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Die einzig neue Information für John war, dass Miss Feldmann seit acht Monaten an der London School of Economics studiert hatte. Ein Universitätsmitarbeiter, der ungenannt bleiben wollte, hatte sie als ruhig und überdurchschnittlich fleißig geschildert.

So, wie John seinen publicitysüchtigen Cousin kannte, hätte Superintendent Whittington der Öffentlichkeit nur zu gern eine heiße Spur präsentiert. Daher ging er davon aus, dass Scotland Yard derzeit genauso ratlos war wie er selbst.

Zurück in seiner Wohnung nahm er sich abermals die Liste vor. Auch wenn sie immer noch über zwanzig Namen von Towerbewohnern umfasste, ertappte er sich dabei, wie sein Blick immer wieder bei George Campbell und dessen Frau hängen blieb. Er wurde das nagende Gefühl nicht los, dass einer von ihnen oder ihr Sohn irgendetwas mit dieser Geschichte zu tun hatte. Aber nein, sein Freund George konnte unmöglich in einen kaltblütigen Mord verwickelt sein. Oder doch?

Frustriert schob er seinen Stuhl zurück und beschloss, sich bei Doc Hunter das Okay für seine Dienstaufnahme zu holen. Er fühlte sich wieder fast vollkommen fit. Momentan war er ohnehin ratlos, wo er mit seinen Nachforschungen weitermachen sollte. Morgen Abend, bei Richards Wahlkampfveranstaltung, hoffte er auf die Gelegenheit, den drei Campbells weiter auf den Zahn fühlen zu können.

Kapitel 8

Der Saal des Goose and Pickle war bereits gut gefüllt, als John kurz vor Beginn der Wahlveranstaltung dort anlangte. Über dem Rednerpult prangte ein überdimensionales Plakat, von dem Richard Campbell ihm mit einem souveränen Lächeln entgegenblickte. Von eifrigen Helfern bekam er Broschüren der konservativen Partei in die Hand gedrückt.

„John, hierher! Wir haben dir einen Platz frei gehalten!“ Marcia hatte ihn entdeckt und winkte ihm aus der ersten Reihe vor dem Rednerpult hektisch zu.

„Marcia, du siehst hervorragend aus.“ Galant wartete er, bis sie sich wieder gesetzt hatte und nahm dann neben ihr Platz. Verlegen strich sie den Rock ihres gediegenen blauen Kostüms glatt. Unter der Schminke leuchteten rote Flecke auf ihren Wangen. Sie nestelte an ihrer Handtasche herum.

„Wo George nur bleibt! Er wollte doch nur etwas zu trinken für uns besorgen…“ Unruhig sah sie sich im Saal um.

„Er wird sicher gleich da sein.“, bemühte John sich, sie zu beruhigen. „Es sind ja eine Menge Leute gekommen. Richard ist auf dem besten Weg, ein bekannter Mann zu werden.“ Marcias Augen leuchteten auf.

„Ja, nicht wahr? Er hat so hart für diese Kandidatur gearbeitet.“ Sie beugte sich näher zu John. „Einige der Parteioberen waren wohl skeptisch, ob sie ihm ihr Vertrauen schenken sollen, schließlich ist er mit seinen fünfunddreißig Jahren noch sehr jung für einen Sitz im Parlament. Aber mein Junge hat sie überzeugt und jetzt wird er allen zeigen, was in ihm steckt.“ Nun strahlte sie. „Ich wusste immer schon, dass er etwas ganz Besonderes ist. Das ist er doch, John, nicht wahr?“

John lächelte unverbindlich und nickte. Erleichtert begrüßte er George, der soeben aufgetaucht war, vorsichtig zwei Getränke balancierend. Sie hatten sich seit dem Morgen, an dem George grußlos in die Bank verschwunden war, nicht mehr gesehen und John war unsicher, wie George ihm nun gegenüber treten würde. Der Ältere schien ihre Auseinandersetzung jedoch vergessen zu haben und begrüßte ihn herzlich.

„Schön, dass du da bist, John. Wir wissen dies wirklich zu schätzen.“

„Wen haben wir denn da? Einen Freund der Familie?“ Vor ihnen stand ein mittelgroßer Mann, der sein mausbraunes Haar scharf gescheitelt trug und seinen Bart akkurat gestutzt. Er streckte John jovial die Hand hin.

„Nigel Owen, Wahlkampfmanager.“ John stellte sich ebenfalls vor und Owen setzte sich auf den freien Stuhl neben ihm.

„Nigel leistet hervorragende Arbeit, John. Er hat Richards Kampagne von A bis Z durchgeplant.“, schwärmte Marcia.

„Er hat alles im Griff, es läuft wirklich generalstabsmäßig ab.“, lobte auch George. „Er hat es sogar geschafft, Richards Namen aus der Berichterstattung über … diese Sache herauszuhalten.“

Nigel Owen legte verschwörerisch den Finger an die Lippen.

„Psst. Das ist natürlich nicht die Art von Publicity, die wir uns wünschen. Aber ich habe wirklich nicht viel getan, nur ein paar meiner Verbindungen spielen lassen. Wir wollen ja den Wähler nicht mit solch dubiosen Geschichten verwirren. Unser Land braucht Männer wie Richard und ich werde alles in meiner Macht stehende dafür tun, damit er bei der Wahl einen Sitz im Unterhaus erringen wird.“

Richards Eltern strahlten den Wahlkampfmanager dankbar an.

Punkt acht betrat Richard das Podium. Wohlwollender Applaus begrüßte ihn. Während der folgenden Stunde verstand er es, sein Publikum mit einer leidenschaftlich vorgetragenen Rede in seinen Bann zu ziehen. Obwohl John viele Überzeugungen des Tory-Kandidaten ablehnte, musste er doch zugeben, dass dieser ein glänzender Redner war.

„Meine lieben Freunde, lassen Sie mich am Ende noch einige sehr persönliche Worte sagen, Worte des Dankes.“

Vom Podium herab richtete Richard den Blick auf seine Eltern. „Mum, Dad, bitte kommt doch einen Moment zu mir herauf.“

Die Campbells sahen einander einen Moment lang unsicher an, dann erhob George sich, rückte seine Krawatte zurecht und bot seiner Frau auf rührend altmodische Weise den Arm. Während die beiden das Podium bestiegen, begann Nigel Owen zu klatschen. John fiel ein und schließlich applaudierte der ganze Saal den Eltern des Kandidaten. Richard umarmte und küsste die beiden und ergriff dann wieder das Wort.

„Liebe Eltern, ich möchte mich ganz herzlich bei euch bedanken. Ihr habt so viel für mich getan und ich stehe tief in eurer Schuld. Ohne euch –“ An dieser Stelle brach Richards Stimme und er räusperte sich. „ – hätte ich es nicht bis hierher geschafft.“ Im Saal war es mucksmäuschenstill. Jeder konnte sehen, dass Marcia und George tief ergriffen waren. George hielt die Hand seiner Frau ganz fest und beiden standen Tränen in den Augen.

„Und so wie ihr euer Leben lang mit Freude und ganz selbstverständlich alles für mich, euren Sohn, getan habt, möchte ich nun –“, er wandte sich wieder dem Saal zu und seine Stimme schwoll zu einem kräftigen Timbre, „ – all meine Kraft in den Dienst unseres wunderbaren Landes und seiner Bürger stellen.“ Er reckte triumphierend die Faust in die Luft und das Publikum brach in Jubel und tosenden Applaus aus.

Während Richard seine Eltern abermals umarmte und dem Saal zuwinkte, beschlich John das Gefühl, Zeuge einer höchst wirkungsvollen Inszenierung geworden zu sein. Ein Seitenblick auf den Wahlkampfmanager verstärkte dies noch: Nigel Owen trug den durch und durch zufriedenen Gesichtsausdruck einer Katze, die soeben eine Schale fetter Sahne verzehrt hatte.

Als Richard schließlich Arm in Arm mit seinen Eltern vom Podium herabstieg, wurde er augenblicklich von einer begeisterten Schar Anhänger umringt.

„Na, das wäre geschafft. Gehen Sie mit mir eine rauchen?“ Nigel Owen stand auf und sah John auffordernd an.

„Ich rauche zwar nicht, aber ich begleite Sie gern nach draußen. Ein wenig frische Luft tut jetzt sicher gut.“ Im Hinterhof des Goose and Pickle zündete Owen sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug.

„Wie hat Ihnen die Rede gefallen?“

John zog seine Jacke enger um sich.

„Richard hat einen sehr guten Auftritt hingelegt, denke ich. Die Idee, seine Eltern auf die Bühne zu holen, stammt sicher von Ihnen?“

Owen lächelte ein wenig herablassend.

„So etwas kommt beim Wähler erfahrungsgemäß gut an. Glauben Sie mir, während der kommenden Monate werde ich alle Hebel in Bewegung setzen, damit Richard bei der Wahl einen Sieg gegen den Labour-Kandidaten in seinem Wahlbezirk einfahren wird. Und wenn ich Tag und Nacht dafür arbeiten muss. Ich werde nicht zulassen, dass irgendwelche dummen Geschichten oder Gerüchte seine Chancen schmälern werden.“