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Langsam sank Fidelma auf die Knie.

»Schwörst du, Fidelma von Cashel, bei allem, was du verehrst, den rechtmäßigen König von Muman, das Oberhaupt deines Hauses, zu verteidigen und zu be-schützen und deine Gefährten des Ordens der Goldenen Kette in brüderlicher und schwesterlicher Verbundenheit anzunehmen?«

»Ich schwöre es«, flüsterte Fidelma und legte ihre rechte Hand in die ihres Bruders, des Königs Colgü.

Er nahm die goldene Kette und wand sie um ihre verschlungenen Hände als einem symbolischen Akt der gegenseitigen Verpflichtung.

»Im Bewußtsein deiner Treue gegenüber unserer Person, unserem Hause und unserem Orden und des feierlichen Eides, den du geschworen hast, ihnen zu gehorchen, sie zu verteidigen und zu beschützen, binden wir dich nun mit dieser Kette in unseren Dienst ein und nehmen dich in die Niadh Nasc auf. Möge nur der Tod und niemals die Unehre diese Kette zertrennen.«

Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann löste Colgü mit einem verlegenen Lachen die Kette, hob seine Schwester auf und küßte sie auf beide Wangen. Darauf entnahm er dem Kästchen eine andere Goldkette. An ihrem Ende war ein eigenartig geformtes Kreuz befestigt, ein weißes Kreuz mit gerundeten Enden, in das ein einfaches Kreuz eingefügt war. Es war das Abzeichen des Ordens, älter als die christlichen Symbole. Ernst legte es Colgü seiner Schwester um den Hals.

»Jeder Mensch in den fünf Königreichen von Ei-reann kennt dieses Zeichen«, sagte er feierlich. »Du hast zwar den Schutz durch die Personen meiner Krieger abgelehnt, doch dies wird dir ihren Schutz im Geiste gewähren, denn wer ein Mitglied des Ordens kränkt, kränkt damit zugleich die Könige von Cashel und die Bruderschaft der Niadh Nasc.«

Fidelma wußte, daß dies kein eitles Versprechen ihres Bruders war. Nur wenige wurden in den Orden aufgenommen, und noch seltener wurde Frauen diese Auszeichnung zuteil.

»Ich werde das Zeichen in Ehren tragen, Bruder«, sagte sie ruhig.

»Möge es dir Schutz bieten auf deiner Reise ins Verbotene Tal und bei deiner Verhandlung mit Laisre. Und, Fidelma, denke an meine Mahnung: Cave quid dicis, quando et cui

Bedenke, was du sagst, wann und zu wem.

Der Rat ihres Bruders klang in Fidelma nach, als sie ihre Aufmerksamkeit wieder den düsteren, drohenden Gipfeln der Bergkette vor ihr zuwandte.

Kapitel 3

Der Aufstieg in die Berge dauerte länger, als Eadulf erwartet hatte. Der Weg drehte und wendete sich wie eine unruhige Schlange durch steile Fels- und Erdwälle hindurch, kreuzte schäumende Bäche, die von den mächtigen Gipfeln herabstürzten, und führte durch dunkle, bewaldete Täler und über offene, felsige Strecken. Eadulf fragte sich, wie jemand in so einer einsamen Gegend leben konnte, denn Fidelma versicherte ihm, dies sei der einzige Weg von Süden her in dieses Gebiet.

Als er hinaufspähte zu den schwindelerregenden Höhen, sah er etwas kurz aufblitzen. Er blinzelte. Er hatte dieses Aufblitzen schon zwei- oder dreimal beim Aufstieg bemerkt und zunächst gedacht, er habe es sich nur eingebildet. Seine Besorgnis mußte irgendwie erkennbar geworden sein, vielleicht durch eine Anspannung der Nackenmuskeln oder eine zu starre Kopfhaltung in einer Richtung, denn Fidelma sagte gelassen: »Ich sehe es auch. Jemand beobachtet unsere Annäherung seit mindestens einer halben Stunde.«

Eadulf war gekränkt.

»Warum hast du es mir nicht gesagt?«

»Was gesagt? Es dürfte nicht überraschen, wenn jemand auf Fremde achtet, die durch dieses Gebirge reiten. Bergbewohner sind ein mißtrauisches Volk.«

Eadulf schwieg. Dennoch behielt er die sie umgebenden Hügel wachsam im Auge. Seiner Meinung nach entstand das Aufblitzen durch das Auftreffen von Sonnenstrahlen auf Metall. Metall bedeutete Waffen oder Rüstungen. Das hieß, es könnte Gefahr drohen. Sie ritten schweigend weiter und kamen dabei immer höher. An einer Stelle wurde der Weg so steil und steinig, daß sie absteigen und ihre Pferde führen mußten.

Schließlich wollte Eadulf Fidelma schon fragen, ob es denn noch viel höher ginge, als der Weg plötzlich um eine Bergkante bog und sich überraschend ein breites Tal vor ihnen auftat. Es war mit Heidekraut und Mengen von rotem, orangefarbenem und grünem Stechginster bewachsen und bot ein seltsam liebliches Bild. Die höheren Berggipfel schienen noch so entfernt wie zuvor.

»Dieser Ritt nimmt gar kein Ende«, murrte Eadulf.

Fidelma hielt an, wandte sich im Sattel um und sah den Angelsachsen streng an.

»So ist es nicht. Wir müssen nur noch dieses weite Tal durchqueren und zwischen den Gipfeln dort hindurch. Dann sind wir in Laisres Gebiet, in Gleann Geis.«

Eadulf runzelte die Stirn.

»Ich dachte, du wärst hier noch nie gewesen?«

Fidelma unterdrückte einen Seufzer.

»Das war ich auch nicht, allerdings bin ich schon mal vorbeigekommen.«

»Woher weißt du dann ...«

»Aber Eadulf! Meinst du denn, unsere Leute hätten keine Ahnung vom Kartenzeichnen? Wenn wir uns in unserem eigenen Land nicht zurechtfänden, wie könnten wir dann Missionare in die riesigen Länder im Osten entsenden?«

Eadulf kam sich ein wenig töricht vor. Er wollte etwas sagen, doch plötzlich bemerkte er, daß Fidelma angespannt über das Tal vor ihnen schaute und dann zum Himmel aufsah. Er folgte ihrem Blick.

»Vögel«, stellte er fest.

»Die Raben des Todes«, sagte sie leise.

Die dunklen Punkte kreisten vor dem blauen Himmel und schienen sich in Spiralen abwärts zu senken.

»Zweifellos ein totes Tier«, meinte Eadulf und setzte hinzu: »Ein großes, wenn es so viele Aasfresser anlockt.«

»Sicherlich groß«, bestätigte Fidelma. Dann trieb sie ihr Pferd an und ritt entschlossen los. »Komm, es liegt auf unserem Wege, und ich möchte wissen, was so viele Vögel anzieht.«

Widerwillig folgte ihr Eadulf. Manchmal wünschte er sich, seine Gefährtin wäre nicht so wißbegierig. Er würde lieber der Hitze des Tages ausweichen und ihr Ziel so schnell wie möglich erreichen. Mehrere Tage im Sattel waren genug für ihn. Er würde allmählich einen bequemen Stuhl und einen im eisigen Bergbach gekühlten Krug Met vorziehen.

Fidelma mußte ihr Pferd vorsichtig lenken, denn der eben scheinende Talboden täuschte. Heidekraut und Dorngestrüpp überwuchsen tief die Unebenheiten. In dem Heidekraut und dem Ginster hätte sich eine ganze Armee verbergen können. Ihr Erscheinen hatte ein warnendes Krächzen unter den Vögeln ausgelöst, die ihre Kreise nun widerwillig wieder höher zogen.

Plötzlich parierte Fidelma ihr Pferd und starrte auf den Boden vor ihr.

»Was ist?« fragte Eadulf und schob sich neben sie. Sie schwieg und saß mit totenblassem Gesicht reglos im Sattel.

Eadulf folgte ihrem entsetzten Blick.

Auch er erbleichte.

»Deus miseratur ...«, begann er die erste Zeile des 67. Psalms und brach dann ab. Der Text schien ihm unpassend. Denen, die diesen seltsamen Altar des Todes bildeten, war niemand gnädig gewesen. Auf dem rauhen Boden lagen über zwanzig Leichen, nackte Leichen junger Männer in einem grotesken Kreis. Es war offenkundig, daß sie einen gewaltsamen Tod gefunden hatten.

Fidelma und Eadulf saßen still auf ihren Pferden, schauten auf diesen Kreis nackter Leichen und konnten nicht begreifen, was ihre Augen sahen.

Noch immer sprachlos, glitt Fidelma schließlich aus dem Sattel und trat ein oder zwei Schritte vor. Eadulf schluckte schwer, stieg ab, nahm die Zügel beider Pferde und band sie locker an einen nahen Busch. Dann ging er zu Fidelma.

Sie stand da, die Hände vor sich gefaltet, die Lippen zu einem Strich zusammengepreßt. Das leichte Zuk-ken eines Nervs an ihrem Kiefer verriet die Gefühle, die sie verbarg.

Sie trat noch einen Schritt vor und sah sich aufmerksam prüfend in diesem Kreis des Todes um. Es war keine Frage, daß die nackten männlichen Leichen nach dem Tode sorgfältig hier hingelegt worden waren.