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»Ausgezeichnet. Es gibt ein paar Gegenstände, die ich dir zur Aufbewahrung hierlassen möchte. Sie stellen Beweismittel dar, und ich kann es nicht riskieren, sie mit auf die Reise zu nehmen.«

Brocc wies auf eine große Eichentruhe an der anderen Seite seines Zimmers.

»Sie hat zwei Schlösser«, versicherte er ihr, »und ist ganz sicher. Ich hebe immer die Wertsachen der Abtei darin auf.«

Fidelma nahm ihr marsupium, das sie in letzter Zeit immer bei sich trug, von der Schulter und legte es auf den Tisch. Wortlos langte der Abt unter den Tisch, holte ein Bund Schlüssel hervor, das dort wohl an einem geheimen Haken hing, ging zur Truhe und öffnete sie. Er winkte Fidelma, sie solle ihr marsupium bringen, und verstaute es darin. Sie sah ihm zu, wie er die Truhe wieder schloß und die Schlüssel anhing.

»Sollte Schwester Grella auftauchen, dann möchte ich, daß sie unter Bewachung gestellt wird, bis ich zurückkomme. Ist das klar?« fragte sie Brocc.

Der Abt nickte.

»Komm, wir suchen uns diesen Ross und handeln mit ihm einen Preis für unsere Fahrt aus«, wandte sich Fidelma an Cass.

»Aber wo fahrt ihr hin? Wie lange bleibt ihr fort? Wenn ich Schwester Grella verhaften soll, muß ich doch wenigstens eine Vorstellung davon haben.« Brocc wirkte total verunsichert.

Fidelma blieb an der Tür stehen, und wieder tat ihr ihr Vetter leid, so zerknirscht, wie er war.

»Es ist besser, niemand weiß, wohin wir reisen, bis wir zurück sind. Wenn du Schwester Grella inzwischen zu fassen bekommst, erkläre ihr einfach, sie sei festgenommen als eine wesentliche Zeugin im Mordfall ihres früheren Ehemanns, des Ehrwürdigen Da-can. Mit Gottes Hilfe werden wir zurückkehren, ehe eine Woche vergangen ist.«

Brocc machte vor Schreck ein langes Gesicht.

»Eine ganze Woche wollt ihr wegbleiben?« fragte er. Doch Fidelma und Cass hatten das Zimmer bereits verlassen.

Kapitel 13

»Das ist Na Sceilig. Seht ihr? Dort vor uns am Horizont.«

Das sagte Ross, der auf dem Achterdeck seines Schiffes stand. Er wies über die blaue Fläche des Ozeans. Seine dunkelgrünen Augen, in denen sich die wechselnde Stimmung des Meeres spiegelte, hatte er zusammengekniffen. Er war ein kleiner stämmiger Mann mit kurzgeschorenem ergrauendem Haar, ein erfahrener Seemann, der bereits vierzig Jahre zur See fuhr. Die Seewinde hatten seine Haut fast nußbraun gefärbt. Er besaß einen grimmigen Humor, und wenn er wütend wurde, machte er sich laut brüllend Luft.

Seine schnellsegelnde barc war vor zwei Tagen aus Ros Ailithir ausgelaufen. Der Preis für die Fahrt zum Kloster Finans auf Sceilig Mhichil und zurück, den Fidelma mit ihm ausgehandelt hatte, erschien ihr ziemlich überhöht. Das Schiff war zunächst den Küstenrouten gefolgt, bis ein schwacher Nordostwind es um die Südspitze von Muman herumgebracht hatte, und dann hatte Ross es in die starke Strömung manövriert, die es rasch nach Norden trieb.

Fidelma beschattete die Augen mit der Hand, und ihr stockte fast der Atem, als ihr Blick die grandiosen Felsen erfaßte, die vor ihr aus dem Meer auftauchten. Es waren zwei Inseln, kahle, zerfurchte Pyramiden mit zinnenartigen Auswüchsen, die sich steil und drohend aus der dunklen See erhoben, etwa acht Meilen vom Festland entfernt. Ihre furchtgebietende Großartigkeit benahm Fidelma beinahe die Luft. Der Name Sceilig deutete auf Felsen hin, doch auf so etwas war sie nicht vorbereitet gewesen.

»Auf welcher der beiden Inseln liegt das Kloster?« fragte Fidelma.

»Auf der größeren«, erklärte Ross.

»Aber ich sehe keine Landestelle und noch weniger einen Ort, an dem man Gebäude errichten könnte«, wandte Fidelma ein, die verwundert die beinahe lotrechte Steilküste betrachtete.

Ross klopfte sich wissend mit dem knorrigen Zeigefinger an die Nase.

»Es gibt schon eine Stelle, an der man landen kann, und wenn man schwindelfrei ist, kann man zum Kloster hinaufgehen, denn es befindet sich da ganz oben.« Er wies auf die Felsenspitzen. »Die Mönche nennen das den Sattel Christi. Das Kloster liegt zwischen den beiden Bergspitzen.«

Fidelma gewahrte das Schreien der Seevögel. Große Tölpel von zwei Meter Flügelspanne kreisten über ihnen. Manchmal stürzten sie sich auf der Jagd nach Fischen aus über zwanzig Metern Höhe senkrecht ins Meer hinunter.

Vor allem die zweite Insel schien von einem Ring kreisender und schreiender Vögel gekrönt. Fidelma dachte zuerst, sie sei durch irgendein Wunder mit Schnee bedeckt, doch Ross erklärte ihr, das seien die seit Jahrhunderten abgelagerten Exkremente der Vögel.

»Sie nisten auf Little Sceilig«, erklärte er. »Nicht nur Tölpel, sondern auch Möwen, Kormorane, Lummen, Dreizehenmöwen, Tordalke, Sturmtaucher und Eissturmvögel und noch andere Vögel, deren Namen ich vergessen habe.«

Cass, der schweigend daneben stand, bemerkte plötzlich: »Das ist ein beeindruckender Ort, der einem die Seele läutert.«

Fidelma lächelte ihm zu, verwundert darüber, daß sein sonst so unbewegtes Gemüt derart ergriffen werden konnte.

»Das hier ist ein Ort, der einem die Seele erhebt«, verbesserte sie ihn, »denn er zeigt uns, wie unbedeutend wir sind im großen Plan der Schöpfung.«

»Ich verstehe trotzdem nicht, warum du an diesen einsamen Ort fahren wolltest«, knurrte Cass und starrte auf die dräuenden Klippen der Insel.

Fidelma meinte, nun sei es an der Zeit, ihn ein wenig in ihre Pläne einzuweihen.

»Erinnerst du dich an das Blatt Pergament, das wir in Grellas Zimmer fanden? Den Brief Dacans an seinen Bruder, den Abt Noe? Er schrieb ihn am Abend vor seinem Tode, und darin stand, daß der Gesuchte -erinnere dich, er benutzte wirklich den Ausdruck >der Gesuchte< - sich im Kloster Sceilig Mhichil aufhielte. Er forschte nach dem Erben der ursprünglichen Könige von Osraige. Ich denke, er wurde getötet, weil er etwas Entscheidendes herausgefunden hatte. Der nächste Schritt auf dem Wege zur Lösung der Rätsel führt auf die uneinnehmbare Insel, die du vor uns siehst, davon bin ich überzeugt.«

Cass wandte den Blick von der Insel ab, sah Fidelma an und dann wieder die hochragenden grauen Felsen.

»Du meinst, du findest den, nach dem Dacan suchte, auf dieser Insel?«

»Dacan glaubte es jedenfalls.«

Daß Ross und seine Mannschaft wie die meisten Küstenschiffer sehr geschickte Seeleute waren, bewiesen sie in den nächsten Minuten, als sie eine Landestelle anliefen, die man erst sah, wenn man auf wenige Meter heran war. Die Wogen drohten das Schiff gegen die gischtumspülten Felsen zu schleudern, alle wurden vom Spritzwasser durchnäßt, und es dauerte eine Weile, bis sie so nahe vor der Insel ankerten, daß jemand an Land gehen konnte.

»Es ist nicht gut, wenn wir so dicht an den Felsen vor Anker liegen«, rief Ross, der brüllen mußte, um sich durch das Donnern der Wogen und die Schreie der Seevögel verständlich zu machen. »Wenn ihr an Land seid, legen wir ab und kreuzen draußen, bis ihr uns das Signal gebt, daß wir euch wieder aufnehmen sollen.«

Fidelma hob die Hand zum Zeichen des Einverständnisses und bereitete sich auf den Sprung vom Bord des Schiffes auf den schmalen Granitsims vor, der einen natürlichen Kai bildete.

Cass sprang zuerst, um einen Halt zu suchen und Fidelma notfalls aufzufangen.

Als sie den schmalen Pfad entlangschritten, der nach oben führte, eilte ihnen ein braungekleideter Mönch entgegen. Er schien nicht erfreut über die Besucher.

»Bene vobis«, grüßte ihn Fidelma.

Der Mönch blieb stehen und blickte noch verärgerter drein.

»Wir sahen ein Schiff anlegen. Dieser Ort ist für Frauen verboten, Schwester.«

»Wer ist hier der Vorsteher?« fragte Fidelma.