Выбрать главу

Brocc sah düster drein.

»Als das Kriegsschiff anlegte und der Kapitän in die Abtei kam, um mir zu sagen, daß ich als Abt die Verantwortung trage. Danach traf ein Bote aus Cashel ein, der mir mitteilte, daß der neue König von Laigin als Entschädigung Osraige fordert, König Cathal jedoch dich holen lasse, um den Fall zu untersuchen.«

Fidelma lehnte sich zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und dachte einen Moment nach.

»Ist das alles, was du weißt, Brocc?«

»Ja«, bestätigte Brocc feierlich.

»Nun, klar ist nur, daß der Ehrwürdige Dacan ermordet wurde«, faßte Cass verdrießlich zusammen. »Es ist auch klar, daß die Tat in der Abtei begangen wurde. Folglich ist es auch klar, daß die Entschädigung gezahlt werden muß.«

Fidelma betrachtete ihn mit ironischem Blick.

»Ja, das ist unser Ausgangspunkt.« Sie lächelte spöttisch.

Abrupt stand sie auf.

Cass folgte etwas widerstrebend ihrem Beispiel.

»Wie nun weiter, Kusine?« fragte Brocc eifrig und sah Fidelma an.

»Wie weiter? Ich denke, Cass und ich suchen uns etwas zu essen, denn seit gestern mittag haben wir nichts mehr bekommen, und dann müssen wir uns ausruhen. In der Kälte und Nässe des Waldes konnten wir in der letzten Nacht nur wenig schlafen. Nach der Vesper beginnen wir mit unseren Nachforschungen.«

Broccs Augen weiteten sich.

»Beginnen? Ich dachte, ich hätte dir alles berichtet, was wir in der Abtei darüber wissen.«

»Du weißt nicht, wie ein Brehon eine Untersuchung führt«, erwiderte Fidelma. »Egal. Nach und nach werden wir herausbekommen, wer Dacan ermordete und warum.«

»Meinst du, du schaffst das?« fragte Brocc, und ein schwaches Licht der Erwartung glomm in seinen Augen.

»Dazu bin ich hier.« Fidelmas Stimme klang müde.

Brocc nahm eine kleine silberne Glocke vom Tisch und läutete.

Ein feister Mönch mittleren Alters stürzte ins Zimmer. Jede seiner Bewegungen sprach von überschäumender Energie. Die nervöse Unruhe des Mannes verursachte Fidelma Unbehagen.

»Das ist mein fer-tighis, der Verwalter der Abtei«, stellte ihn Brocc vor. »Bruder Rumann wird in allen Dingen für euch sorgen. Ihr braucht ihn nur zu fragen. Ich sehe euch zur Vesper wieder.«

Bruder Rumann geleitete sie aus dem Zimmer des Abts.

»Ich habe von Bruder Conghus gehört, daß ihr angekommen seid, Schwester, und habe im tech-oiged, unserem Gästehaus, Zimmer für euch vorbereitet.« Seine Stimme war ebenso atemlos, wie seine Erscheinung aufgeregt wirkte. »Ihr werdet euch dort sehr wohl fühlen.«

»Und Essen?« erkundigte sich Cass. Als Fidelma erwähnt hatte, daß sie in den letzten vierundzwanzig Stunden kaum etwas gegessen hatten, war ihm der nagende Hunger bewußt geworden, den er verspürte.

Bruder Rumanns Mondgesicht war so voller Falten, daß man kaum erkennen konnte, ob er lächelte oder grollte.

»Eine Mahlzeit steht bereit«, versicherte er. »Ich führe euch sogleich ins Gästehaus.«

»Dasselbe Gästehaus, in dem der Ehrwürdige Da-can wohnte?« erkundigte sich Fidelma. Bruder Ru-mann nickte.

Sie folgten ihm durch die grauen steinernen Abteigebäude, über winzige Höfe und durch dämmrige Gänge.

»Wie geht es Schwester Eisten und den Kindern?« fragte Fidelma nach einiger Zeit des Schweigens.

Bruder Rumann gab einen Laut von sich, der wie das Locken einer aufgeregten Glucke klang. Fidelma mußte plötzlich lächeln, denn genau daran erinnerte sie Bruder Rumann, wie er so mit wedelnden Armen vor ihnen her flatterte.

»Schwester Eisten ist erschöpft und scheint von ihren Erlebnissen zutiefst erschüttert zu sein. Die Kinder sind einfach müde und brauchen vor allem Wärme und Schlaf. Bruder Midach, unser leitender Arzt, hat sie untersucht. Es gibt keine Anzeichen von Krankheiten bei ihnen.«

Bruder Rumann blieb vor der Tür eines zweistök-kigen Gebäudes stehen, das an eine der Hauptmauern der Abtei grenzte und von der mächtigen Mittelkirche durch einen steingeplasterten Hof getrennt lag, in dessen Mitte ein Brunnen stand.

»Dies ist unser techoiged, unser Gästehaus, Schwester. Wir sind stolz darauf. Im Sommer kommen Besucher von überall her zu uns.«

Er riß die Tür auf wie ein Schausteller, der einen schwierigen Trick vor vielen Zuschauern vorführt, und geleitete sie in das Gebäude. Sie betraten eine große Halle, die mit Wandbehängen und Bildern geschmückt war. Eine hölzerne Treppe führte zum oberen Stock hinauf, wo der Verwalter ihnen zwei nebeneinanderliegende Zimmer anwies. Fidelma bemerkte, daß ihre Satteltaschen bereits dort waren.

»Die Zimmer werden hoffentlich bequem genug sein?« fragte Bruder Rumann und wollte schon davoneilen, ohne ihre Antwort abzuwarten. »Für diesmal«, sagte er, »habe ich euer Essen der Einfachheit halber hierher bringen lassen. Von heute abend an werdet ihr die Mahlzeiten aber im Refektorium einnehmen, dem Nachbargebäude. Alle unsere Gäste speisen gewöhnlich dort.«

Fidelma erblickte auf einem Tisch Schüsseln mit dampfender Suppe, einen Holzteller mit Brot und Käse, einen Krug Wein und zwei Tonbecher. Sie spürte, wie ihr das Wasser im Munde zusammenlief.

»Das ist ausgezeichnet«, lobte sie.

»Mein Zimmer liegt unten am anderen Ende des Gästehauses«, fuhr Bruder Rumann fort. »Wenn ihr irgend etwas braucht, findet ihr mich dort. Und mit dieser Glocke«, er wies auf eine kleine bronzene Handglocke auf dem Tisch, »könnt ihr meine Helferin Schwester Necht herbeirufen. Sie ist eine unserer Novizinnen und bedient die Gäste.«

»Noch eins, bevor du gehst«, sagte Fidelma, während Bruder Rumann bereits zur Tür ging. Der füllige Mann blieb stehen und drehte sich fragend um.

»Wie viele Menschen wohnen denn so ungefähr im Gästehaus?«

»Nur ihr selbst. Ach, und dann haben wir Schwester Eisten und die Kinder vorläufig hier untergebracht«, antwortete er.

»Ich habe gehört, die Abtei hätte Hunderte von Schülern«, sagte Fidelma.

Bruder Rumann schnaufte.

»Um die macht euch keine Sorgen. Der Schlafraum der Schüler liegt auf der anderen Seite der Abtei. Wir sind natürlich eine gemischte Gemeinschaft, wie die meisten Abteien. Die männlichen Mitglieder sind bei uns in der Mehrzahl. Ist das alles, Schwester?«

»Für den Augenblick ja«, antwortete Fidelma.

Der Mönch war kaum zur Tür hinaus, als Cass alle Zurückhaltung fahren ließ und sich eine Schüssel mit Suppe heranzog.

»Mehrere hundert Schüler und Mönche und Nonnen«, stöhnte er, als Fidelma sich ebenfalls an den Tisch setzte. »Einen Mörder unter so vielen zu suchen ist, als wollte man am Strand ein bestimmtes Sandkorn finden.«

Fidelma verzog das Gesicht und führte den hölzernen Löffel zum Mund. Sie genoß die Wärme der Suppe.

»So schlecht stehen unsere Chancen vielleicht gar nicht«, sagte sie nach einer Weile. »Das heißt, wenn der Mörder sich noch in der Abtei aufhält. Nach dem, was Brocc sagte, sind seit dem Mord Leute gekommen und gegangen. Wenn ich den Ehrwürdigen Dacan umgebracht hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht hiergeblieben. Aber das hinge davon ab, wer ich wäre und welches Motiv ich für den Mord hätte.«

»Der Mörder könnte in dem Glauben leben, daß er nicht gefaßt wird«, meinte Cass.

»Oder die Mörderin«, ergänzte Fidelma. »Bei allen anderen Fällen, die ich zu untersuchen hatte, gab es immer ein erkennbares Motiv, das sich einem sofort aufdrängte. Hier ist das nicht so. Merkwürdig.«

»Wie meinst du das?«

»Jemand wird tot aufgefunden. Warum? Manchmal handelt es sich um einen Raubmord. Oder die ermordete Person hatte sich verhaßt gemacht. Oder es gab einen anderen naheliegenden Grund, der als Motiv in Frage kommt. Kennen wir das Motiv, können wir uns fragen, wer am ehesten aus dem Verbrechen seinen Nutzen ziehen könnte. Hier fand ein angesehener älterer Gelehrter ein gewaltsames Ende, doch kein Motiv bietet sich an.«