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Midach war entsetzt, als er erfuhr, daß Intat Rae na Scrine überfallen hatte. Er glaubte, Dacan arbeite für Salbach und durch ihn für Scandlan von Osraige. Er wußte leider nicht, daß Grella an der Intrige beteiligt und Eistens Seelenfreundin war. Nach dem Überfall auf das Dorf stellte er fest, daß seine Schützlinge noch lebten und in der Abtei in Sicherheit waren. Er wollte die beiden Jungen aber außer Landes schaffen und bat Schwester Eisten, sich um eine Überfahrt mit einem Schiff zu kümmern.

Cetach, der ältere Junge, hatte erfahren, daß Salbach nach ihnen suchte. Als Salbach hierher kam, bat er mich deshalb inständig, weder ihn noch seinen Bruder dem Fürsten gegenüber zu erwähnen. Dann verschwanden beide.

Während Midach die Kinder versteckte, wollte Eisten eine Überfahrt auf einem Handelsschiff buchen. Erst geriet sie an das falsche Schiff, denn sie fragte einen Matrosen des Kriegsschiffs aus Laigin unter dem Kommando von Mugron. Unglücklicherweise wurde sie dann von Intat entdeckt. Den Rest der Geschichte kennen wir. Trotz Folter verriet Eisten nicht, wo sich die Jungen befanden, und Intat erschlug sie aus Wut. Die Kinder mußten in ihrem Versteck bleiben, bis Midach sie in Sicherheit bringen könnte.«

Fidelma hielt inne, denn ihre Kehle war trocken geworden.

Barran nutzte die Gelegenheit, um Midach etwas zu fragen.

»Leugnest du diese Geschichte oder einen Teil davon?«

Midach saß mit gekreuzten Armen reglos da.

»Ich bestätige sie nicht und leugne sie nicht.«

Der Oberrichter wandte sich wieder an Fidelma.

»Es gibt einen Punkt in deiner Erklärung, in dem ich dir nicht folgen kann. Du hast dich noch nicht zu Dacans Tod geäußert, und so wichtig all diese Ereignisse auch sind, ist das doch der Hauptgrund für den von Laigin erhobenen Anspruch.«

»Dazu komme ich noch, Barran«, versicherte ihm Fidelma.

»Midach verbarg Cetach und Cosrach hier in der Abtei, wo sie noch versteckt sind. Ich glaube, wir können sie jetzt ohne Gefahr aus der Grabstätte des heiligen Fachtna herausholen, denn sie stehen unter dem Schutz des Großkönigs. Ist es nicht so?«

Diese Frage war an Sechnassach gerichtet.

Der Großkönig beantwortete Fidelmas fragenden Blick mit einem knappen Lächeln.

»Sie stehen unter meinem Schutz, Fidelma von Kil-dare.«

»Midach, holst du sie her?«

Der Arzt erhob sich unsicher. Zum Sprechen war er zu erschüttert.

»Wenn du zu der Statue des Cherubs hinter dem Hochaltar gehst und sie eine halbe Wendung nach links drehst, gibt sie den Mechanismus frei, der die Steinplatte bewegt«, sagte Fidelma. Midach blieb vor Überraschung der Mund offen.

»Wie hast du das herausgefunden?« fragte er entgeistert.

»Die Stufen führen hinunter in das geheime Grabmal des heiligen Fachtna, des Gründers dieser Abtei«, fuhr Fidelma fort. »Dort halten sich Cetach und Cos-rach seit dem Tode Schwester Eistens versteckt. Ist das nicht so, Midach?«

Midach ließ resigniert die Schultern sinken.

»Es ist so, wie sie sagt«, murmelte er. »Sie weiß anscheinend alles.«

Auf einen Wink Sechnassachs folgten zwei Mann seiner Leibgarde den Anweisungen Fidelmas und holten gleich darauf zwei schwarzhaarige Jungen aus dem unterirdischen Grabmal heraus. Angstvoll schauten sie auf die vielen Menschen.

Der Oberrichter beeilte sich, ihnen zu sagen, daß sie sich in Sicherheit befänden.

Forbassach war aufgesprungen.

»Ich muß darauf hinweisen, daß wir aus Laigin nicht die geringste Absicht hegen, diesen Jungen Schaden zuzufügen . falls sie wirklich die Söhne Il-lans sind.«

»Sie sind die Söhne Illans«, bestätigte Fidelma. »Und wenn die schwarze Farbe aus ihrem Haar herausgewaschen ist, werdet ihr zwei kupferrote Schöpfe erblicken. Midach färbte ihnen das Haar als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme, als er sie zu Schwester Eisten brachte. Stimmt das nicht?«

Midach schien zu niedergeschlagen, um zu antworten.

Forbassach begann erneut zu sprechen: »Wir haben die Erben Illans lediglich gesucht, um festzustellen, wer sie wirklich sind. Um ihren Aufenthalt zu ermitteln. Es war unser Ziel, ihnen unsere Unterstützung ihres Anspruchs zu versichern und ihnen die Königsherrschaft in Osraige wieder zu verschaffen. Es gibt nur eine Macht, die sich diesem Bestreben widersetzen würde: Cashel. Wie wir von Anfang an gesagt haben, läge es allein in Cashels Interesse, sie zu vernichten. Denn es lag in Cashels Interesse, Dacan umzubringen. Wir wiederholen unseren Anspruch auf Os-raige als Sühnepreis für Dacans Tod.« Er lächelte den beiden Jungen zu. »Da jedoch keiner der beiden Jungen das Alter der Wahl auch nur annähernd erreicht hat und als König bestätigt werden kann, muß die Entscheidung über die Königswürde Fearna zufallen.«

Da sprang Colgü voller Zorn auf, die Regeln des Gerichtsverfahrens mißachtend.

»Cashel steckt nicht hinter all diesen Machenschaften. Salbach hat selbst zugegeben, daß er der Schuldige ist. Dafür wird Cashel ihn bestrafen. Die Übeltaten des Fürsten der Corco Loigde können nicht Cashel zur Last gelegt werden!«

»Doch die Corco Loigde stehen im Treueverhältnis zu Cashel«, gab Forbassach höhnisch zur Antwort. »Wem sonst als Cashel kann also die Schuld zur Last gelegt werden?«

Barran hob beide Hände.

»Daß ihr beide euch nicht an die Regeln des Gerichtsverfahrens haltet, stimmt mich traurig. Daß ihr beide es nicht lassen könnt, euch vor mir zu streiten, verlangt Bestrafung. Colgü, dir wird eine Strafe von einem sed, dem Wert einer Milchkuh, auferlegt, weil du es nicht deiner ddlaigh überlassen hast, deine Argumente vorzutragen. Forbassach, du trägst die größere Schuld, weil du nicht nur juristisch ausgebildet, sondern auch der Anwalt deines Königs bist. Du zahlst einen cumal, den Wert von drei Milchkühen. Passiert das noch einmal, fallen die Strafen nicht so milde aus.«

Barran gab allen einen Augenblick Zeit, sich zu beruhigen, und ließ dann die beiden Jungen vor das cos-na-dala führen.

»Habe ich richtig verstanden, daß diese Jungen noch nicht das Alter der Wahl erreicht haben?« fragte er Midach.

»Das stimmt«, antwortete der Arzt und übernahm damit seine Rolle als ihr Pflegevater.

»Dann können wir ihrer Aussage keinerlei Gewicht beimessen«, seufzte der Oberrichter. »Sie dürfen zwar vernommen werden, doch wenn ihre Worte durch andere Zeugnisse bestritten werden, sind sie hinfällig. So lautet das Gesetz.«

»Das ist mir klar, Barran«, stimmte ihm Fidelma zu. »Falls Forbassach nichts einzuwenden hat, werde ich sie auch nicht als Zeugen aufrufen.«

»Ich würde es vorziehen, wenn Schwester Fidelma sich dem Mord an Dacan zuwenden würde«, erwiderte Forbassach.

»Dann werde ich das jetzt tun«, antwortete Fidelma. »Es kann nun als erwiesen gelten, daß Dacans Tod in ursächlichem Zusammenhang stand mit der Aufgabe, zu deren Lösung er nach Ros Ailithir gekommen war. Er wurde umgebracht, weil man glaubte, er stelle eine Bedrohung dar. Doch ich möchte auf eins hinweisen: Es stimmt, daß ein lebendiger Dacan für Salbach von größerem Wert war als ein toter Da-can. Wem also mußte Dacan als eine Bedrohung erscheinen? Offensichtlich den Kindern Illans, wie ich bereits früher sagte.«

Forbassach war erneut aufgesprungen.

»Und wie ich bereits früher sagte, Laigin bedrohte diese Kinder nicht. Es versuchte, ihnen zu helfen.«