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»Wer Intat auch ist, wir gehören nicht zu seiner Schar«, antwortete Fidelma. »Ich bin Schwester Fidelma von Kildare. Mein Gefährte und ich sind auf der Reise zur Abtei Ros Ailithir.«

Die Muskeln im Gesicht der jungen Schwester begannen sich zu entspannen. Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten.

»Sind ... sind sie ... weg?« stieß sie endlich hervor. Ihre Stimme zitterte vor Furcht.

»Anscheinend sind sie fort«, beruhigte Fidelma sie. Sie trat vor und wollte ihr das Baby abnehmen. »Komm, du siehst völlig erschöpft aus. Gib mir das Kind, damit du dich ausruhen und uns erzählen kannst, was passiert ist. Was waren das für Leute?«

Schwester Eisten fuhr zurück, als wolle sie jede Berührung vermeiden. Sie hielt das Baby nur noch fester.

»Nein! Faßt keinen von uns an.«

Fidelma hielt verblüfft inne.

»Was heißt das? Wir können euch nicht helfen, ehe wir nicht wissen, was hier geschieht.«

Schwester Eisten starrte sie aus großen Augen an.

»Die Pest, Schwester«, flüsterte sie. »Wir hatten die Pest in unserem Dorf.«

Der Griff, mit dem Cass unbewußt den noch immer zappelnden Jungen festhielt, verlor plötzlich an Kraft. Cass erstarrte. Der Junge riß sich los.

»Pest?« flüsterte Cass und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Er war sichtlich beunruhigt von der Bestätigung, daß hier die Pest umging.

»Also gab es doch Pest im Dorf?« fragte Fidelma.

»Mehrere Leute starben in den letzten Wochen daran. Mich hat sie Gott sei Dank verschont, aber andere sind ihr erlegen.«

»Sind unter euch welche krank?« fragte Cass eindringlich und musterte besorgt die Kinder.

Schwester Eisten schüttelte den Kopf.

»Intat und seinen Männern war das auch egal. Wir wären alle gestorben, wenn wir uns nicht versteckt hätten .«

Fidelma starrte sie mit wachsendem Entsetzen an.

»Ihr wärt niedergemacht worden, ob ihr nun die Pest hattet oder nicht? Erklär mir das! Wer ist dieser Intat?«

Schwester Eisten unterdrückte ein Schluchzen. Sie war nahe am Zusammenbrechen. »Vor drei Wochen gab es die ersten Pestkranken im Dorf. Die Pest nahm weder auf Geschlecht noch Alter Rücksicht.«

Fidelma ließ den Blick von dem Baby, das nur ein paar Monate alt sein konnte, zu den wohl neunjährigen rothaarigen Mädchen wandern. Der blonde kleine Junge, der Cass entwichen war und sich hinter Schwester Eisten verschanzt hatte, war auch etwa in dem Alter. Die beiden größeren Jungen mit ihren finsteren Gesichtern, ihrem schwarzen Haar und mißtrauischen grauen Augen waren älter. Der eine mochte kaum über zehn Jahre sein, der andere vielleicht vierzehn oder fünfzehn. Sie schienen Brüder zu sein. Fidelma wandte den Blick wieder der molligen, zitternden jungen Nonne zu.

»Du sagtest, dieser Intat kam und tötete die Menschen und brannte euer Dorf nieder, während hier noch viele Leute gesund waren?«

Schwester Eisten schluchzte laut und bemühte sich sichtlich, ihre Gedanken zusammenzunehmen.

»Diese Kinder und ich sind allein von den dreißig Seelen im Dorf übriggeblieben. Wir hatten keine Krieger, die uns beschützten. Hier gab es nur Bauernhöfe. Erst dachte ich, die Angreifer fürchteten, daß die Pest auf die Nachbardörfer übergreifen könnte, und wollten uns in die Berge treiben, damit wir sie nicht ansteckten. Aber dann begannen sie zu töten. Es machte ihnen anscheinend besondere Freude, die kleinen Kinder umzubringen.«

Sie stöhnte leise auf bei der Erinnerung.

»Sind denn alle Männer in dem Dorf der Pest zum Opfer gefallen?« forschte Cass. »Gab es keinen, der euch verteidigte gegen diesen Angriff?«

»Es waren nur wenige Männer, die sich zur Wehr setzten. Was sollten ein paar Bauern gegen ein Dutzend bewaffnete Krieger ausrichten? Sie starben unter den Hieben Intats und seiner Männer .«

»Intat?« fragte Fidelma. »Wer ist dieser Intat, von dem du ständig sprichst?«

»Er ist der Gaugraf dieser Gegend.«

»Der Gaugraf dieser Gegend?« Sie war empört. »Er wagte es, das Dorf mit Feuer und Schwert zu vernichten?«

»Ich konnte ein paar Kinder nehmen und sie und mich im Wald in Sicherheit bringen«, wiederholte Schwester Eisten und schluchzte. »Wir versteckten uns, während Intat sein schlimmes Werk verrichtete. Er steckte das Dorf in Brand und .«

Sie konnte nicht weitersprechen.

»Was für ein großes Verbrechen ist hier begangen worden, Cass?« sagte Fidelma leise und starrte auf die immer noch brennenden Häuser hinunter.

»Hätte nicht jemand zum boaire, zum Bezirksrichter, gehen und Schutz fordern können?« forschte Cass, sichtlich erschüttert von Schwester Eistens Bericht.

Die mollige Nonne verzog bitter das Gesicht.

»Intat ist ja der Richter dieses Bezirks!« rief sie zornig. »Er sitzt im Rat bei Salbach, dem Fürsten der Corco Loigde. Nun habt ihr das Schlimmste gehört, jetzt wißt ihr auch, daß hier die Pest herrschte, also macht euch auf den Weg und laßt uns in den Bergen umkommen.«

Fidelma schüttelte mitleidig den Kopf.

»Unser Weg ist jetzt auch euer Weg«, sagte sie bestimmt. »Ihr kommt mit uns nach Ros Ailithir, denn ich nehme an, diese Kinder haben keine Familie, die für sie sorgt?«

»Nein, Schwester.« Die junge Nonne starrte Fidelma verwundert an. »Ich führte hier ein kleines Haus für die Waisen, die die Pest hinterlassen hat, und dies sind meine Schützlinge.«

»Dann also auf nach Ros Ailithir.«

Cass sah sie besorgt an.

»Es ist ein langer Weg nach Ros Ailithir«, flüsterte er und fügte noch leiser hinzu: »Der Abt wird es dir vielleicht nicht danken, wenn du die Abtei mit der Pest in Berührung bringst.«

Fidelma schüttelte den Kopf.

»Wir alle sind von ihr bedroht. Wir können uns nicht vor ihr verstecken oder sie ausbrennen. Wir müssen Gottes Willen annehmen, ob sie uns nun verschont oder nicht. Es ist schon spät. Sollten wir nicht lieber hier bleiben? Hier haben wir es wenigstens warm.«

Das löste sofort den Protest Schwester Eistens aus.

»Und wenn nun Intat und seine Männer zurückkommen?« jammerte sie.

Cass nickte. »Sie hat recht, Fidelma. Die Möglichkeit besteht. Es ist besser, nicht hier zu bleiben, falls Intat sich in der Nähe aufhält. Wenn er erfährt, daß es

Überlebende gibt, wird er seine Untat vollenden wollen.«

Widerstrebend stimmte Fidelma ihm zu.

»Je schneller wir aufbrechen, desto schneller sind wir da. Wir reiten so weit in Richtung Ros Ailithir, wie wir kommen.«

»Aber Intat hat unsere Tiere weggetrieben«, protestierte Schwester Eisten erneut. »Wir hatten zwar keine Pferde, aber ein paar Esel .«

»Wir haben zwei Pferde, die Kinder können zu zweit oder zu dritt auf ihnen reiten«, versicherte ihr Fidelma. »Wir Erwachsenen müssen zu Fuß gehen und uns beim Tragen des Babys abwechseln. Das arme Ding. Was ist mit der Mutter passiert?«

»Sie war eine von denen, die Intat erschlug.«

Fidelmas Augen wurden stahlhart.

»Er wird sich vor Gericht für diese Untat zu verantworten haben. Als ein boaire muß er die Folgen seiner Handlungsweise kennen. Und vor Gericht wird er kommen!« versicherte Fidelma.

Cass sah mit unverhohlenem Respekt, wie Fidelma ruhig, aber bestimmt die Führung übernahm, die Kinder auf die Pferde setzte und selbst das Baby trug, um Schwester Eisten die Gelegenheit zu geben, sich ein wenig zu erholen. Der jüngere der beiden dunkelhaarigen Brüder schien nicht gewillt, den Schutz des Waldes zu verlassen, zweifellos noch verstört durch das, was er erlebt hatte. Es war sein älterer Bruder, der ihn schließlich mit ruhigen Worten zum Mitgehen überredete. Der ältere Junge lehnte es ab, sich auf ein Pferd zu setzen, sondern lief nebenher mit der Begründung, er nähere sich dem »Alter der Wahl« und sei schon fast erwachsen. Fidelma ließ ihn gewähren. Sie zogen ihren Weg, und Cass hoffte inständig, daß ihnen nicht Intat und seine Bande unterwegs begegneten.