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Fidelma war knapp achtzehn Jahre alt und noch nie zu einem großen Fest wie dem von Tara gewesen. Sie und ihre Gefährtinnen aus Moranns Rechtsschule schoben sich durch die sich drängende Menge, betrachteten die Stände, an denen Essen und Trinken aller Art verkauft wurde und auch Waren aus fernen Ländern. Ab und zu bestaunten sie die Künste der Clowns und Jongleure, während Musiker und Sänger ein nicht unangenehmes Durcheinander von Tönen hervorbrachten.

Fidelma und ihre Freundinnen blieben vor einem der Jongleure stehen, der neun scharfe kurze Schwerter in den Händen hielt, die er eins nach dem anderen in die Luft warf, wobei er keines auf den Boden fallen ließ, sondern alle auffing und immer wieder emporschleuderte, ohne sich zu verletzen. Das schwirrende Geräusch, das die Schwerter in der Luft erzeugten, erinnerte an das Summen von Bienen.

Brausender Beifall lockte Fidelma und ihre Gefährtinnen an den Rand einer Menge, die einen Rasenplatz umstand, auf dem ein immän-Spiel im Gange war. Jeder Spieler war mit einem hölzernen camän bewaffnet, einem über einen Meter langen Stock aus Eschenholz, der sorgfältig bearbeitet und geglättet war, das untere Ende flach und gebogen. Damit versuchte er einen mit Wolle gefüllten Lederball zu schlagen. Der Name des Spiels bedeutete »Treiben«, während der Stock seinen Namen von dem Wort cam herleitete, das seinen gebogenen Teil beschrieb.

Eine der beiden Mannschaften hatte gerade ein Tor erzielt, und als die jungen Studentinnen sich durch die Menge drängten, begann das Spiel von neuem damit, daß der Ball in der Mitte des Feldes in die Luft geworfen wurde. Die beiden Mannschaften standen an gegenüberliegenden Seiten des ebenen, grasbewachsenen Rechtecks, liefen nun los und bemühten sich, den Ball durch ihre Gegner hindurch in das von zwei Pfosten gebildete schmale Tor zu treiben.

Fidelmas Gruppe wartete, bis noch ein weiteres Tor gefallen war, und setzte dann in bester Stimmung ihren Weg fort. Es war ein glücklicher, sorgloser Tag, obgleich Fidelma im stillen wußte, daß ihr Lehrer, Brehon Morann, hoffte, seine Schülerinnen würden sich nicht nur auf dem Fest vergnügen, sondern auch den großen Debatten über die Gesetze lauschen und so ihr Wissen darüber erweitern. Daran wollte Fidelma gerade ihre Gefährtinnen erinnern, als sie sich in einer Menge wiederfanden, die den Beginn eines Pferderennens erwartete.

Cian war ihr sofort aufgefallen.

Er war nur ein oder zwei Jahre älter als sie und eine glänzende Erscheinung, groß, mit kastanienbraunem bis fast rötlichem Haar. Er hatte ein angenehmes Gesicht, war muskulös, und seine Kleidung verriet einen gewissen Rang. Für das Rennen hatte er sich leicht gekleidet in Hose und Hemd aus Leinen in verschiedenen Farben und einen kurzen Mantel aus gewebter Wolle mit Biberpelzbesatz. Er saß auf einem prächtigen, großartig gebauten Hengst, der wie sein Reiter kastanienbraun war, aber mit einem weißen Fleck auf der Stirn.

Die anderen Reiter, die sich neben Cian aufstellten, nahm Fidelma überhaupt nicht wahr. Sie schaute starr zu ihm auf, seltsam angezogen von seiner Jugend und Vitalität. Als er ihren Blick bemerkte, sah er ihr in die Augen und lächelte. Es war ein warmes, offenes Lächeln.

Dann ertönte der Ruf des Rennleiters, eine Flagge wurde gehoben, flatterte einen Moment über ihren Köpfen und senkte sich plötzlich. Unter den Anfeuerungsrufen der Menge stürmten die Pferde davon.

»Was für ein prächtiger Kerl!« flüsterte Fidelmas Gefährtin Grian. Grian war etwas älter als Fidelma und ihre beste Freundin in der Rechtsschule des Bre-hon Morann. Sie war eine gute Studentin, hatte aber einen frivolen Zug und schätzte den Genuß höher als ernsthaftes Studium, wenn sie zwischen beiden zu wählen hatte.

Gegen ihren Willen wurde Fidelma rot.

»Wen meinst du?« fragte sie möglichst harmlos.

»Den jungen Mann, mit dem du eben ein Lächeln getauscht hast«, neckte sie Grian.

»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, antwortete Fidelma und lief noch röter an.

Grian wandte sich an einen kleinen älteren Mann, der einen bestimmten Reiter angefeuert hatte.

»Weißt du, wer die Reiter sind?« fragte sie ihn.

Der Mann hörte mit seinem Rufen auf und sah sie erstaunt an.

»Würde ich denn auf das Ergebnis des Rennens wetten, wenn ich das nicht wüßte?« erwiderte er.

»Namen der Reiter, die Pferde und ihre Form, das ist das erste, wonach ich mich erkundige, bevor ich überhaupt herkomme.«

Grian lächelte einnehmend. »Dann kannst du uns vielleicht sagen, wie der Braune mit der weißen Blesse auf der Stirn heißt und wer ihn reitet?«

»Der junge Mann in dem roten Mantel?«

»Ja, genau der.«

»Ganz einfach. Der Braune heißt Diss .«

Hier mischte sich Fidelma ein. »Diss? Aber das bedeutet doch >schwach< oder >gebrechlich<?«

Der Mann tippte sich an die Nase und lächelte schlau: »Weil das Pferd eben alles andere als schwach oder gebrechlich ist.«

Diese Logik verwirrte Fidelma.

Grian ließ sich nicht ablenken und drängte: »Wie heißt also der Reiter?«

»Dem Reiter gehört auch das Pferd«, erwiderte der Mann. »Er heißt Cian.«

»Ein Häuptlingssohn, dem Aussehen nach«, bemerkte Grian verschmitzt.

Der Mann schüttelte den Kopf. »Nicht daß ich wüßte. Er ist aber ein Krieger, er dient in der Leibgarde des Großkönigs.«

Grian warf Fidelma einen triumphierenden Blick zu.

Die Anfeuerungsrufe wurden immer lauter, und das Donnern der Hufe kam wieder näher. Die Reiter hatten die Rundstrecke beinahe zurückgelegt und näherten sich dem Zielpfosten.

Fidelma beugte sich vor, um das Feld zu sehen.

Der große Braune lag dicht hinter der führenden weißen Stute, und sein Reiter beugte sich tief über den Pferdehals. Beifall brandete auf, als Cian und sein Pferd Diss weiter aufholten, aber sie wurden von der weißen Stute und ihrem Reiter ganz knapp geschlagen.

Fidelma fühlte sich vorwärtsgeschoben, als die Menge an den Sieger herandrängte. Grian hing an ihrem Arm, und sie merkte, daß ihre Gefährtin sie ebenso nach vorne schob wie der Druck der Menge. Grian steuerte sie aber nicht auf den Sieger zu, sondern dort hin, wo Cian von seinem Hengst stieg.

»Was machst du denn?« protestierte Fidelma.

»Du willst ihn doch kennenlernen, nicht wahr?« erwiderte ihre Freundin selbstsicher.

»Nein, ich ...« Aber ehe sie weitere Einwände erheben konnte, befand sie sich schon in einer kleinen Gruppe, die den hübschen jungen Reiter bedauerte, weil er so knapp geschlagen worden war.

Cian lächelte freundlich und nahm ihre Komplimente entgegen. Als er Fidelma und ihre Gefährtin erblickte, wandte er sich ihnen mit einem breiten Lächeln zu. Mit hochroten Wangen senkte Fidelma den Blick und war wütend, weil sie in solch eine peinliche Situation geraten war.

Cian nahm die Zügel über den Arm und kam auf sie zu.

»Hat den Damen das Rennen gefallen?« erkundigte er sich. Fidelma fiel sofort auf, daß er eine angenehme, klangvolle Tenorstimme besaß.

»Ein großartiges Rennen!« antwortete Grian für sie beide. »Aber meine Freundin wunderte sich, daß dein Pferd Diss heißt. Deswegen wollte sie dich unbedingt treffen«, fügte sie mit mutwilligem Humor hinzu.