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Das Mädchen muss verrückt sein, dachte John Williams. Sie lächelte ein bisschen verlegen, sah ihm aber immer noch mitten ins Gesicht, sodass man nicht direkt sagen konnte, sie wüsste nicht, was sie tat. Zog jetzt ihre Strümpfe aus, ihren Unterrock. Atmete noch einmal tief durch, hob dann mit nervösen Fingern ihr Hemd hoch und streifte es schnell über den Kopf.

Jane Gowers stand siebzehnjährig und splitternackt vor dem verblüfften Schotten. Warum guckte er nur so dumm? Gut, es war keine ehrbare Hausfrau da, die ihn, John, sie, Jane, nackt sehen ließ. Aber es war ja auch weit und breit kein rechtschaffener Mann in Sicht gewesen, als sie, Jane, ihn, John, im Fluss gesehen hatte. Man war eben nicht in Utopia.

Aber äußern könnte er sich doch eigentlich trotzdem!

Jane zögerte plötzlich. Gefiel ihm am Ende nicht, was er sah? Gefiel sie ihm nicht so gut, wie er ihr gefallen hatte? Sie schloss vor Scham und Angst die Augen. Würde er sie abweisen? Davon stand nichts bei Morus. Überhaupt nichts davon, wie es weiterging. Langsam hob sie die Arme über den Kopf, streckte sich. Ihre kleinen Brüste traten hervor, ihr Rücken bog sich wie eine Weidenrute. Zögernd, unsicher, drehte sie sich um. Vielleicht wollte er sie ja erst mal von allen Seiten sehen?

Nie war sie sich ihres Körpers, ihrer Arme, Schultern, Brüste, Hüften und Schenkel bewusster gewesen als bei dieser langsamen Drehung, Bewegung, nackt, am Ufer des Tyne. Sie spürte, dass es zu regnen begann, spürte kleine kitzlige Regentropfen an Stellen, wo sie noch kein Regen berührt hatte. Und Jane bekam überall eine Gänsehaut.

John spürte nichts vom Regen. Hätte auch nichts gespürt, wenn er in einem Orkan gestanden hätte. Starrte nur auf das nackte Mädchen, das ihm plötzlich viel schöner erschien als vor fünf Minuten. Ja, sie war klein und wahnsinnig, ihre Beine waren dünn, die Arme zu lang. Man konnte ihre Rippen zählen, unter den winzigen Brüsten mit den dunklen, harten Spitzen. Aber ihr Bauch wölbte sich verheißungsvoll ein wenig vor, beschattete ihren Schoß, einen kleinen Busch schwarzer Haare, in den schamlos der Wind griff. Ihr Hintern war klein und rund. Saß hoch auf den Schenkeln, zuckte ein wenig, zog sich zusammen, als sie sich drehte.

John Williams aus Skye hatte schon einige Erfahrungen gemacht. Mit Huren aus Edinburgh und aus Dunbar, mit der Frau eines Bergmanns, bei dem er als Kostgänger gelebt hatte, und mit einem Bauernmädchen aus Skye, das seine Brüder ihm aufgedrängt hatten. Er hatte vollere Brüste gesehen, hübschere Gesichter, strammere Schenkel, verheißungsvollere Münder. Aber er war auch erst vierundzwanzig Jahre alt.

Siehe, meine Freundin, du bist schön und lieblich. Unser Lager ist grün.

26.

Im strömenden Regen stiegen sie in den Fluss.

Sie sagte: »Ich kann nicht schwimmen.«

Er sagte: »Es ist nicht tief.«

Ihre ersten Worte.

Sein erstes Versprechen.

Und es war nicht tief, nicht für John Williams. Jane Gowers wäre allein ertrunken. Sie klammerte sich an seinen Nacken, seine Schultern, sie spürte die Muskeln, von denen sie einen halben Sommer lang geträumt hatte. Ihre Lippen zitterten, als sie seine Hand unter ihren Hinterbacken fühlte und hochgehoben wurde, bis ihre Köpfe auf einer Höhe waren.

Er hielt sie mit einem Arm, als sei sie ein Kind. Teilte mit dem anderen das Wasser, trotzte der Strömung, dem Fluss, der ihn zerrte und stieß. Seine Füße wühlten im Kies des Flussbetts nach Halt, mit seinem ganzen Körper zerteilte er die stetige, ewige Kraft des Tyne. Fühlte die Hitze ihres Schoßes an seiner Hüfte und plötzlich die Kälte des Wassers nicht mehr.

Als Jane seine Erektion spürte, erschrak sie, aber er lächelte und küsste den Schrecken aus ihren Augen. Wie warm dieser fremde Körper war! Sie streichelte seine Brust, seinen Bauch, tastete abwärts und dachte: Es wird nicht gehen, er wird mich zerreißen. Aber unwillkürlich rieb sie sich ein wenig an seiner Seite.

Mit jedem Schritt, den er höher hinauf auf die Sandbank kam, wurde das Mädchen auf seinem Arm, seiner Hand schwerer. Zuerst griff er fester zu, so fest, dass sie kurz aufschrie. Da nahm er sie lieber in beide Arme und hob sie so hoch, dass er die kleinen, kalten Brüste küssen konnte.

Jane wehrte sich nicht, als er sie auf die Sandbank trug. Sie wusste aus ihren Büchern, was er dort tun würde. Spreizte willig die Beine und fühlte seine große, vorsichtig tastende Hand zwischen ihren Schenkeln. Schloss die Augen und hoffte, was alle siebzehnjährigen Mädchen hoffen, gehofft haben und hoffen werden: dass auch er wusste, was er tat. Und was es hieß.

27.

Im bequemsten Sessel der Passagiermesse auf dem zweiten Quarterdeck saß John Gowers mit einer der bis zu vier Wochen alten Ausgaben der Londoner Times, und nur die dichten Rauchwolken, die mit schöner Regelmäßigkeit hinter der Zeitung aufstiegen, verrieten, dass der Mann noch am Leben war. Und es offensichtlich genoss.

Es war weit nach Mitternacht, und die wenigen Messebesucher rückten im Schein der Petroleumlampen zu einer Partie Whist zusammen. Nur der Investigator hatte eine Wandlampe für sich allein. Zuerst hatte er den Ansagen und Kommentaren dieses typischsten aller englischen Kartenspiele mit fast melancholischem Behagen zugehört, sich dann aber tief in seine eigenen Überlegungen fallen lassen.

Der junge Lord Eden, der zusammen mit einem behäbig wirkenden Kaufmann aus Bristol und dem Ersten Offizier Edward Bell einige Leutnants und Hauptleute des 16. Füsilierregiments zu Fuß ausnahm, beobachtete Gowers schon eine ganze Weile und beugte sich in einer Spielpause flüsternd über den Kartentisch: »Ein Pfund, Gentlemen, auf die Zeit, die vergeht, bis Mr. Thompson das erste Mal umblättert! Wer ist dabei? Merriwell?«

Aus flinken, schlauen Äuglein, die überhaupt nicht zu dem Gesicht passen wollten, das von zwei fleischigen Wangen beherrscht wurde, warf der Kaufmann einen Blick auf den rauchenden Zeitungsleser in seiner Ecke.

»Ich sage: drei Minuten.«

»Ich sage: vier.« Der Erste Offizier legte eine Pfundnote auf den Tisch, und zwei der tapferen Füsiliere gingen mit.

»Wo bleibt Ihr Sportsgeist, meine Herren?«, sagte Lord Eden. »Sagen Sie dreieinhalb, viereinhalb, fünf, damit wir einen Sieger haben!«

Die Soldaten taten ihm den Gefallen, nur ein jüngerer Offizier mit auffallend roten Ohren sagte: »Lasst doch den Mann in Ruhe, der hat es schwer genug!«

»Und du hättest gern seine Schwierigkeiten, was, Carver? Zumindest einen Teil davon!«, höhnte ein anderer.

»Ruhig, Gentlemen«, sagte Eden. »Wir tun dem Mann ja nichts.«

»Wann gilt es?«, fragte Merriwell ungeduldig. »Ich verkürze auf zwei, schließlich reden wir hier schon eine Minute.«

»Ab jetzt«, sagte Eden und legte seine Taschenuhr auf den Tisch.

»Was sagen Sie eigentlich, Mylord Eden?« Der Kaufmann ließ Gowers auch während dieser Frage nicht aus den Augen, als sei er eine überaus wichtige geschäftliche Investition.

Eden war Mitte zwanzig, hatte die tiefliegenden Augen des Morphinisten, ein vorspringendes, energisches Kinn und eine im Gegensatz dazu flache, leicht aufwärtsgebogene Nase. Das gab seinem ganzen Gesicht etwas Eingedrücktes, was vor allem deshalb hässlich wirkte, weil er gleichzeitig die Locken und Lippen eines barocken Amors hatte. Dritter Sohn seines Vaters, Eton und Cambridge; man munkelte von einem Skandal, dessen gesellschaftlichen Folgen er durch eine vorgetäuschte Geschäftsreise nach Kapstadt entzogen werden sollte.

»Ich sage: zehn. Und ich verdopple, was auf dem Tisch liegt, wenn er auch nur die Überschrift eines Artikels kennt. Offenes Spiel, Gentlemen, weitere Einsätze werden jederzeit angenommen.«