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Nach kurzem Schweigen sagte Fidelma: »Das Fest heute abend wird eine förmliche Angelegenheit, habe ich gehört. Du weißt, daß es dabei eine Rangfolge der Plätze gibt?«

»Ich bin lange genug in Eireann, um das zu wissen«, bekannte er.

»Sehr gut. Ich werde bei Laisre und seinen nächsten Verwandten sitzen, aus dem einfachen Grunde, weil ich die Schwester des Königs von Cashel bin. Ich nehme an, Bruder Solin wird bei den ollamhs und den Gelehrten wie Murgal sitzen. Du findest deinen Platz wahrscheinlich am selben Tisch wie Bruder Solins junger Schreiber, Bruder Dianach. Der ist nicht nur jung, sondern auch naiv. Versuche, aus ihm etwas über die Vorhaben seines Herrn und Meisters herauszuholen. Mir ginge es besser, wenn ich genau wüßte, was Solin in Gleann Geis sucht.«

»Ich werde tun, was ich kann, Fidelma. Überlaß das mir.«

Fidelma schwieg nachdenklich.

»Ich dachte erst, diese Verhandlung wäre eine einfache Sache, Eadulf. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Hier spielt sich etwas Seltsames ab, etwas unter der Oberfläche, was wir ergründen müssen. Ich spüre das.«

Ein Räuspern unterbrach sie. In ihr Gespräch vertieft, hatten sie nicht bemerkt, daß sich ein blonder Krieger ihnen genähert hatte. Der Mann stand in ein paar Metern Entfernung und betrachtete sie forschend. Es war derselbe Krieger, der Orla am Tor der Burg begrüßt hatte.

»Ich sah dich und den Bruder hier stehen, Schwester, und fragte mich, ob ihr etwas braucht?« sprach er sie an.

»Nein, wir genießen nur die Abendluft vor dem Fest«, erklärte Eadulf.

Fidelma musterte den Krieger interessiert. Er wirkte kräftig, das blonde Haar hatte die Farbe reifen Korns, und seine Augen waren hellblau. Er war Anfang dreißig. Sein altmodischer langer Schnurrbart, der neben dem Mund bis fast zum Kinn reichte, ließ ihn älter erscheinen. Er hielt sich sehr gut.

»Warum redest du mich mit >Schwester< an?« fragte Fidelma plötzlich. »Wer nicht dem Glauben angehört, tut das gewöhnlich nicht.«

Der Krieger schaute ihr lange ins Gesicht, warf einen kurzen Blick auf Eadulf und senkte die Augen. Dann sah er sich auf dem Umgang um, als fürchte er Zeugen, schob die Hand unter das Hemd und holte einen Gegenstand an einer Lederschnur hervor. Es war ein kleines Kruzifix aus Bronze.

Fidelma betrachtete es nachdenklich.

»Du bist also Christ?«

Der Mann nickte rasch und verbarg das Kruzifix wieder unter dem Hemd.

»Es gibt mehr von uns hier, als der Druide Murgal zugeben möchte, Schwester«, antwortete er. »Meine Mutter kam her, um einen Mann aus Gleann Geis zu heiraten, und als ich geboren wurde, erzog sie mich heimlich im Glauben.«

»Als Laisre sagte, er brauche eine Kirche und eine Schule für die hiesige christliche Gemeinde, für die bereits im Glauben Aufgewachsenen«, meinte Eadulf, »da hat er also nicht gelogen?«

Der Blonde schüttelte den Kopf.

»Nein, Bruder. Unsere Gemeinde hat unseren Fürst und seinen Rat viele Jahre gedrängt, einen Priester für uns kommen zu lassen. Bis vor kurzem haben sie sich geweigert. Dann hörten wir zu unserer Freude, daß Laisre zu diesem Zweck in Imleach und Cashel angefragt habe.«

»Wie heißt du?« fragte Fidelma.

»Mein Name ist Rudgal, Schwester.«

»Und du bist Krieger, wie ich sehe.«

Rudgal lachte leise.

»Es gibt keine Berufskrieger hier in Gleann Geis. Ich bin Wagenbauer, aber ich folge Laisres Ruf, so oft er die Dienste von Kriegern braucht. Jeder Mann geht hier seiner Arbeit nach. Selbst Artgal, den Laisre als den Anführer seiner Leibwache betrachtet, ist gelernter Schmied.«

Fidelma erinnerte sich an das, was Orla ihr erzählt hatte.

»Und warum gibst du dich uns zu erkennen, Rud-gal?« fragte Eadulf.

Rudgal blickte rasch von einem zum anderen.

»Für den Fall, daß ich euch irgendwie zu Diensten sein kann. Laßt es mich wissen, wenn ihr etwas braucht, was ich euch besorgen kann.«

In der Nähe ertönte ein Hornstoß. Rudgal verzog das Gesicht.

»Ach, das Horn! Wir werden zum Fest gerufen.«

Eadulf stellte fest, daß sich Laisre, wie Fidelma vorausgesagt hatte, streng an die Tradition hielt. Alles war im großen Vorraum vor dem Ratssaal der Burg versammelt, den man in den Festsaal verwandelt hatte. Drei Mitglieder aus Laisres Hofhaltung gingen zuerst in die Halle: Murgal als sein Ratgeber, dann ein bolls-care oder Hofmarschall, der die Rangfolge der Plätze zu regeln hatte, und der Hornist oder fearstuic. Nach dem nächsten Hornsignal marschierten Laisres Schildträger und andere Träger von Schilden oder Wappen von Laisres Kriegern hinein. Die Schilde wurden entsprechend dem Rang über den Stühlen aufgehängt.

Beim dritten Hornstoß wurden die Embleme der anderen Ränge hineingetragen und an den Plätzen aufgestellt, die für diese Gäste vorgesehen waren. Nach dem vierten Signal gingen alle Gäste gemütlich hinein, und jeder suchte sich den Platz, den ihm sein Zeichen anwies. Auf diese Weise wurde ungehöriges Streiten oder Gerangel um Plätze vermieden. Kein Mann und keine Frau saß einem oder einer anderen gegenüber, denn es wurde nur eine Seite der Tische besetzt. Dieses starre Festhalten an der Rangfolge war, wie Eadulf wußte, eine strenge Regel.

In der Halle waren große Holztische aufgestellt worden. Laisres Hofmarschall lief noch eifrig umher und vergewisserte sich, daß jeder den seinem Rang gemäßen Platz gefunden hatte. Es war schon vorgekommen, so hatte Eadulf gehört, daß über die Sitzordnung bei einem Fest ernsthafte Streitigkeiten ausgebrochen waren.

Am obersten Tisch saß Fidelma als Eoghanacht-Prinzessin neben Laisre. An ihrer anderen Seite hatte sie Colla, den Tanist, danach seine Frau Orla und ihre Tochter Esnad. Weitere Familienmitglieder des Fürsten folgten auf beiden Seiten. Die Krieger saßen an einem anderen Tisch, an wieder einem anderen die geistigen Häupter wie Solin und Murgal und andere, die Eadulf nicht kannte. An Eadulfs Tisch waren anscheinend die niederen Ränge der geistigen Berufe versammelt. Unterfürsten und Inhaber kleiner Ämter besetzten einen weiteren Tisch.

Eadulf sah, daß Bruder Solins Schreiber, Bruder Dianach, tatsächlich links neben ihm saß, wie Fidelma es vorausgesagt hatte. Eadulf eröffnete das Gespräch mit der Bemerkung, daß ihm dieses Bestehen auf einer strengen Sitzordnung als ein merkwürdiger Brauch erscheine. Der junge Kleriker überwand seine spürbare Schüchternheit so weit, daß er über Eadulfs angedeutete Kritik den Kopf schüttelte.

»Zur Zeit meines Vaters war der Mißgriff, daß Congal Cloen beim Bankett von Dün na nGeid tiefer eingeordnet wurde, als es seinem Rang entsprach, der Hauptgrund für die Schlacht von Magh Rath«, erklärte er mit ruhigem Ernst.

Eadulf führte das Gespräch gern fort.

»Was für eine Schlacht war das?«

»Es war die Schlacht, in der der Großkönig Dom-nall mac Aedo den Congal und seine Verbündeten, die Dal Riada von jenseits des Meeres, vernichtete«, antwortete der junge Schreiber.

Ein älterer Mann an der anderen Seite von Dianach, der sich als Mel, der Schreiber Murgals, vorgestellt hatte, griff ins Gespräch ein.

»Um die Wahrheit zu sagen, war es diese Schlacht, die den Untergang der alten Religion bei den großen Königen im Norden besiegelte.« Mißfallen schwang in seinem Ton mit. »Gewiß, es gab Streit über die Beleidigung, die man Congal mit der Sitzordnung beim Fest zugefügt hatte. Aber die großen Fürsten von Ulaidh hatten sich lange gegen den neuen Glauben gewehrt, und der christliche König Domnall mac Aedo war entschlossen, ihn ihnen aufzuzwingen. Mit ihrer Niederlage gegen Domnall mac Aedo in der Schlacht von Magh Rath brach ihr Widerstand zusammen. Der alte Glaube ist seitdem auf kleine, abgelegene Clans beschränkt.«

Der junge Schreiber, Bruder Dianach, bemühte sich, ein Schaudern zu unterdrücken, und bekreuzigte sich.