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Fidelmas Stirnrunzeln verschwand so schnell, daß es kaum bemerkt wurde.

»Sind solche Abgesandten Ultans auch zu euch gekommen?«

»Ja«, gestand Orla freimütig. »Von Ultan, der sich Comarb, Nachfolger Patricks nennt, der damals den Glauben an Christus in dieses Land brachte. Ultan behauptet auch, daß alle Abgaben des neuen Glaubens ihm zustehen.«

Fidelma fühlte sich gedrängt, darauf hinzuweisen, daß die Chronisten von Imleach Patricks Anspruch, er habe als erster den Glauben nach Eireann und insbesondere nach Muman gebracht, bezweifelten. War Muman nicht von dem heiligen Ailbe, dem Sohn von Olcnais, bekehrt worden, der im Hause eines Königs diente? Hatte Ailbe nicht Patrick unterstützt und ermutigt? Hatten nicht Patrick und Ailbe gemeinsam Oengus Mac Nad Froich, den König von Cashel, zum Glauben bekehrt? Und Patrick hatte zugestimmt, daß die Königsstadt Cashel der Sitz von Ailbes Kirche in

Muman werden sollte. All das lag ihr auf der Zunge, doch sie schwieg. Man konnte viel erfahren, indem man nichts sagte.

»Ich habe nichts für euren Glauben übrig und auch nicht für die, die ihn vertreten«, erklärte Orla offen. »Euer Patrick hat die Menschen durch Furcht bekehrt.«

»Wie das?« fragte Fidelma betont ruhig.

Orla schob das Kinn vor, um ihre Worte zu unterstreichen.

»Wir mögen in einem entlegenen Winkel der Welt leben, aber wir haben Barden und Chronisten, die aufgezeichnet haben, wie euer Glaube verbreitet wurde. Wir wissen, daß Patrick nach Tara ging und den Druiden Luchet Mael auf einem Scheiterhaufen verbrennen ließ, und als der Großkönig Laoghaire dagegen protestierte, verursachte Patrick noch den Tod anderer, die sich weigerten, den neuen Glauben anzunehmen. Selbst dem Großkönig Laoghaire wurde gesagt, er werde auf der Stelle sterben, wenn er sich nicht zum neuen Glauben bekenne. Hat nicht Laoghaire seine Ratgeber zusammengerufen und ihnen erklärt: >Es ist besser für mich, zu glauben statt zu sterben.< Ist das die richtige Art, Menschen zu einem Glauben zu führen?«

»Falls das, was du sagst, der Wahrheit entspricht, dann ist es nicht die richtige Art«, stimmte ihr Fidelmazu, wobei sie das »falls« leicht betonte.

»Lügen denn Männer deines Glaubens, Fidelma von Cashel?« höhnte die Frau. »Ultan von Armagh schickte meinem Bruder als Geschenk ein Buch, eine Lebensbeschreibung Patricks, geschrieben von einem, der ihn kannte, mit Namen Muirchü, und darin sind diese Wahrheiten enthalten. Nicht nur das, sondern es heißt darin auch, daß Patrick zu der Burg Miliucc von Slemish reiste, wo er gewohnt hatte, bevor er davonlief nach Gallien und sich dem neuen Glauben zuwandte. Als der Fürst der Burg hörte, daß Patrick sich näherte, geriet er in solche Furcht vor ihm, daß er seine Wertsachen und seine Familie, seine Frau und seine Kinder, nahm, sich mit ihnen in seinem rath einschloß und ihn in Brand setzte. Wie konnte ein Mensch bei einem anderen solche Furcht auslösen, daß er seinem Leben ein so schreckliches Ende setzte? Leugnest du, daß es so verzeichnet steht?«

Fidelma seufzte leise.

»Ich weiß, daß es so verzeichnet steht«, gab sie zu.

»Und wie es niedergeschrieben ist, so ist es geschehen?«

»Wir haben gelernt, den Worten von Muirchü zu trauen, doch es war die Entscheidung des Fürsten, lieber sein Leben zu beenden als zu glauben und dem ewigen Gott zu dienen.«

»Nach den alten Gesetzen haben wir gelernt, daß das, was wir glauben, allein eine Sache unseres Gewissens ist. Wir können wählen, was wir glauben wollen, solange wir nicht andere dadurch schädigen. Euer Patrick bekehrte die fünf Königreiche durch eine einfache Wahclass="underline" Glaube oder stirb von meiner Hand.«

»Von der Hand Gottes!« fauchte Eadulf, der nicht länger schweigen konnte.

Erstaunt drehte sich Orla im Sattel um.

»Nanu? Der Fremde spricht unsere Sprache. Ich dachte schon, du würdest sie nicht beherrschen oder du wärst stumm. Aus welchem Land kommst du denn?«

»Ich bin Eadulf von Seaxmund’s Ham im Lande des Südvolks.«

»Und wo ist das?«

»Es ist eins der angelsächsischen Königreiche«, erklärte Fidelma.

»Ach so. Von den Angelsachsen habe ich schon gehört. Du sprichst unsere Sprache aber gut.«

»Ich habe mehrere Jahre in diesem Lande studiert.«

»Bruder Eadulf steht unter dem Schutz der Gastfreundschaft meines Bruders Colgü von Cashel«, warf Fidelma ein. »Er ist Gesandter des Erzbischofs von Canterbury im Lande der Angelsachsen.«

»Aha. Und der gute Bruder bezweifelt, daß ich Mu-irchüs Lebensbeschreibung von Patrick richtig verstehe?«

»Manche Dinge darf man nicht so wörtlich nehmen«, meinte sich Eadulf verteidigen zu müssen.

»Dann ist das Buch also nicht wahr?«

Fidelma stöhnte leise, während Eadulf vor Zorn errötete.

»Es ist wahr, aber .«

»Wie kann es denn wahr und doch nicht wörtlich zu nehmen sein?« fragte Orla mit eisigem Lächeln. »Dann muß hier wohl Zauberei im Spiel sein?«

»Manche Dinge sind symbolisch zu verstehen, sie vermitteln Auffassungen in Form einer Legende.«

»Also wurde keiner der Leute, die Patrick umgebracht haben soll, tatsächlich getötet?«

»Das meine ich nicht ...«

Fidelma unterbrach sie.

»Wir kommen ans Ende der Schlucht«, verkündete sie erleichtert, als sie ein breites Tal vor ihnen erblickte. »Ist das Gleann Geis?«

»Es ist das Verbotene Tal«, bestätigte Orla, wandte sich von Eadulf ab und schaute zu der Felskante über ihnen empor. Plötzlich stieß sie einen schrillen Pfiff wie einen Vogelruf aus. Sofort antwortete darauf ein tieferer Pfiff. Hoch über ihnen tauchte die Gestalt eines Wachpostens auf und sah zu ihnen hinunter. Da wurde es Fidelma klar, daß der Zugang zu Gleann Geis gut gesichert war, denn niemand konnte hinein oder heraus ohne Erlaubnis derer, die diesen engen Paß kontrollierten.

Kapitel 5

Gleann Geis bot einen prachtvollen Anblick. Den Talboden bildete eine Ebene, die von einem mittelgroßen, behäbigen Fluß durchzogen wurde. Er entwickelte sich offensichtlich am anderen Ende aus einem wilden Bergbach, der über unglaubliche Höhen in Wasserfällen herabstürzte. Dann nahm er seinen Lauf zu einer anderen Felsspalte, die der ausgetrockneten Schlucht ähnelte, durch die sie hereingekommen waren. Durch eine Lücke in der Granitwand verließ er das Tal. Den Talboden bedeckten weithin Kornfelder, sich gelb färbende Vierecke mit Hafer und Weizen, und dazwischen Weideland, auf dem sich die Rinderherden braun, weiß und schwarz von dem grünen Teppich abhoben. Zwischen ihnen waren kleine weiße Herden von Schafen und Ziegen auszumachen.

Eadulf erkannte sofort, daß vor ihnen ein fruchtbares Tal lag, reich an Weideland und Äckern. Es war von einer natürlichen Befestigung umgeben. Die Berge ringsum erhoben sich zu ihrer erhabenen, unüber-steigbaren Höhe, die das Tal vor den Winden schützte. Er konnte Gebäude erspähen, die sich an die Flanken der Berge zu klammern schienen. Die meisten waren anscheinend auf kleinen Terrassen erbaut. Die gleichen blaugrauen Granitblöcke, die die Mauern der Gebäude bildeten, waren auch zur Anlage der Terrassen verwendet worden.

Man brauchte sich nicht zu fragen, welches unter den vielen Gebäuden im Tal der rath von Laisre war. Am oberen Ende des Tals standen in vornehmer Abgeschiedenheit auf einem einzigen runden Berg die Mauern eines großen rath oder einer Burg, die sich den Konturen des Berges anpaßten. Eadulf war sich nicht sicher, ob der Berg - oder besser gesagt der Hügel, denn nach seiner Schätzung ragte er weniger als dreißig Meter über den Talboden auf - eine natürliche Erhebung war oder nicht. Eadulf wußte, daß manche der Erhöhungen, auf denen solche Burgen erbaut wurden, von Menschen geschaffen worden waren, und er fragte sich, welch ein unglaublicher Aufwand an Zeit und Arbeit in früheren Zeiten dafür erforderlich war. Diese Burg war zu weit entfernt, als daß er Einzelheiten erkennen konnte, doch er wußte, daß ihre Mauern mindestens sechs Meter hoch sein mußten.