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Colgü seufzte und senkte den Kopf.

»Da ist etwas Wahres dran. Doch die Zeiten ändern sich rasch, und Laisre ist anscheinend ein intelligenter Mann. Er sieht jetzt ein, daß er dem Fortschritt nicht ewig im Wege stehen kann.«

Fidelma war überrascht.

»Heißt das, daß er sich zum Glauben bekehrt hat?«

»Nicht ganz«, gestand Colgü. »Er hält immer noch verbissen an den alten Bräuchen fest. Doch er ist bereit, die Argumente beider Seiten offen abzuwägen. In seinem Volk gibt es aber noch viel Widerstand dagegen. Der erste Schritt wäre also zu verhandeln ...«

»Zu verhandeln?«

»Laisre hat uns wissen lassen, daß er bereit ist, mit mir darüber zu verhandeln, daß er Glaubensleuten die Erlaubnis erteilt, auf seinem Gebiet eine Kirche und eine Schule zu errichten, die späterhin die alten heidnischen Kultstätten ersetzen sollen.«

»Der Ausdruck >verhandeln< läßt darauf schließen, daß er etwas dafür haben will. Wie hoch ist sein Preis für die Erlaubnis, eine Kirche und eine Schule auf seinem Gebiet zu bauen?«

Colgü zuckte leicht mit den Schultern.

»Den Preis müssen wir ermitteln. Ich brauche jemanden, der sowohl für dieses Königreich als auch für die Kirche sprechen kann.«

Fidelma schaute ihren Bruder nachdenklich an.

»Willst du damit sagen, daß ich in die Cruacha Dubha gehen und mit Laisre verhandeln soll?« fragte sie überrascht. Sie hatte gedacht, Colgü wolle nur ihren Rat in dieser Sache hören.

»Wer ist geschickter im Verhandeln und wer kennt dieses Königreich und seine Bedürfnisse besser als du?«

»Aber .«

»Du kannst in meinem Namen sprechen, Fidelma, und auch im Namen von Bischof Segdae. Finde heraus, was Laisre will, was er erwartet. Wenn die Bedingungen vernünftig sind, kannst du ihnen zustimmen. Sind sie unzumutbar, kannst du ihm erklären, der König und sein Rat müßten sie erst noch prüfen.«

Fidelma überlegte.

»Weiß Laisre, daß ich komme?«

»Ich wagte nicht, davon auszugehen, daß du zustimmst, Fidelma.« Colgü lächelte. »Er bat nur darum, daß ein Abgesandter des Glaubens zum Anfang der nächsten Woche in sein Gebiet kommen möge und daß er meines Ranges würdig wäre. Nimmst du an?«

»Wenn es denn dein Wunsch ist, daß ich dich und Bischof Segdae vertrete. Übrigens, warum ist der gute Bischof nicht hier und sagt uns seine Meinung dazu?«

Colgü schmunzelte.

»Er ist hier. Ich habe den alten >Grenzlandfalken< draußen warten lassen, bis ich die Sache mit dir besprochen habe. Er wird dir seine Meinung später mitteilen.«

Fidelma sah ihren Bruder mißtrauisch an.

»Du warst also sicher, daß ich gehen würde?«

»Niemals«, versicherte ihr Colgü mit einem Lächeln, das seine Antwort nicht glaubwürdiger machte. »Doch wenn du nun gehst, dann nimm einen Trupp meiner Elitekrieger mit, meiner Ritter vom Goldenen Halsreif.«

»Und was würde Laisre sagen, wenn ich an der Spitze eines Trupps von Niadh Nasc in sein Gebiet geritten käme? Wenn ich Gesandte sein soll, muß ich auch als Gesandte auftreten. Er würde die Kriegerschar nur als Beleidigung und als Einschüchterung bei den Verhandlungen betrachten. Krieger sind fehl am Platz, wenn über die Errichtung einer Kirche oder einer Schule verhandelt wird. Ich reite allein.«

Colgü schüttelte heftig den Kopf.

»Allein in die Cruacha Dubha? Nein, das tust du nicht. Nimm wenigstens einen Krieger mit.«

»Ob ein Krieger oder zehn, sie sind eben Krieger und erregen Unwillen. Nein, ich werde nur noch einen Vertreter des Glaubens mitnehmen und damit unsere friedlichen Absichten bekunden.«

Colgü blickte ihr forschend ins Gesicht und gab nach. Er wußte, sie hatte sich entschlossen, und wenn seine Schwester einen Entschluß gefaßt hatte, das war

Colgü klar, hatte es keinen Zweck, ihn umstoßen zu wollen.

»Dann nimm deinen Angelsachsen mit«, beharrte er. »Er ist ein guter Mann an deiner Seite.«

Fidelma blickte ihren Bruder rasch an, doch diesmal errötete sie nicht.

»Bruder Eadulf hat vielleicht anderes zu tun - es ist doch sicher an der Zeit, daß er zum Erzbischof von Canterbury zurückkehrt, der ihn dir als Gesandten schickte?«

Colgü lächelte sanft.

»Ich denke, du wirst feststellen, daß Bruder Eadulf bereit ist, noch etwas länger in unserem Königreich zu verweilen, Schwester. Trotzdem wünschte ich, du würdest dich von meinen Kriegern begleiten lassen.«

Fidelma blieb hart.

»Wie können wir beweisen, daß der Glaube der Weg des Friedens und der Wahrheit ist, wenn wir mit Gewalt bekehren? Nein, ich sage dir nochmals, Bruder, wenn ich ausgesandt werde, um mit Laisre und seinem Volk zu verhandeln, dann muß ich sie davon überzeugen, daß ich auf meinen Glauben vertraue und mich auf eine Zunge verlasse, die die Wahrheit spricht, und nicht auf ein Schwert. Vincit omnia Veritas!«

Colgü war belustigt.

»Es mag schon sein, daß die Wahrheit alles besiegt, doch das Geheimnis besteht darin, zu wissen, wann und zu wem man diese Wahrheit sagt. Da du lateinische Sprichwörter so gern magst, Fidelma, gebe ich dir diesen Rat: cave quid dicis, quando et cui.«

Fidelma senkte ernst den Kopf.

»Das ist ein Rat, den ich beherzigen werde.«

Colgü erhob sich und ging zu einem Schrank. Ihm entnahm er einen kleinen Stab aus Ebereschenholz, auf dem eine kleine goldene Figur befestigt war. Es war das Abbild eines Hirsches mit Geweih, das Symbol des Fürstengeschlechts der Eoghanacht von Cashel. Feierlich überreichte ihn Colgü seiner Schwester.

»Hier ist das Wahrzeichen deiner Gesandtschaft, Fidelma. Dieser Stab verleiht dir meine Autorität und das Recht, in meinem Namen zu sprechen.«

Fidelma stand auf. Sie kannte den Symbolgehalt des Stabes gut.

»Ich werde dich nicht enttäuschen, Bruder.«

Colgü sah seine Schwester liebevoll an und legte ihr dann beide Hände auf die Schultern.

»Da ich dich nicht dazu überreden kann, einen Trupp meiner Krieger mitzunehmen, biete ich dir den zweitbesten Beistand an.«

Fidelma sah gespannt zu, wie Colgü sich umwandte und in die Hände klatschte. Die Tür öffnete sich, und sein Brehon und sein Kämmerer traten ein. Ihnen folgte Bischof Segdae, ein älterer Mann mit Hakennase, dessen Gesicht seinem Namen zu entsprechen schien. Offensichtlich hatten sie draußen auf diesen Moment gewartet. Sie verneigten sich kurz und respektvoll vor Fidelma. Dann trat der Kämmerer wortlos an Colgüs linke Seite. Er trug ein kleines Kästchen aus Holz, das er nun dem König darbot.

»Ich wollte dies schon seit einiger Zeit tun«, gestand Colgü vertraulich, während er das Kästchen öffnete. »Besonders, seitdem du die Pläne der Ui Fid-gente zum Sturz meines Königreichs zunichte gemacht hast.«

Er nahm eine goldene Kette heraus. Sie war einfach gearbeitet und etwa zwei Fuß lang.

Fidelma hatte gesehen, wie andere Könige von Cashel diese Auszeichnung vornahmen, und begriff plötzlich, was bevorstand. Dennoch war sie überrascht.

»Du willst mich in die Niadh Nasc aufnehmen?« flüsterte sie.

»Das will ich«, bestätigte ihr Bruder. »Kniest du nieder und sprichst den Eid?«

Die Niadh Nasc, der Orden der Goldenen Kette oder des Goldenen Halsreifs, war eine ehrwürdige Adelsbruderschaft in Muman, die aus Mitgliedern der Elitekriegergarde der Könige von Cashel hervorgegangen war. Die Ehre wurde von den Eoghanacht-Königen von Cashel persönlich verliehen, und jeder Träger verpflichtete sich ihnen zur persönlichen Treue. Dafür trug er ein Kreuz, das einem alten Sonnensymbol nachgebildet war, denn die Ursprünge des Ordens sollten auch bis in tiefe Vorzeit zurückreichen. Manche Chronisten behaupteten, er sei tausend Jahre vor Christi Geburt gegründet worden.

Langsam sank Fidelma auf die Knie.

»Schwörst du, Fidelma von Cashel, bei allem, was du verehrst, den rechtmäßigen König von Muman, das Oberhaupt deines Hauses, zu verteidigen und zu be-schützen und deine Gefährten des Ordens der Goldenen Kette in brüderlicher und schwesterlicher Verbundenheit anzunehmen?«

»Ich schwöre es«, flüsterte Fidelma und legte ihre rechte Hand in die ihres Bruders, des Königs Colgü.

Er nahm die goldene Kette und wand sie um ihre verschlungenen Hände als einem symbolischen Akt der gegenseitigen Verpflichtung.

»Im Bewußtsein deiner Treue gegenüber unserer Person, unserem Hause und unserem Orden und des feierlichen Eides, den du geschworen hast, ihnen zu gehorchen, sie zu verteidigen und zu beschützen, binden wir dich nun mit dieser Kette in unseren Dienst ein und nehmen dich in die Niadh Nasc auf. Möge nur der Tod und niemals die Unehre diese Kette zertrennen.«

Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann löste Colgü mit einem verlegenen Lachen die Kette, hob seine Schwester auf und küßte sie auf beide Wangen. Darauf entnahm er dem Kästchen eine andere Goldkette. An ihrem Ende war ein eigenartig geformtes Kreuz befestigt, ein weißes Kreuz mit gerundeten Enden, in das ein einfaches Kreuz eingefügt war. Es war das Abzeichen des Ordens, älter als die christlichen Symbole. Ernst legte es Colgü seiner Schwester um den Hals.

»Jeder Mensch in den fünf Königreichen von Ei-reann kennt dieses Zeichen«, sagte er feierlich. »Du hast zwar den Schutz durch die Personen meiner Krieger abgelehnt, doch dies wird dir ihren Schutz im Geiste gewähren, denn wer ein Mitglied des Ordens kränkt, kränkt damit zugleich die Könige von Cashel und die Bruderschaft der Niadh Nasc.«

Fidelma wußte, daß dies kein eitles Versprechen ihres Bruders war. Nur wenige wurden in den Orden aufgenommen, und noch seltener wurde Frauen diese Auszeichnung zuteil.

»Ich werde das Zeichen in Ehren tragen, Bruder«, sagte sie ruhig.

»Möge es dir Schutz bieten auf deiner Reise ins Verbotene Tal und bei deiner Verhandlung mit Laisre. Und, Fidelma, denke an meine Mahnung: Cave quid dicis, quando et cui

Bedenke, was du sagst, wann und zu wem.

Der Rat ihres Bruders klang in Fidelma nach, als sie ihre Aufmerksamkeit wieder den düsteren, drohenden Gipfeln der Bergkette vor ihr zuwandte.