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»Wer schläft hier sonst?« fragte sie.

Der Junge setzte ihre Tasche auf der Koje ab und zuckte die Achseln.

»Manchmal haben wir besondere Passagiere«, wehrte er ab.

»Wer schläft in der Kajüte auf der anderen Seite?«

»An Backbord? Das ist Gurvans Kajüte«, antwortete der Junge. »Er ist der Steuermann, ein Bretone.« Er wies zum Bug, wo sie die dritte Tür gesehen hatte. »Der Abort ist da vorn, dort ist ein Eimer drin.«

»Benutzt den jeder?« fragte Fidelma und rümpfte leicht die Nase bei dem Gedanken, wie viele Menschen auf dem Schiff waren.

Wenbrit grinste, als er merkte, warum sie fragte.

»Hier ist die Benutzung begrenzt. Ich sagte schon, daß es noch einen Abort im Heck gibt, also solltest du nicht zu oft gestört werden.«

»Wie sieht es mit Waschen aus?«

»Waschen?« Der Junge runzelte die Stirn, als habe er daran noch nie gedacht.

»Wäscht man sich denn nicht an Bord dieses Schiffes?« hakte sie nach. Wie die meisten Leute ihres Standes war Fidelma gewohnt, abends ein Vollbad zu nehmen und sich morgens kurz zu waschen.

Der Junge grinste verschmitzt.

»Ich kann dir jeden Morgen einen Eimer Seewasser zum Waschen bringen. Aber wenn du baden meinst . Also wenn wir im Hafen liegen oder die See ruhig ist, kannst du außenbords ein Stück schwimmen. Bäder haben wir nicht auf der >Ringelgans<, Lady.«

Fidelma nahm das resigniert hin. Von ihren früheren Seereisen her hatte sie vermutet, daß Waschen an Bord keinen hohen Stellenwert besaß.

»Darf ich dem Kapitän sagen, daß du mit der Kajüte zufrieden bist, Lady?«

Fidelma verstand, daß der Junge besorgt war. Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.

»Ich sehe den Kapitän beim Mittagessen.«

»Aber die Kajüte?« fragte der Junge nach.

»Sie ist sehr zufriedenstellend, Wenbrit. Aber bemüh dich bitte, mich vor den anderen mit Schwester anzureden.«

Wenbrit legte die Hand zum Gruß mit den Knöcheln an die Stirn und grinste. Dann sauste er davon zu seinen anderen Pflichten.

Fidelma schloß die Kajütentür und schaute sich um. Das sollte also ihr Zuhause für die nächste Woche sein, vorausgesetzt, sie bekämen günstigen Wind. Es war gut zwei Meter lang und anderthalb Meter breit. Der Tisch, erkannte sie nun bei näherem Hinsehen, war eine klappbare Holzplatte an der Wand. In einer Ecke stand ein dreibeiniger Schemel, in einer anderen ein Eimer voll Wasser. Das war wohl zum Trinken oder Waschen gedacht. Sie probierte es mit dem Finger - es war Süßwasser, nicht Seewasser, also zum Trinken. Das Fenster in Brusthöhe ging auf das Hauptdeck hinaus. Es war etwa fünfzig Zentimeter breit und dreißig hoch und besaß zwei Stäbe. Eine Laterne hing an einem Metallhaken in einer Ecke, Zunderbüchse und Kerzenstummel lagen auf einem schmalen Wandbrett darunter.

Die Kajüte war gut eingerichtet.

Einen Moment fühlte sie sich schuldig, als sie an die Mönche und Nonnen dachte, die in stickige, lichtlose Kajüten unter Deck gepfercht waren. Doch das ging vorüber, und sie war dankbar, daß sie auf der Fahrt wenigstens frische Luft genießen konnte und ihr Quartier nicht mit jemandem teilen mußte.

Sie holte ihre Kleidung zum Wechseln aus der Tasche und hängte sie an den Haken an der Wand auf. Im Gegensatz zu manchen Frauen führte Fidelma keine Mittel zur Hautpflege mit sich - zum Beispiel roten Beerensaft zum Färben der Lippen -, wohl aber einen ciorbholg, eine Tasche für Kämme und Spiegel. Fidelma hatte gewöhnlich zwei verzierte Knochenkämme bei sich, nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern weil es bei ihrem Volke Brauch war, das Haar gut zu pflegen und nicht verfilzen zu lassen. Schönes Haar wurde sehr bewundert.

Wie die meisten Frauen ihres Standes schnitt und rundete Fidelma ihre Fingernägel sorgfältig, denn es galt als unanständig, eingerissene Nägel zu haben, doch ging sie nicht so weit wie manche, die sie rot färbten. Ebensowenig benutzte sie den Saft schwarzer oder blauer Beeren, um ihre Augenbrauen oder Lider dunkel zu färben. Sie rötete auch nicht ihre Wangen durch den Saft der Zweige oder Beeren des Holunders. Sie nahm ihre Körperpflege ernst, aber sie veränderte ihr natürliches Aussehen nicht.

Nun packte sie ihre ciorbholg aus und stellte sie auf den Tisch. Der sperrigste Teil ihres Gepäcks waren zwei taigh liubhair, kleine Bücher in Taschen. Als die irischen Mönche und Nonnen in den früheren Jahrhunderten begonnen hatten, auf die peregrinatio pro Christo zu gehen, hatten die gelehrten Schreiber in Irland erkannt, daß diese Missionare und Pilger liturgische Werke und religiöse Schriften brauchten, mit denen sie das Wort vom neuen Glauben unter den Heiden verbreiten konnten, und daß solche Bücher so klein sein mußten, daß sie sie bei sich tragen konnten. Fidelma hatte ein Meßbuch mitgebracht, das vierzehn mal elf Zentimeter groß war. Ihr Bruder, König Colgu, hatte ihr ein zweites Buch gleicher Größe als Lektüre während der langen Reise geschenkt. Es war ein »Leben des heiligen Ailbe«, des ersten christlichen Bischofs von Cashel und Schutzheiligen von Muman. Sorgfältig hängte sie die beiden Buchtaschen mit ihren Kleidern an die Haken.

Dann trat sie zurück, überschaute ihr Werk und lächelte. Vor dem Mittagessen hatte sie nun nichts mehr zu tun. Sie konnte sich in die Koje legen, den Kopf auf die gefalteten Hände, und zum erstenmal, seit sie die Tür von Schwester Muirgels Kajüte vor Cians bittendem Gesicht geschlossen hatte, einen Moment über den außerordentlichen Zufall des Wiedersehens mit ihm nachdenken.

Doch als sie sich dankbar ausstreckte, gab es ein hohes Quieken, und etwas Schweres, Warmes landete auf Fidelmas Bauch. Sie kreischte auf, und ein schwarzes Fellknäuel sprang mit einem weiteren seltsamen Schrei von ihrem Bauch herunter auf den Boden.

Zitternd richtete sich Fidelma auf. Eine schmale schwarze Katze saß da und betrachtete sie mit ihren hellgrünen Augen, und ihr glattes Fell leuchtete in den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen. Sie gab ein leises »Miau« von sich, sah sie prüfend an und leckte dann ruhig eine Tatze, mit der sie sich danach rhythmisch über Ohr und Auge fuhr.

Es wurde außen an der Tür gekratzt, und dann ging sie auf und Wenbrit stand atemlos und besorgt da.

»Ich hörte dich schreien, Lady«, keuchte er. »Was ist?«

Fidelma schämte sich; sie wies auf die Ursache ihres Erschreckens.

»Das Tier hat mich überrumpelt. Ich wußte nicht, daß ihr eine Katze an Bord habt.«

Wenbrit entspannte sich und lächelte breit.

»Das ist die Schiffskatze, Lady. Auf einem solchen Schiff braucht man eine Katze, um die Ratten und Mäuse in Schach zu halten.«

Fidelma erschauerte leicht bei der Vorstellung von Ratten.

Wenbrit beruhigte sie. »Mach dir nichts draus. Sie kommen den Menschen nicht zu nahe, sondern bleiben unten im Kielraum und gehen höchstens an die Vorräte. Mäuseherr hat sie unter Kontrolle.«

Die Katze war inzwischen wieder auf Fidelmas Koje gesprungen, hatte sich fest zusammengerollt und schien zu schlafen.

»Sie fühlt sich hier anscheinend zu Hause«, bemerkte Fidelma.

Der Junge nickte.

»Es ist ein Kater, Lady«, verbesserte er sie. »Ja, Mäuseherr schläft gern in dieser Kajüte. Ich hätte dir das sagen müssen. Mach dir keine Sorgen, ich schaff ihn raus.«

Er trat vor, doch Fidelma hielt ihn zurück.

»Laß ihn in Ruhe, Wenbrit. Er kann die Kajüte mitbewohnen. Ich hab nichts gegen Katzen. Ich hab mich nur erschreckt, als sie ... als er auf mich sprang.«

Der Junge zuckte die Achseln.

»Du brauchst es mir nur zu sagen, wenn er dir lästig wird.«

»Wie nennst du ihn?«

»Luchtighern - Mäuseherr.«

Fidelma sah ihren neuen Reisegefährten lächelnd an.