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»Hat Schwester Fidelma dich beleidigt?« fragte der Oberrichter. »Ich habe nichts davon gehört. Wenn ja, dann erkläre mir bitte, womit sie dich beleidigt hat? Warst du mit Dacan von Fearna verheiratet oder nicht?«

»Mugron, der Kapitän des Kriegsschiffs von Laigin, ist bereit, das zu bezeugen«, warnte Fidelma sie rasch und wies auf den Platz in den Bänken von Laigin, wo der Seemann saß.

»Ich war mit Dacan verheiratet, aber ...«, gestand Grella.

»Die Ehe endete mit einer Scheidung?« unterbrach sie der Oberrichter.

»Ja

»Als Dacan nach Ros Ailithir kam, wußte er da, daß du die Bibliothekarin der Abtei warst?«

»Nein.«

»Aber er bat dich um Hilfe bei seinen Forschungen?«

»Ja

»Und du hast sie gern geleistet?«

»Ja

»Hattest du die gleichen Motive für diese Nachforschungen wie Dacan?«

Grella wurde rot und senkte den Kopf.

»Dann hat Fidelma dich auch nicht beleidigt«, erklärte Barran, der das als Antwort nahm. »Setz dich, Schwester Grella, damit du nicht mit deiner Feindseligkeit dieses Gericht beleidigst.«

»Aber ich weiß, daß diese Frau behaupten wird, ich hätte Dacan getötet! Sie spielt Katze und Maus mit mir! Soll sie mich doch offen beschuldigen!«

»Beschuldigst du Schwester Grella des Mordes an Dacan?« fragte der Oberrichter Fidelma.

»Ich glaube, ich kann das alles erklären, Barran, indem ich Salbach, den Fürsten der Corco Loigde, vernehme.«

»Wenn du Beschuldigungen erhebst, Fidelma, dann mußt du sie auch beweisen«, warnte Barran sie.

»Dazu bin ich bereit.«

Barran winkte einem der Krieger der fianna, der Leibgarde des Großkönigs, und gleich darauf wurde Salbach mit vor dem Körper gebundenen Händen hereingebracht. Er stellte sich mit spürbarem Trotz vor die Ratsversammlung.

»Salbach von den Corco Loigde«, begann Fidelma, »du stehst vor dieser Versammlung bereits unter der Anschuldigung, für die Handlungen deines bo-aire Intat verantwortlich zu sein. Intat hat in deinem Namen die Ermordung vieler Unschuldiger sowohl in Rae na Scrine als auch im Hause Moluas angeordnet.«

Salbach hob herausfordernd den Kopf, erwiderte aber nichts.

»Du bestreitest die Anschuldigungen nicht?« fragte der Oberrichter.

Salbach sagte immer noch nichts.

Barran seufzte tief.

»Du mußt nicht antworten, doch das Gericht wird seine Schlußfolgerungen aus deinem Schweigen ziehen. Wenn du den Vorwürfen nichts entgegnest, müssen wir sie als wahr ansehen, und ihnen wird eine entsprechende Strafe folgen.«

»Ich bin bereit, die Strafe auf mich zu nehmen«, erklärte Salbach. Offensichtlich hatte er die Stärke der Beweise gegen ihn erwogen und sah keinen anderen Ausweg, als seine Schuld einzugestehen.

»Ist Schwester Grella auch bereit, ihre Strafe auf sich zu nehmen?« fragte Fidelma in der Hoffnung, daß sie Salbachs Gefühle für die Bibliothekarin richtig einschätzte. Wenn Salbach sich mit seiner Strafe abfand, war er dann vielleicht auch bereit, sie Grella zuzumuten?

»Sie ist keines der Verbrechen schuldig, die man mir zur Last legt«, sagte er ruhig. »Laßt sie frei.«

»Aber Schwester Grella war deine Geliebte, nicht wahr, Salbach?«

»Das habe ich zugegeben.«

»Es war entweder dein Vetter Scandlan oder du warst es - ganz gleich, von wem die Idee stammt -, der vorschlug, Grella möge ihre Stellung als Bibliothekarin dazu nutzen, die genealogischen Bücher von Osraige, die in der Abtei aufbewahrt werden, durchzusehen und zu versuchen, den Erben Illans zu finden. Stimmt das?«

»Du bist verpflichtet zu antworten«, wies ihn der Oberrichter an, als Salbach zögerte.

»Es stimmt.«

»Dann kam euch ein Zufall zu Hilfe. Grella berichtete dir, daß ihr früherer Ehemann Dacan mit genau demselben Ziel nach Ros Ailithir gekommen war. Auch er suchte nach dem Erben Illans. Da sie wußte, daß er der größere Gelehrte war, überredete ihn Grel-la, eng mit ihr zusammenzuarbeiten, so daß sie dich über seine Fortschritte unterrichten konnte. War es nicht so? Du wolltest genauso gern wie Dacan wissen, wer der Erbe Illans war. Doch während Dacan ihn suchte, um ihn für Laigins Zwecke zu nutzen, wolltest du ihn finden, um den Letzten aus der Reihe der ursprünglichen Könige zu vernichten. Das würde die Dynastie der Corco Loigde in Osraige endgültig sichern.«

Es herrschte gespanntes Schweigen. Niemand sprach. Alle Augen waren auf Salbach gerichtet. Es war Schwester Grella, die die Stille mit einem Angstschrei brach, als sie zum erstenmal die Schrecklichkeit des Geschehenen begriff.

»Aber es stimmt nicht . Ich wußte doch nicht, daß Salbach . Ich wußte doch nicht, daß er sie töten wollte . Ich bin nicht verantwortlich für den Tod all dieser unschuldigen Kinder . Das bin ich nicht.«

Salbach wandte sich um und fuhr sie an, sie solle still sein.

»Als Dacan herausfand, wo sich die Erben Illans aufhielten«, sprach Fidelma schonungslos weiter, »lief Grella mit der Neuigkeit zu dir. Es war am Tag vor dem Tode Dacans. Er hatte festgestellt, daß der Vorsteher von Sceilig Mhichil, dem Kloster des Erzengels Michael, ein Vetter Illans war. Er hatte herausbekommen, daß die Erben Illans zu ihrer Sicherheit dorthin gebracht worden waren. Er schrieb es auf und setzte hinzu, daß er nach Sceilig Mhichil aufbrechen werde. Er wurde ermordet, bevor er seine Reise antreten konnte.«

»Woher wußte er das? Die hier aufbewahrten Aufzeichnungen sagen doch sicher nichts über den Aufenthaltsort der Erben Illans aus?« wollte der Oberrichter wissen.

»Seltsamerweise doch. Dacan fand das Testament Illans auf einigen Stäben der Dichter. Die Ironie der Geschichte liegt darin, daß Scandlan sich nach dem Tode Illans seiner Burg und seiner Habe bemächtigte, darunter auch seiner Bibliothek. In dieser Bibliothek befand sich das Testament, das er absichtlich in Og-ham auf Stäben der Dichter geschrieben hatte. Scand-lan konnte es nicht lesen und schickte es mit anderen Büchern zusammen als Geschenk an diese Abtei, die Hauptabtei der Corco Loigde.«

»Selbst dann«, wandte Barran ein, »hätte doch jeder erfahrene Gelehrte das Testament in Ogham lesen und es deuten können?«

»Illan war anscheinend ein gebildeter Mann, denn das Testament war verschlüsselt. Ich fand einen Stab aus dem Testament in Dacans Zimmer, wo er ihn unvorsichtigerweise hatte liegengelassen. Sein Mörder hatte ihn nicht bemerkt. Ich verfüge nur über einen kleinen Rest des Stabes und damit nur über ein kleines Stück des Testaments. Die anderen Stäbe wurden vernichtet.«

Sie holte den angebrannten Stab hervor, den sie in der Nacht zuvor aus der Gruft in der Kirche mitgenommen hatte.

»Nur dieses Stück ist übrig. Darauf steht: >Die Entscheidung des Ehrenwerten bestimmt die Pflegschaft meiner Kinder.<«

»Das hört sich wie Kauderwelsch an«, lachte For-bassach.

»Nicht, wenn man den Code und den ganzen Text kennt. Auf dem Stab, den ich in Dacans Zimmer fand, stand außerdem: >Möge mein süßer Vetter für meine Söhne auf dem Felsen Michaels sorgen, wie es mein ehrenwerter Vetter bestimmen wird.<«

»Noch mehr Kauderwelsch!« höhnte Forbassach.

»Dacan war nicht der Meinung. Er wußte, daß Scei-lig Mhichil der Felsen Michaels war. Es war leicht zu ermitteln, daß der Vorsteher dort Mel hieß. Der Name bedeutet >süß<. Mel war folglich Illans >süßer< Vetter!«

»Du läßt die Lösung des Rätsels sehr leicht erscheinen«, bemerkte der Oberrichter.

»Dann erlaube mir, später darauf zurückzukommen. Für jetzt genügt es, daß Dacan das Rätsel des Testaments entzifferte und sein Ergebnis auf einem Pergament niederschrieb. Schwester Grella las es und teilte es Salbach mit. Der schickte sofort Intat zum >Fel-sen Michaels<. Doch Illans Söhne waren nicht mehr dort. Intat erfuhr, daß zwei Söhne Illans auf dem Felsen gewesen und daß sie von einem Mönch abgeholt worden waren. Dieser Mönch war ein Vetter von Pater Mel.