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„Da wir der Polizei die Ermittlungen in diese Richtung überlassen müssen, möchte ich die Zeit nutzen, um mich um unsere eigenen Leute zu kümmern. Wenn Sie mir den Dienstplan des Tattages überlassen könnten, könnte ich mich an die Arbeit machen und feststellen, wo jeder zum fraglichen Zeitpunkt war und ob es Zeugen dafür gibt.“ Dann fiel ihm noch etwas ein. „Vielleicht gab es ja auch in der Touristengruppe jemanden, der auf Grund eines früheren Besuchs mit dem Ablauf bereits vertraut war. Vielleicht könnten Sie jemanden beauftragen, die Namen der Gruppe mit unseren alten Besucherlisten zu vergleichen?“

„Hervorragende Idee, Mackenzie. Ich werde Conners gleich darauf ansetzen.“ Als John hinausging, rief Mullins ihm hinterher.

„Wie geht es eigentlich mit Ihrem Ohrensausen?“

John stutzte und horchte in sich hinein. Tatsächlich waren die nervtötenden Geräusche stark abgeklungen. Vielleicht war ja eine Mörderjagd gar kein so schlechter Therapieansatz.

Kapitel 5

Zurück in seiner Wohnung setzte er sich an den Küchentisch und breitete den Dienstplan vor sich aus. Abbott, Armstrong, Bancroft, Burns, Campbell, Denham, Dunders... John stöhnte. Wie sollte er herausbekommen, wo jeder der Männer zum fraglichen Zeitpunkt gewesen war – ohne dass jemand Verdacht schöpfte, warum er sich dafür interessierte? Dazu kamen noch die zahlreichen Ehefrauen, die im Tower wohnten. In den wenigen Monaten hier hatte John noch nicht einmal alle persönlich kennengelernt. Er brauchte Hilfe, das stand fest. Kurz entschlossen griff er zum Telefonhörer.

„Chief Mullins? Mackenzie hier. Ich bräuchte noch mehr Informationen, wenn ich unsere Männer und ihre Familien überprüfen soll. Wie wäre es, wenn wir Ihre Sekretärin mit einweihen würden? Es gibt wohl kaum etwas im Tower, was Bonnie entgeht.“

„Hmm. Eigentlich möchte ich den Kreis so klein wie möglich halten. Allerdings vertraue ich Bonnie hundertprozentig und da sie nicht im Tower wohnt, war sie vorgestern Abend auch nicht anwesend. Na gut, Mackenzie, ich verbinde Sie gleich mit ihr. Übrigens versuche ich schon den ganzen Tag, den Superintendenten zu sprechen, um mir über die Fortschritte der Polizei berichten zu lassen, aber er ist nie zu erreichen. Man sollte doch meinen, ich hätte ein Recht darauf, auf dem Laufenden gehalten zu werden. Außerdem mussten wir die Kontrollen an den Eingängen verstärken, da ansonsten Horden von Reportern unseren ganzen Betrieb lahmlegen würden. Verdammt lästig, so etwas.“

Hörbar verstimmt legte der Chief auf und gleich darauf war Bonnie in der Leitung. Schon nach wenigen Worten unterbrach sie ihn enthusiastisch.

„Sie können auf mich zählen, John! Am besten treffen wir uns gleich heute.“

„Möchten Sie in der Mittagspause zu mir herüberkommen? Ich brutzle uns etwas und wir können uns in Ruhe unterhalten.“

Dieses Angebot nahm Bonnie gerne an.

Mit einem Blick auf seine Vorräte entschied John, dass er erst einmal einkaufen musste.

Da der kleine, aber gut sortierte Lebensmittelladen von Mr. Shrinaga nur wenige Minuten vom Tower entfernt lag, nutzten ihn die meisten der Bewohner für ihre Einkäufe. John wählte gerade ein paar Okra-Schoten für das Wok-Gericht aus, das er Bonnie auftischen wollte, als er Marcia Campbell wenige Schritte entfernt erblickte.

Die Frau des Ravenmasters starrte geistesabwesend auf ihre Einkaufsliste und zuckte zusammen, als er sie ansprach.

„Oh, John, ich hatte dich gar nicht gesehen.“ Dann brach es förmlich aus ihr heraus.

„Ist es nicht schrecklich, was passiert ist? Dieses arme junge Mädchen. Das muss doch ein Wahnsinniger gewesen sein, nicht wahr? Nun ist man nicht einmal mehr im Tower seines Lebens sicher!“ Marcias Stimme war immer schriller geworden, so dass die wenigen Kunden im Laden nun unverhohlen neugierig zu ihnen herüberstarrten. Als Marcia das bemerkte, errötete sie peinlich berührt.

„Ach je, es tut mir leid, John, ich wollte wirklich keine Szene machen. Aber ich …“

„Marcia, es gibt keinen Grund, sich zu entschuldigen. Wir sind alle angespannt momentan, das ist schließlich ganz normal in so einer Situation.“ Die ältere Frau lächelte ihn zaghaft an.

„Ja, nicht wahr? Selbst George, der in all den Jahren unserer Ehe immer mein Fels in der Brandung war, ist seit jenem Abend nicht er selbst. Es hat ihn sehr mitgenommen, dass diese Frau ums Leben gekommen ist, während er und Richard keine hundert Schritte entfernt im Club mit Richards Gästen gefeiert haben.“

Tatsächlich war der Ravenmaster zum Zeitpunkt der Tat dem Verrätertor noch sehr viel näher gewesen, ging es John blitzartig durch den Kopf. George hatte ihm selbst gesagt, dass er die Gäste zur Schlüsselzeremonie begleitet hatte. Erst hernach war er mit ihnen wieder in den Club zurückgekehrt. John nahm sich vor, so bald wie möglich noch einmal mit George zu sprechen.

„Und natürlich sind wir beide momentan etwas nervös wegen Richard.“, sprach Marcia weiter. „Wir hoffen so sehr, dass er bei den Wahlen erfolgreich ist. Er ist so ehrgeizig. Ich weiß nicht, ob er eine Niederlage verkraften könnte. Wir unterstützen ihn, wo wir nur können. Am Samstag spricht er in Chelsea auf einer Versammlung, dort werden wir auch hingehen.“ Sie sah John erwartungsvoll an. „Wie wäre es, John, würdest du auch mitkommen?“

Im ersten Moment wollte John höflich ablehnen, aber dann fiel ihm ein, dass dies eine gute Gelegenheit wäre, den hoffnungsvollen Jungpolitiker ein wenig über den Verlauf des Mordabends auszuhorchen. Also sagte er zur Freude Marcias zu.

John schmeckte gerade das thailändische Gemüsegericht ab, als Bonnie klingelte.

„Kann ich einstweilen den Tisch decken, John?“, fragte sie, als sie ihren Mantel abgelegt hatte.

„Gern, Bonnie. Die Teller sind in dem Schrank dort drüben.“

„Was haben Sie denn hier für eine eigenartige Pflanze?“ Sie stand am Küchenfenster, das nach Süden hinaus auf den Innenhof ging. John brachte den gusseisernen Wok zum Tisch.

„Vorsicht, heiß. Das ist ein Kapok-Sprössling. Ich konnte einen Samen von diesem tropischen Baum bekommen und er hat vor kurzem ausgetrieben. Meine Mutter, die eine leidenschaftliche Gärtnerin ist, wird sich zu Weihnachten sicher über das Pflänzchen freuen.“

Er deutete auf die offenstehende Tür zum Wohnzimmer, das von einer ganzen Reihe von Topfpflanzen bevölkert war.

„Nachdem ich so viele Jahre in der Welt herumgezogen bin, bin ich glücklich, nun sesshaft geworden zu sein. So kann ich wenigstens in der Wohnung einige interessante Pflanzen ziehen. Scheinbar hat die Leidenschaft meiner Mutter für Grünzeug aller Art ein wenig auf mich abgefärbt.“

Bonnie setzte sich und probierte ihr Essen.

„Hm, köstlich. John, Sie haben scheinbar nicht nur einen grünen Daumen, sondern auch ein Talent zum Kochen.“ Bonnie zwinkerte ihm über ihre voll beladene Gabel hinweg zu. Bescheiden zuckte John mit den Schultern.

„Es hat mir immer schon Spaß gemacht, zu kochen, vor allem gemeinsam. So habe ich im Lauf der Jahre an den verschiedenen Orten, wo ich stationiert war, viele Kontakte geknüpft.“ Er grinste. „Schweinebraten nach original deutschem Rezept? Kein Problem. Oder lieber ein afghanischer Lammeintopf mit Rosinen? Den hat mir unser Fahrer in Kabul beigebracht. Das einzige Gericht, bei dem ich mich weigere, es zuzubereiten oder zu essen, ist ausgerechnet das Nationalgericht meines Vaters, Haggis.“

Bonnie verzog angewidert das Gesicht.

„Uh, das habe ich vor vielen Jahren einmal probiert, als ich mit meinem damaligen Freund eine Woche Urlaub in Schottland gemacht habe.“ Sie schüttelte sich theatralisch. John lachte.

„In meiner Familie ist es Brauch, dass sich jedes Jahr am 25. Januar die Verwandtschaft zum Haggis-Essen trifft. Diese schottische Tradition hat mein Vater aufrechterhalten, auch wenn er schon als junger Mann Inverness verlassen hat und nach England gegangen ist. Früher sind wir dazu sogar einige Male ins Elternhaus meines Vaters gefahren. Dort führt meine Großtante Isabel das Regiment, eine bemerkenswerte Frau.“