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»Dann kannst du für mich ein Bad richten ... Wie ist dein Name?«

Die Verwalterin knickste wieder.

»Ich heiße Cruinn, Lady.«

Fidelma bemühte sich krampfhaft, eine ernste Miene zu bewahren, denn der Name bezeichnete jemanden, der rund war, und paßte ausgezeichnet zu der kugeligen Figur der Verwalterin. Die Frau lächelte und merkte anscheinend nichts von Fidelmas Ringen um Fassung.

»Sag mal, Cruinn«, schaltete sich Eadulf ein, der die Frau ablenken wollte für den Fall, daß Fidelma ihren inneren Kampf verlor, »wer wohnt denn außer uns noch im Gästehaus?«

Die Dicke wandte sich ihm zu.

»Ach, auch jemand, der an euren Gott glaubt. Ein Edelmann aus dem Norden, glaube ich.«

»Ein Edelmann aus dem Norden?« fragte Fidelma, die plötzlich ernst geworden war.

»Nun, er ist reich gekleidet und trägt viel schönen Schmuck.«

»Weißt du, wie er heißt?«

»Nein, das weiß ich nicht. Aber der andere, sein Begleiter, der wird Bruder Dianach genannt und ist wohl sein Diener.«

»Sie sind aus dem Norden, sagst du?« wiederholte Fidelma, wie um sicherzugehen.

»Aus dem weit entfernten Königreich Ulaidh, habe ich gehört.«

»Wenn das Ultans Abgesandter ist, dann frage ich mich, was Armagh sucht in diesem .« Fast hätte Fidelma»gottverlassenen Land« gesagt, aber da die Leute hier nicht an Gott glaubten, war das wohl nicht die richtige Beschreibung. Orla hatte erwähnt, daß Ultan von Armagh dem Fürsten Laisre Geschenke geschickt hatte. Geschenke von Armagh. Aber das ergab keinen Sinn. Warum sollte Armagh einem heidnischen Fürsten Geschenke machen, dessen Herrschaftsbereich nicht in seine Zuständigkeit fiel und in dem die Menschen nicht einmal dem Glauben anhingen? Die füllige Verwalterin unterbrach ihr Grübeln.

»Ich habe keine Ahnung, wer sie sind oder was sie hier wollen. Ich weiß nur, daß Gäste kommen und gehen und ich meine Arbeit damit habe. Besser wäre es, wenn sie da blieben, wohin sie gehörten, statt herumzureisen.« Cruinn seufzte tief, ein merkwürdig keuchendes Geräusch, bei dem ihre Figur gefährlich ins Wackeln geriet. »Na, es steht mir nicht zu, mich zu beklagen, aber das ist meine Meinung. Komm, Lady, ich bereite dir zuerst das Bad.«

»Ich warte hier«, erbot sich Eadulf, »und vielleicht kann ich mich mit etwas Met erfrischen, solange ich warte?«

»Den findest du in dem Fäßchen dort«, antwortete Cruinn und wies über die Schulter zurück, während sie Fidelma zu einem der Badezimmer brachte. »Aber das zweite Bad ist auch schon fertig, wenn du jetzt baden willst.«

Eadulf fing Fidelmas Blick auf und biß sich auf die Lippen.

»In dem Fall spart es Zeit, wenn ich auch gleich bade.« Widerwillig gab er nach.

Als Angelsachse fand er die Badesitten der Leute von Eireann etwas übertrieben. Sie wuschen sich zweimal am Tag, wobei die zweite Wäsche aus einem Vollbad bestand. Jedes Gasthaus besaß ein oder mehrere Badezimmer, jeweils mit einer großen Wanne oder Tonne, für die es mehrere Namen gab, die aber meist dabach genannt wurden. Nach dem Bad pflegte man sich mit süß duftenden Kräutersäften einzureiben.

Dieses abendliche Vollbad, das fothrucud hieß, reichte den Leuten von Eireann aber offenbar nicht, denn sie wuschen sich außerdem morgens unmittelbar nach dem Aufstehen das Gesicht und die Hände. Beim Baden wie beim Waschen bedienten sie sich eines Täfelchens einer wohlriechenden fettigen Substanz, die sie sleic oder Seife nannten, mit einem Leinentuch auftrugen und zu Schaum rieben. Zu gewissen Zeiten nahmen sie sogar rituelle Dampfbäder in kleinen Steinhütten, die Tigh ’n alluis oder »Schwitzhäuser« hießen. Darin wurden große Feuer entzündet, bis der Raum so heiß war wie ein Ofen, dann traten die Badenden ein und blieben darin, bis sie schwitzten, worauf sie herauskamen und sich sofort in einen kalten Bach stürzten. Dieses Verfahren mißbilligte Eadulf heftig. So etwas konnte doch nur in ein frühes Grab führen. Sein eigenes Volk war nicht so versessen aufs Baden.

Die oberen Klassen der Angelsachsen badeten einmal in der Woche, wobei Schwimmen in einem Fluß oder See als hinreichende Reinigung galt. Eadulf war weder körperlich, in seinen Manieren oder in seiner Kleidung schmutzig, doch die Badegewohnheiten in Eireann hielt er für überzogen.

Eine Stunde später, sie beendeten gerade ihre Mahlzeit, da öffnete sich die Tür des Gästehauses und ein breitgesichtiger Mann trat ein. Er war unverkennbar ein Geistlicher. Er trug die Tonsur des heiligen Petrus, doch nicht die einfachen Kutte der meisten Mönche, sondern er war in elegante Seide und besticktes Leinen gekleidet und mit einem edelsteinbesetzten Kruzifix geschmückt, wie es Fidelma und Eadulf nicht mehr gesehen hatten, seit sie zusammen in Rom waren. Fidelmabetrachtete ihn mißbilligend. Sein Reichtum widersprach völlig der Lehre Christi.

Die Augen des Mannes waren dunkel und wachsam. Sie besaßen die merkwürdige Eigenschaft, starr zu blicken, ohne zu blinzeln, wie die Augen eines Tieres, das seine Beute beobachtet. Sie erschienen klein in dem breiten Gesicht. Der Mann war nicht groß, eher untersetzt als dick, obgleich das fleischige Gesicht dazu verleitete, ihn für beleibt zu halten, bis man seine muskulösen Schultern und kräftigen Arme bemerkte.

»Ich bin Bruder Solin«, verkündete er wichtig, »Sekretär des Erzbischofs Ultan von Armagh.« Seine Sprechweise bei dieser Vorstellung bestätigte, daß er aus dem Königreich der Ui Neill von Ulaidh kam. Etwas an ihm ließ Fidelma sofort einen Widerwillen gegen ihn fassen. Vielleicht war es die Art, in der er sie beinahe abschätzend anstarrte und die keinen Zweifel daran ließ, daß er sie als Frau beurteilte und nicht als Person. »Orla hat mich von eurer Ankunft unterrichtet. Du bist Schwester Fidelma, und du mußt der fremde Geistliche sein.«

»Du bist weit entfernt von Armagh, Solin.« Fidelmaerhob sich, ungern zwar, doch die Höflichkeit gebot es in Anbetracht der Stellung des Geistlichen aus dem Norden.

»So wie du von Cashel«, erwiderte der untersetzte Mann ungerührt, trat zu ihnen und setzte sich.

»Cashel ist der Königssitz dieses Reiches, Solin«, entgegnete Fidelma kühl.

»Armagh ist der Königssitz des Glaubens für alle fünf Königreiche«, wehrte der Mann lässig ab.

»Das ist durchaus umstritten«, gab Fidelma zurück. »Der Bischof von Imleach erkennt solchen Vorrang keineswegs an.«

»Nun, das ist eine so heikle Frage, daß wir sie der Zukunft überlassen sollten.« Solin schob das Thema wie gelangweilt beiseite.

Fidelma ließ sich nicht ablenken. Sie beschloß, direkt zu werden.

»Wozu hält sich der Sekretär Ultans von Armagh in diesem kleinen Winkel des Königreichs meines Bruders auf?«

Solin goß sich einen Becher Met aus dem Krug auf dem Tisch ein.

»Verbietet Cashel sein Land wandernden Geistlichen?«

»Das ist keine Antwort«, konterte Fidelma. »Ich meine, du fällst wohl kaum in die Kategorie eines pe-regrinatorpro Christo.«

Ein zorniges Funkeln trat in Solins Augen.

»Schwester, ich glaube, du vergißt dich. Als Sekretär Ultans ...«, protestierte er.

»Du hast mir gegenüber keinen Anspruch auf einen höheren Rang. Ich bin hier als Gesandte meines Bruders, des Königs von Cashel. Wozu bist du hier?«

Einen Moment wich das Blut aus Solins Gesicht, aber er bezwang seine Wut über diese direkte Frage. Er gewann die Fassung zurück und lächelte dünn.

»Ultan von Armagh entsendet mich in die entfernten Winkel der fünf Königreiche, um zu erfahren, wie es mit dem Glauben vorangeht. Er hat mir Geschenke mitgegeben, die ich verteilen soll .«

Plötzlich öffnete sich die Tür.

Es war Orla. Sie trat mit verärgerter Miene ein.

»Was soll das heißen?« fauchte sie. »Man läßt meinen Bruder warten. Ist das die Höflichkeit, die Cashel seinen Fürsten erweist?«