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»Was haben wir auf unserer Reise nach Sceilig Mhichil erfahren, was wir nicht schon vorher ahnten? Hätten wir den alten Mönch noch weiter gefragt .«

»Manchmal ist die Bestätigung des Wissens ebenso wichtig wie das Wissen selbst«, unterbrach ihn Fidelma. »Und wir haben die Verbindung zwischen Intat und dem mysteriösen Mord an Dacan hergestellt. Dacan suchte nach dem Sohn Illans, von dem er annahm, er habe das Alter der Wahl erreicht. Jetzt wissen wir, daß es zwei junge Söhne gibt und keinen im Alter der Wahl. Intat sucht die Nachkommen Il-lans. Dacan arbeitete für Laigin, Intat gehört zu den Corco Loigde. Das ergibt langsam ein Bild.«

»Abgesehen davon, daß Intat in die Geschichte verwickelt ist, was haben wir sonst noch erfahren?« fragte Cass.

»Wir haben erfahren, daß das Kloster auf Sceilig Mhichil den Erzengel Michael als Schutzpatron hat. Daß sogar sein Name >Fels des Michael< bedeutet. Und wir wissen jetzt, daß Mel den Mann, der die Jungen abholte, >ehrenwerter Vetter< nannte.«

Cass war nicht recht klar, ob Fidelma scherzte.

»Und inwieweit hilft uns das weiter?« fragte er.

Fidelma lächelte.

»Wir wissen schon eine ganze Menge. Es gibt zwei Erben Illans. Sie haben Sceilig Mhichil vor zwei Wochen verlassen, ungefähr zur selben Zeit, als Dacan ermordet wurde, und jetzt macht Intat Jagd auf sie. Ich meine, Intat suchte sie, als er Rae na Scrine niederbrannte. Ich glaube nicht, daß er sie gefunden hat.

Ich möchte wetten, daß sie sich in Ros Ailithir oder in unmittelbarer Nähe davon aufhalten.«

»Falls sie noch leben.« Cass zeigte plötzlich Interesse. »Wir wissen nicht einmal, wer sie sind. Zwei Jungen mit kupferrotem Haar. Mir sind keine Jungen mit solchem Haar begegnet. Ihre richtigen Namen kennen wir auch nicht. Wir wissen nur, daß Primus und Victor nicht ihre wirklichen Namen sind. Das alles ergibt noch keine Spur, die wir verfolgen können.«

»Vielleicht nicht«, gab Fidelma nachdenklich zu. »Aber andererseits .«

Kapitel 14

Abt Broccs schmales Gesicht zeigte Erleichterung, als Fidelma sein Zimmer betrat.

»Ich habe soeben erst die Nachricht erhalten, daß ihr zurück seid. War deine Reise erfolgreich, Kusine?« fragte er hoffnungsvoll und erhob sich zu ihrer Begrüßung.

»Ich weiß jetzt einiges mehr«, antwortete Fidelma ausweichend.

Der Abt überlegte sichtlich, ob er seiner Kusine noch weitere Fragen stellen sollte, entschied sich aber dagegen.

»Ich habe Neuigkeiten.« Er bedeutete ihr, sich zu setzen. »Ich fürchte allerdings, es sind schlechte Nachrichten.«

Fidelma ließ sich nieder, und Brocc hielt ein Wachstäfelchen hoch.

»Gestern erhielt ich diese Botschaft: Der Großkönig wird in den nächsten Tagen hier eintreffen.«

Fidelmas Überraschung genoß er sichtlich.

»Sechnassach, der Großkönig? Er kommt hierher?«

Brocc nickte nachdrücklich.

»Er hat bestimmt, daß das Gericht die Klage Laigins gegen Muman in der Sache des Todes Dacans in der Abtei anhören soll, in der Dacan ermordet wurde. Er schreibt, es sei ...« Brocc zögerte und schielte auf das Wachstäfelchen, »... angemessen, daß die Verhandlung an diesem Ort stattfinde.«

»So?« Fidelma zog das Wort wie einen tiefen Seufzer in die Länge. »Und er bringt den ganzen Hof mit?«

»Natürlich. Der Oberrichter Barran wird mit dem Großkönig das Urteil fällen, und Erzbischof Ultan von Armagh kommt auch, um die Geistlichkeit der fünf Königreiche zu vertreten. Dein Bruder Colgü und seine Berater können ebenfalls jeden Tag hier eintreffen.«

»Und ich nehme an, König Fianamail von Laigin und seine Anwälte werden auch bald hier sein?«

»Fianamail bringt den Abt Noe und seinen Brehon Forbassach mit.«

»Forbassach! Dann wird also Forbassach das Plädoyer für Laigin halten?«

So groß ihre Abneigung gegen den falkengesichtigen Anwalt aus Laigin auch war, Fidelma wußte, daß er einen scharfen Verstand besaß und ein fähiger Vertreter des Rechts war, den man nicht unterschätzen durfte. Er würde sicher alles daransetzen, Fidelma seine Vertreibung aus Cashel heimzuzahlen.

»Wann genau ist mit ihrer Ankunft zu rechnen?« fragte sie. Das waren wirklich schlechte Nachrichten.

»In wenigen Tagen, spätestens Ende der Woche.«

Brocc machte seine Rolle als Gastgeber für eine Versammlung, bei der er selbst der Angeklagte war, sichtlich nervös. »Sag mir, Kusine, weißt du schon, wer Dacan ermordet haben könnte?«

Seine Stimme klang fast bittend, aber Fidelma konnte ihm nicht helfen.

Sie stand auf, ging zum Fenster und spähte hinunter in die Bucht.

»Als wir in Ros Ailithir einliefen, sah ich, daß Mu-grons Kriegsschiff immer noch da draußen ankert.«

Brocc ließ die Schultern hängen.

»Laigin geht nicht von seiner Klage ab, bis die Ratsversammlung zusammentritt.«

»Ich vermute, der Großkönig und sein Gefolge kommen zu Schiff?«

»Wie auch der König von Laigin und sein Hofstaat«, bestätigte Brocc. »Ich soll sie alle beherbergen. Bruder Rumann und Bruder Conghus wissen schon nicht mehr, wo sie die zusätzlichen Unterkünfte und die Verpflegung hernehmen sollen. Ach, und das bedeutet auch, daß dir das gesonderte Zimmer, in dem du die Untersuchungen geführt hast, nicht mehr zur Verfügung steht. Du kannst dein persönliches Zimmer im Gästehaus weiter benutzen, wie es deinem Rang gebührt, aber der Krieger, wie heißt er ... Cass? Er wird sich mit einem Bett in einem der Schlafsäle begnügen müssen.«

»Das läßt sich nicht ändern. Du hast viel um die Ohren mit den Vorbereitungen für die Versammlung.«

Brocc schaute sie besorgt an.

»Du auch, Kusine, denn von dir hängt unser aller Zukunft ab.«

Daran brauchte Brocc sie nicht zu erinnern. Die Worte aus dem Lukasevangelium kamen ihr in den Sinn: »Denn welchem viel gegeben ist, von dem wird man viel fordern.« Noch nie seit ihrer Zulassung zum Gericht war soviel von ihr gefordert worden. Sie spürte diese Verantwortung schwer auf sich lasten. Trotz aller ihrer Anstrengungen war sie immer noch zu keinem Ergebnis gelangt.

»Es ist nur so, daß ich anfange, mir Sorgen zu machen, Kusine«, gab Brocc zu. »Ich habe noch nie an einer Ratsversammlung des Großkönigs teilgenommen«, fuhr er fort. »Stünde ich nicht unter Anklage als Verantwortlicher in dieser Angelegenheit, dann wäre es ein erhebendes Erlebnis für mich.«

Fidelma hob spöttisch die Brauen.

»Erhebendes Erlebnis? Es könnte auch ein verhängnisvolles werden, wenn es mir nicht gelingt, dich zu entlasten und zu verhindern, daß der Anspruch Laigins zum Krieg zwischen den beiden Königreichen führt.«

Verlegenes Schweigen trat ein, dann sagte Fidelma: »Du hast mir noch nicht berichtet, ob es etwas Neues von Schwester Grella gibt. Ich nehme an, sie ist nicht zurückgekehrt?«

Brocc bestätigte ihre Vermutung.

»Nein. Sie ist nach wie vor verschwunden. Aus dem, was du mir erzählt hast, schließe ich, daß sie wohl wegen ihrer Schuld geflohen ist.«

Fidelma erhob sich.

»Das werden wir sehen. Ich brauche die Sachen, die ich dir zur Verwahrung gegeben habe.«

Brocc nickte bereitwillig und langte unter den Tisch nach den Schlüsseln. Sie sah zu, wie er zur Truhe trat und sie öffnete. Er nahm ihr marsupium heraus und reichte es ihr.

Schnell ging sie den Inhalt durch, um zu sehen, ob noch alles da sei.

Jemand hatte den Beutel durchsucht. Das angebrannte Stück Ogham-Stab und die Pergamentblätter, die sie in Schwester Grellas Zimmer gefunden hatte, fehlten. Doch die Leinenstreifen und der Rock, von dem man sie abgerissen hatte, waren noch vorhanden.

»Was ist?« fragte Brocc.

»Jemand hat einige wichtige Beweisstücke aus meinem Beutel entfernt.«