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Fidelma sah ihn einen Moment ernst an und fragte dann harmlos: »Warum sagst du, es sei ein sinnloses Morden gewesen?«

»Ich verstehe nicht, was du meinst«, erwiderte der Tanist überrascht.

»Wenn du den Grund dafür nicht kennst, warum sagst du, es sei ein sinnloses Morden gewesen?« erklärte sie ihre Frage.

Nach einer verlegenen Pause zuckte Colla die Achseln.

»Das war nur so dahergeredet ...«

Er wurde von Gelächter unterbrochen. Laisre war außer sich vor Vergnügen.

»Du hast einen scharfen Verstand, Fidelma. Unsere Verhandlung wird interessant werden. Aber im Ernst, als Orla und Artgal die Sache berichteten, waren wir alle ratlos. Die Ui Fidgente haben Ruhe gegeben, seit das Heer deines Bruders sie voriges Jahr am Berg Äine schlug. Bis dahin waren sie die einzigen, die in feindlicher Absicht in dieses Land einfielen. Manche der Stämme jenseits dieses Tals verloren dadurch Teile ihrer Herden. Doch warum jene Fremden töten und noch dazu auf die Art? Woher kamen sie? Bisher scheint niemand eine Antwort auf diese verwirrenden Fragen zu kennen.«

Fidelma war plötzlich interessiert.

»Sind wir sicher, daß es sich um Fremde handelt?«

Laisre hatte keinen Zweifel.

»Artgal hat sich das Gesicht jeder Leiche angesehen. Wir sind keine so große Gemeinschaft, daß dreißig unserer jungen Männer verschwinden könnten, ohne daß wir es wüßten. Er hat keinen erkannt.«

»Dreiunddreißig, genau gesagt«, antwortete Fidelmaund wandte sich bewußt Murgal zu. »Dreiunddreißig Leichen. Dreiunddreißig ist eine eigenartige Zahl. Dreiunddreißig in einem Sonnenkreis abgelegt. Jeder auf dreierlei Art getötet - der Dreifache Tod.«

Eisiges Schweigen herrschte in der Ratshalle; es war so still, daß man das leise Schnarchen eines der Jagdhunde durch das Knistern des Feuers hindurch hören konnte. Niemand antwortete. Alle verstanden, was sie damit sagen wollte. Denen, die der alten Art der Götterverehrung anhingen, bedeutete diese Symbolik viel. Schließlich trat Murgal zornig einen Schritt vor.

»Sprich weiter, Gesandte von Cashel. Ich meine, es steckt eine Anklage hinter deinen Worten.«

Laisre schaute seinen Brehon verlegen an.

»Ich habe keine Anklage gehört, Murgal«, wies er ihn zurecht. Dann wandte er sich an Fidelma und fuhr höflich fort: »Die Vorstellung, daß wir, die wir bei der alten Religion bleiben, Menschen opfern, wie es dem Vernehmen nach einige eurer Geistlichen predigen, ist Unsinn. Selbst in den alten Sagen über die Verehrung des Idols Cromm waren es die Druiden, die sich gegen den König Tigernmas gestellt haben sollen, der diese Verehrung eingeführt hatte, und sie waren es auch, die seinen Sturz herbeiführten und diesem üblen Kult ein Ende bereiteten.«

»Dennoch«, beharrte Fidelma, »muß ich auf den Symbolgehalt dieser Tötungen hinweisen. Er fordert unweigerlich Fragen heraus, die beantwortet werden müssen.«

Orla hatte sich neben ihren Gatten gestellt, jetzt schnaufte sie verächtlich.

»Ich habe Fidelma von Cashel bereits erklärt, daß sie die Verantwortung für diese Morde nicht Gleann Geis anlasten kann.«

»Ich habe nicht behauptet, daß die Verantwortung Gleann Geis trifft. Aber irgendwo liegt sie. Ich bitte um die Erlaubnis, mich für ein paar Tage von den Beratungen zurückzuziehen und unverzüglich mit der Untersuchung zu beginnen, bevor Wind und Regen die Spuren verwischen.«

Es war offensichtlich, daß Laisre von diesem Vorschlag nicht erbaut war. Doch es war Colla, der an seiner Stelle das Wort nahm.

»Es gibt sicherlich zwischen Gleann Geis und Cashel viel zu besprechen«, schaltete er sich ein, an Laisre gewandt. »Diese Verhandlungen sind wichtig. Es ist keine Zeit zu verlieren. Aus diesem Grunde möchte ich einen Vorschlag machen, mein Fürst. Gib mir die Erlaubnis, mit einem halben Dutzend Krieger auszureiten und an Stelle von Fidelma von Cashel die Untersuchung vorzunehmen. Während sie den Auftrag erfüllt, der sie nach Gleann Geis geführt hat, stelle ich fest, was über diese Morde in Erfahrung zu bringen ist, und kehre zurück und berichte ihr.«

Laisre nahm diesen Vorschlag mit Erleichterung auf.

»Eine ausgezeichnete Idee. Wir sind einverstanden.«

Fidelma wollte schon ihre Unzufriedenheit kundtun und darauf hinweisen, daß sie als ausgebildete dalaigh erfahrener in solchen Dingen war als Laisres Tanist, doch der Fürst fuhr fort: »Ja, mach dich bereit, Colla. Nimm Artgal mit und so viele Männer, wie du für nötig hältst. Du brauchst erst morgen bei Tagesbeginn aufzubrechen. Heute abend feiern wir unser Fest zum Willkommen der Gesandten aus Cashel, wie wir es geplant hatten.« Lächelnd wandte er sich an Fidelma. »Ein löbliches Vorgehen, meinst du nicht auch, Fidelma von Cashel?«

Fidelma wollte noch weiter widersprechen, doch Murgal unterbrach sie im Ton der Befriedigung.

»Ich bin sicher, daß Colla feststellen wird, daß Gleann Geis keine Schuld trifft.«

Fidelma sah ihn verärgert an.

»Ich bin auch sicher, daß euer Tanist zu diesem Ergebnis gelangt.«

Murgal erwiderte ihren Blick und verstand, was sie damit andeutete. Er überlegte anscheinend einen Moment, ob er ihre Worte übelnehmen sollte, doch sie wandte sich ab und verbarg ihren Groll darüber, daß sie so von ihrem Ziel abgebracht worden war.

Eadulf war etwas besorgt und fragte sich, ob Fidelmadas Thema noch weiter verfolgen würde. Es war unschwer zu erkennen, daß sie auf keinen Fall die Erlaubnis des Fürsten von Gleann Geis erhalten würde, die Verhandlungen zu vertagen und eine Untersuchung der Morde durchzuführen. Eadulf war es nur recht, daß Fidelma das anscheinend auch einsah, denn schließlich neigte sie zum Zeichen ihres Einverständnisses den Kopf.

»Nun gut, Laisre«, sagte sie, »ich nehme den Vorschlag an. Bei meiner Rückkehr nach Cashel werde ich meinem Bruder einen ausführlichen Bericht über diese Angelegenheit zu erstatten haben, deswegen interessiert mich alles, was Colla feststellen kann, auch das, was ihm unwesentlich erscheinen mag.«

»Dann werde ich mit meinen Männern bei Tagesanbruch aufbrechen, Fidelma von Cashel«, versicherte ihr der Tanist.

Laisre strahlte vor Zufriedenheit.

»Ausgezeichnet. Jetzt wollen wir uns anderen Dingen zuwenden. Ich habe meine Pflichten als Gastgeber versäumt. Hat man dir Solin vorgestellt, den Sekretär Ultans von Armagh, einen führenden Geistlichen deines Glaubens?«

Fidelma machte sich nicht die Mühe, sich zu Bruder Solin umzudrehen. Aus dem Augenwinkel hatte sie gesehen, daß Solin bei Eadulf stand und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Eadulf schien es unbehaglich zu sein, denn er hatte sich ein oder zwei Schritte abseits gestellt.

»Ich habe Bruder Solin bereits kennengelernt«, antwortete sie in einem Ton, der keine Freude an dieser Bekanntschaft verriet.

»Und Bruder Dianach, meinen Schreiber?« erkundigte sich Solin vortretend. »Ich glaube, ihn kennst du noch nicht?«

Es lag etwas Hochtrabendes in der Art, in der er es sagte, als wolle er darauf hinweisen, er sei ein so wichtiger Mann, daß er einen Schreiber brauche. Fidelma wandte sich um und musterte den schmächtigen, etwas weichlichen jungen Mann, den Solin nun nach vorn schob. Er war kaum zwanzig, hatte ein blasses, fleckiges Gesicht und eine schlecht geschnittene Tonsur nach römischer Art. Der junge Mann war aufgeregt, und seine dunklen Augen wichen ihrem Blick aus, wodurch er verschlagen wirkte. Der linkische Bursche tat ihr leid.

»Salve, Bruder Dianach«, begrüßte sie ihn nach römischer Weise und versuchte, ihm seine Unsicherheit zu nehmen.

»Pax tecum«, stotterte er als Antwort.

Fidelma wandte sich wieder Laisre zu.

»Ich möchte auch die Gelegenheit benutzen und Bruder Eadulf vorstellen, den Gesandten des Erzbischofs Theodor von Canterbury im Lande Kent.«