady. Aber die Seekrankheit erwischt die Leute auf verschiedene Art.« Wenbrit verkündete seine Philosophie so ernst, als spräche er aus jahrelanger Erfahrung. Dann grinste er. »Warte hier, ich hole deine Plünnen.«

»Meine was?« Dieses unbekannte Wort hörte sie nun schon zum zweitenmal.

Wenbrit setzte eine Miene auf, als belehre er eine ziemlich begriffsstutzige Person.

»Dein Gepäck, Lady. Hier an Bord mußt du dich nun an den Matrosenjargon gewöhnen.«

»Aha. Plünnen. Also gut.«

Wenbrit klopfte an die Tür der Kajüte, die Fidelma gerade verlassen hatte, verschwand darin und kam nach wenigen Augenblicken mit ihrer Tasche zurück.

»Komm mit, Lady. Ich zeig dir deine Kajüte.«

Er stieg die Treppe zum Hauptdeck hoch.

»Befindet sich denn die Kajüte nicht auf diesem Deck«, fragte Fidelma, während sie ihm folgte.

»Es ist eine Kajüte im Vorderdeck frei. Die hat sogar Tageslicht. Murchad meinte, die wäre besser geeignet für .« Der Junge unterbrach sich.

»Und was hat Murchad gesagt?« fragte sie und kannte die Antwort schon.

Der Junge sah verlegen drein.

»Das soll ich dir nicht verraten.«

»Murchad hat einen großen Mund.«

»Der Kapitän möchte es dir nur recht bequem machen, Lady«, erwiderte Wenbrit leicht gekränkt.

Fidelma legte ihm die Hand auf den Arm. Sie sprach mit Entschiedenheit.

»Ich habe deinem Kapitän gesagt, daß ich keine besonderen Vorrechte möchte. Auf dieser Fahrt bin ich weiter nichts als eine Nonne. Ich möchte nicht, daß die anderen ungerecht behandelt werden. Als erstes hör auf, mich Lady zu nennen. Ich bin Schwester Fidelma.«

Der Junge sagte nichts und blinzelte nur leicht bei ihrem Tadel. Da tat Fidelma ihre kühle Haltung leid.

»Es ist nicht dein Fehler, Wenbrit. Ich habe Murchad gebeten, niemandem etwas zu sagen. Da du es nun weißt, wirst du mein Geheimnis bewahren?«

Der Junge nickte.

»Murchad wollte nur, daß du es bequem hast auf seinem Schiff«, wiederholte er und fügte entschuldigend hinzu: »Es ist auch nicht sein Fehler.«

»Du magst deinen Kapitän, nicht wahr?« Fidelma lächelte bei dem fürsorglichen Ton des Jungen.

»Er ist ein guter Kapitän«, erwiderte Wenbrit kurz. »Hier lang, Lady ... Schwester.«

Er führte sie über das Hauptdeck und an dem hohen Eichenmast vorbei, an dem das große Ledersegel noch im Winde schlug. Sie blickte empor und sah, daß auf die Vorderseite des Segels ein großes rotes Kreuz gemalt war, dessen Mitte von einem Kreis umschlossen wurde.

Der Junge bemerkte ihren Blick.

»Der Kapitän hat das aufmalen lassen«, erklärte er stolz. »In letzter Zeit fahren wir so viele Pilger, daß er meinte, das sei angebracht.«

Er ging weiter, und Fidelma folgte ihm zum hohen Bug des Schiffes, über den der schrägstehende Mast zum Himmel ragte, der an einer Querrahe das Steuersegel trug. Es war kleiner als das Großsegel und half den Kurs des Schiffes halten. Der Bug des Schiffes war ebenso wie das Heck erhöht und schuf damit Raum für Kajüten auf der Höhe des Hauptdecks. Wie am Heck führten einige Stufen zu dem Deck über ihnen. Zu beiden Seiten des Eingangs zu diesen Kajüten gab es viereckige vergitterte Öffnungen zum Hauptdeck.

Wenbrit öffnete diese Eingangstür und ging hinein. Fidelma folgte ihm und befand sich in einem kleinen Korridor mit drei Türen, eine rechts, eine links und eine geradezu. Der Junge öffnete die Tür zur Rechten, an Steuerbord - diesen Ausdruck hatte sich Fidelma gemerkt.

»Da sind wir, Lady«, verkündete er fröhlich und ließ sie eintreten.

Im Vergleich zur Helligkeit an Deck war auch diese Kajüte noch düster, aber nicht so sehr wie die erstik-kenden Kajüten unter Deck. Das vergitterte Fenster besaß einen Leinenvorhang, der Abgeschiedenheit gewährte, aber zurückgezogen werden konnte, um mehr Licht hereinzulassen. Die Ausstattung bestand aus einer einzelnen Koje, einem Tisch und einem Stuhl. Das war spärlich, aber hinreichend, und wenigstens hatte sie frische Luft. Fidelma sah sich anerkennend um. Das war mehr, als sie erwartet hatte.