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»Wir haben wirklich Hunger«, gab Cass zu, denn sie hatten seit dem Morgen nichts gegessen.

»Aber es sind noch mehrere Stunden bis zum Abendessen«, wandte Fidelma ein und warf Cass einen tadelnden Blick zu.

»Das macht doch nichts«, lächelte Aibnat. »Ein Teller mit kaltem Dachsfleisch oder ... Mir fällt ein, ich habe da noch einen Fleischpudding, Hammelfleisch mit Vogelbeeren und wildem Knoblauch gekocht, dazu Kohl und Zwiebeln und Gerstenbrot und danach einen Teller Schlehen mit Honig zum Abschluß. Was meint ihr dazu?«

»Meine Frau genießt den Ruf, die beste Köchin der Corco Loigde zu sein«, sagte Molua.

»Ein wohlverdienter Ruf, nach der Zusammenstellung des Essens zu urteilen«, bemerkte Cass.

Aibnat errötete vor Freude.

»Wir halten hier Bienen, gewinnen den Honig also selbst.«

»Ich habe schon gesehen, daß ihr hier reichlich mit Bienenwachskerzen versehen seid«, sagte Fidelma. In vielen ärmeren Haushalten wurden Kerzen gewöhnlich aus Fleischfett oder geschmolzenem Talg hergestellt, mit einer entrindeten Binse als Docht.

»Während Aibnat nun das Essen zubereitet«, meinte Molua, setzte sich und füllte ihre Becher aus dem Krug nach, »könnt ihr mir erzählen, warum ihr mein bescheidenes Haus mit eurer Anwesenheit beehrt.«

»Vor einer Woche brachte Aibnat drei Kinder hierher.«

»Ja. Zwei kleine Mädchen, nicht älter als neun Jahre, und einen Jungen von ungefähr acht Jahren«, bestätigte Molua.

»Es waren die Kinder, die aus Rae na Scrine gerettet wurden«, fügte Aibnat hinzu. »Hattet ihr nicht auch etwas damit zu tun?«

Cass lächelte grimmig.

»Allerdings. Wir waren es, die sie gerettet haben.«

»Wir haben von diesem schrecklichen Verbrechen gehört«, sagte Molua. »Es ist nicht zu verstehen, daß Menschen in Zeiten der Not so grausam zu ihren Nachbarn sein können. Eine solche Ungerechtigkeit verurteilt doch jeder.«

Fidelma konnte es sich nicht verkneifen, ihren Spott anzubringen.

»Es war Plato, der schrieb, daß die Menschheit stets die Ungerechtigkeit tadelt, doch nur aus Furcht, selbst ihr Opfer zu werden, und nicht, weil sie sich scheut, sie zu begehen.«

Moluas Gesicht wurde traurig.

»Das kann ich nicht glauben, Schwester. Ich glaube nicht, daß der Mensch absichtlich darauf aus ist, eine Ungerechtigkeit zu begehen. Er tut es immer nur, weil er verblendet wird durch ein verzerrtes Bild einer angenommenen Moral oder einer gerechten Sache.«

»Welche Moral oder gerechte Sache hat deiner Meinung nach zu dem Morden in Rae na Scrine geführt?« wollte Cass wissen.

Molua zuckte die Achseln.

»Ich bin nur ein einfacher Bauer. Wenn ich ein Feld umpflüge, dann zerstöre ich Leben. Ich zerstöre die Gräser und Kräuter auf diesem Feld. Ich zerstöre den natürlichen Lebensraum von Wühlmäusen, Hamstern und anderen Tieren. Für sie ist das eine Ungerechtigkeit. Für mich ist es eine gerechte Sache, denn das Pflügen dient der Ernährung des Menschen.«

»Tiere!« murmelte Cass. »Wer schert sich um Gerechtigkeit für Tiere?«

»Sind sie nicht auch Gottes Geschöpfe?« fragte Molua gekränkt.

»Ich verstehe, worauf du hinauswillst, Molua«, mischte sich Fidelma ein. »In der Theorie stimmen wir zweifellos überein. Es gab einen Grund für die Tat in Rae na Scrine, doch wenn der Grund auch gerechtfertigt sein mag, die Tat ist es nicht und kann es nicht sein.«

Molua neigte den Kopf.

»Das akzeptiere ich.«

»Nun gut. Es waren noch zwei Jungen mit Namen Cetach und Cosrach, die auch aus Rae na Scrine kamen und in dieses Waisenhaus gebracht werden sollten. Doch sie sind verschwunden. Einer war etwa zehn Jahre, der andere älter, vielleicht fünfzehn. Sie hatten schwarzes Haar.«

Aibnat und Molua blickten sich an und schüttelten beide beinahe gleichzeitig den Kopf.

»Hier sind keine Kinder aufgetaucht, auf die diese Beschreibung passen würde.«

»Das habe ich auch nicht erwartet. Aber vielleicht dürfte ich den anderen Kindern ein paar Fragen stellen?« bat Fidelma. »Sie wissen möglicherweise mehr über die beiden Jungen.«

»Ich möchte nicht, daß die Kinder in Aufregung geraten«, wandte Aibnat ein. »Die Erinnerung an das schreckliche Ereignis könnte sie verstören.«

»Ich würde sie nicht behelligen, wenn es nicht wichtig wäre«, versuchte Fidelma sie zu beruhigen. »Ich kann nicht dafür bürgen, daß sie sich nicht aufregen. Dennoch muß ich darauf bestehen.«

Molua nickte langsam.

»Sie hat das Recht dazu«, erklärte er seiner Frau. »Sie ist eine dalaigh bei Gericht.«

Aibnat schien das nicht zu überzeugen.

»Dann laß mich dabei sein, wenn du ihnen deine Fragen stellst, Schwester.«

»Natürlich«, stimmte Fidelma bereitwillig zu. »Gehen wir und sprechen wir mit ihnen, nur wir beide. Das wird sie nicht verschüchtern.«

»In Ordnung«, sagte Aibnat und sah Molua an. »Du kannst inzwischen das Essen für unsere Gäste bereiten«, wies sie ihn an.

Aibnat ging mit Fidelma zum Bethaus. Auf ihren Ruf hin lösten sich zwei kleine Mädchen und ein bok-kig wirkender kleiner Junge widerwillig aus der Menge der spielenden und lärmenden Kinder. Fidelma erkannte in ihnen kaum die verschreckten Kleinen wieder, die sie in den Ruinen von Rae na Scrine gefunden hatte. Sie drängten sich um Aibnat, und diese führte sie zu einem abgeschiedeneren Teil des Geländes, wo ein gefällter Baum genügend Platz zum Sitzen bot. Daneben rauschte ein kleiner Bach, der durch die Ansiedlung lief und in den größeren Fluß in der Bucht mündete.

»Setzt euch, Kinder«, sagte Aibnat, während sie und Fidelma sich auf dem Stamm niederließen.

Der Junge blieb stehen und trat trotzig mit dem Fuß gegen den Stamm. Fidelma sah, daß er ein kleines hölzernes Spielzeugschwert am Gürtel trug. Die beiden Mädchen setzten sich sofort im Schneidersitz auf die Erde und blickten erwartungsvoll zu ihnen auf.

»Kennt ihr diese Dame?« fragte Aibnat.

»Ja, es ist die Dame, die uns weggeführt hat, damit uns die bösen Männer nicht finden«, erklärte eins der kleinen Mädchen ernsthaft.

»Wo ist Schwester Eisten?« fiel die andere ein. »Wann besucht sie uns mal?«

»Bald.« Fidelma lächelte unsicher, nachdem Aibnat ihr einen warnenden Blick zugeworfen und leicht den Kopf geschüttelt hatte. Die Kinder hatten offensichtlich nicht erfahren, was mit Eisten geschehen war. »Nun möchte ich euch ein paar Fragen stellen. Bitte denkt gründlich nach, bevor ihr sie beantwortet. Wollt ihr das tun?«

Die beiden Mädchen nickten feierlich, doch der Junge schwieg, sah mit finsterer Miene den Baumstamm an und mied Fidelmas Blick.

»Erinnert ihr euch an die beiden anderen Jungen, die bei euch waren, als ich euch fand?«

»Ich erinnere mich an das Baby«, sagte eins der kleinen Mädchen. Fidelma fiel ein, daß es Cera hieß. »Es schlief ein, und niemand konnte es aufwecken.«

»Das stimmt«, sagte sie, »aber es sind die Jungen, die mich interessieren.«

»Die wollten nicht mit uns spielen. Gemeine, gehässige Jungs! Ich konnte sie nicht leiden.« Das andere kleine Mädchen, Ciar, machte ein finsteres Gesicht und saß mit verschränkten Armen da.

»Sie waren gemein, diese Jungen?« fragte Fidelma eifrig nach. »Wer waren sie?«

»Einfach so Jungs«, antwortete Ciar verdrossen. »Jungs sind alle gleich.«

Sie warf einen verächtlichen Blick auf den kleinen Jungen, der aufhörte, gegen den Stamm zu treten, und sich plötzlich hinsetzte.

»Mädels!« höhnte er zurück.

»Sag mir noch mal, wie du heißt«, ermunterte ihn Fidelma lächelnd. Sie erinnerte sich an die Namen der Mädchen, aber nicht an den des Jungen.

»Sag ich nicht!« knurrte der Junge.

Aibnat schnalzte mißbilligend mit der Zunge.

»Er heißt Tressach«, sagte sie dann.

»Tressach? Der Name bedeutet >wild und kriegerische Bist du wild und kriegerisch?« fragte Fidelma.