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„Ich muss den Kaufrausch der jungen Damen bremsen, in ein paar Minuten wartet der Bus auf uns.“ Energisch betrat Ms. Murray das große Geschäft und klatschte in die Hände.

„Kinder, geht jetzt bitte zur Kasse, wir wollen unseren Busfahrer nicht warten lassen.“ In Panik sah Tiffany zu John auf, der vor dem Laden wartete, um die Gruppe hinauszubegleiten.

„Ich wollte doch noch einen Plüschraben kaufen. Könnten Sie mir bitte schnell zeigen, wo ich die finde? Ich bin sowieso schon wieder die Letzte.“ Bei ihrem flehentlichen Blick hätte wohl niemand Nein sagen können. Also geleitete John sie durch das Geschäft direkt zu dem Regal, auf dem Raben in allen Größen ausgestellt waren.

Während Tiffany einen nach dem anderen in die Hand nahm und sich offensichtlich nicht entscheiden konnte, ließ John den Blick über den großen Raum schweifen, in dem Ms. Murray sich bemühte, die verstreuten Schülerinnen in Richtung Ausgang zu bewegen.

Angela, das Gesicht nun wieder frei von Wimperntusche und Lidschatten, steuerte mit einem zuckersüßen Lächeln auf John zu, Deirdre im Schlepptau.

„Sehen Sie mal, ich habe Anhänger für den Weihnachtsbaum gekauft. Einer davon sieht wie ein Beefeater aus.“

„Sehr schön“, brummte John. Die beiden drückten sich an John und Tiffany vorbei und gingen zur Kasse.

„Tiffany, ich glaube, du musst dich jetzt entscheiden. Die Zeit wird knapp.“ Endlich griff das Mädchen nach einem mittelgroßen Plüschtier mit leuchtend gelbem Schnabel.

„Der kostet 9.99 Pfund und ich habe zehn Pfund dabei“, strahlte sie ihn an.

„Okay, dann los.“ Sanft schob John die Kleine vor sich her. Hinter der Kasse wartete Ms. Murray, die ihm einen dankbaren Blick schenkte.

„Sie ist wirklich sehr anhänglich, nicht wahr?“, murmelte sie John zu, während Tiffany ihren Geldbeutel herauskramte.

„Schon in Ordnung. Wir nennen das individuelle Besucherbetreuung.“, raunte er zurück. Zu dritt gingen sie zum Ausgang. Als sie die Tür passierten, heulte die Diebstahlssicherung los. Eine der Verkäuferinnen kam angelaufen.

„Ich muss Sie bitten, Ihre Taschen zu öffnen.“ Draußen schaute die Klasse mit großen Augen, als Tiffany und die beiden Erwachsenen wieder in das Geschäft zurückgingen und in einen rückwärtigen Raum geführt wurden.

„Bestimmt ist an der Kasse aus Versehen ein Sicherungsetikett nicht von der Ware genommen worden, das passiert manchmal.“, äußerte die Verkäuferin beruhigend. „Bitte lassen Sie mich Ihre Einkäufe sehen.“ Ms. Murray zog ein Set Weihnachtskarten mit Motiven des Towers aus ihrer Tüte, dazu einen Waschhandschuh in Form eines Beefeaters.

„Den bekommt meine Nichte, ist der nicht süß?“ John grinste.

„Und nun du, junge Dame. Öffne bitte deinen Rucksack.“ Tiffany nestelte am Verschluss ihres Rucksacks.

„Sie hat einen Plüschraben gekauft, ich war dabei.“, erklärte John der Verkäuferin. Tiffany holte den Raben heraus.

„Mhm.“ Kritisch beäugte die Dame den Raben und griff dann nach dem Rucksack. Sie schritt damit eilig zur Ausgangstür und schwenkte ihn vor der Diebstahlssicherung hin und her. Wieder heulte die Anlage los.

„Tut mir leid, da muss noch etwas drin sein.“ Mit einem Griff war der Rucksack umgedreht und heraus fiel eine Brotzeitbox, eine Trinkflasche, der kleine Fotoapparat, der Geldbeutel – und ein Kühlschrankmagnet mit der Silhouette der Tower Bridge darauf. Entgeistert starrte Tiffany auf das kleine Ding.

Mit hochrotem Kopf stammelte sie, „Ich… ich hab… ich hab das nicht genommen, ehrlich.“ Die Verkäuferin aber sah das Mädchen streng an.

„Junge Dame, in Diebstahlsfällen verlangen wir von den Tätern fünfzig Pfund und wir leiten die Sache an die Polizei weiter. Von letzterem können wir in deinem Fall wohl absehen, dennoch müssen wir zumindest deine Eltern verständigen.“ Nun brach eine Sturzflut von Tränen hervor.

„Nein, nein, ich war das nicht, das müssen Sie mir glauben. So ein blöder Magnet interessiert mich doch gar nicht. Ich wollte nur den Raben.“, schluchzte das Mädchen. John, der die ganze Angelegenheit still verfolgt hatte, mischte sich nun ein.

„Mrs. Durrell, einen Moment bitte.“ Er kannte die Frau vom Sehen.

„Tiffany, würdest du dich bitte einen Moment da hinsetzen?“ Er bedeutete der Lehrerin, die geschockt dastand und Mrs. Durrell, mit ihm ein paar Schritte beiseite zu treten. Leise sagte er, „Ich glaube dem Mädchen. Ich bin ihr die ganze Zeit auf Schritt und Tritt gefolgt. Wir sind vom Eingang direkt zu den Raben gegangen und sind dort, wo die Magnete liegen, gar nicht vorbeigekommen.“

„Wir haben aber auch an der Kasse einige liegen, mit eben diesem Motiv.“, wandte die Verkäuferin ein. Nun ergriff auch Ms. Murray das Wort.

„Dort hatten sowohl Mr. Mackenzie wie auch ich das Mädchen im Auge. Da kann sie den Magneten nicht genommen haben. Aber wie kommt er dann in ihren Rucksack?“ Ratlos sah sie John an.

„Hm. Vielleicht hat ihn ihr jemand anders unbeobachtet hineingesteckt…“ Plötzlich dämmerte ihm etwas und er verließ hastig den Raum. Erstaunt sahen die Frauen ihm nach. In der Water Lane standen die Mädchen und tuschelten aufgeregt.

„Angela, Deirdre. Bitte kommt kurz hier herüber.“, sagte er ruhig. Nach einem kurzen Blickwechsel folgten die beiden ihm. Außer Hörweite der anderen blieb John stehen und sah die Mädchen mit eisigem Blick an.

„Ich weiß, dass ihr Tiffany den Magneten in die Tasche geschmuggelt habt, als wir vor dem Regal mit den Raben standen. Clever, Angela, wie du mich abgelenkt hast, während Deirdre den Magneten in den Rucksack fallen ließ. Nun sagt mir nur noch, warum.“ Entsetzt sahen die beiden sich an, dann sprudelte es aus Deirdre heraus.

„Es war Angelas Idee. Sie wollte es Tiffany heimzahlen, weil die sie nie die Hausaufgaben abschreiben lässt.“

„Von wegen meine Idee! Du kannst die miese Streberin doch auch nicht ausstehen.“, zischte Angela zurück. „Das Miststück hatte es verdient, endlich mal was auf die Mütze zu kriegen. Mit ihrem ganzen blöden Gerede Nein, Angela, das wäre aber Unterschleif, das geht doch nicht“, äffte das Mädchen Tiffany gehässig nach. „Als ob irgend jemanden die Scheiß-Regeln interessieren würden.“

John schob die zeternden Schülerinnen mit einem grimmigen Lächeln vor sich her in den Laden.

Alle Mädchen saßen abfahrbereit im Bus. Ms. Murray schüttelte John noch einmal die Hand.

„Ich möchte Ihnen wirklich ganz herzlich danken. Nicht nur für die lebendige und interessante Führung, sondern vor allem – “ Der Busfahrer hupte ungeduldig.

„Ms. Murray, bitte, keine weiteren Dankesworte mehr. Es war mir ein Vergnügen. Und nun wünsche ich Ihnen und den Mädchen noch einen schönen Tag in London.“ Als sie sich abwandte und im Bus verschwand, verspürte John ein leises Bedauern.

Es sollte ihm jedoch keine Zeit bleiben, in Gedanken bei der Lehrerin mit dem reizenden Lächeln zu verweilen. Als er zurück in den Byward Tower trat, überbrachte ihm der diensthabende Beefeater die Anweisung, dass die gesamte Einheit sich nach Schließung des Towers um 17.00 Uhr im Schulungsraum einzufinden hatte.

Kapitel 11

Dort wurden sie von einer Reihe Beamter der Metropolitan Police in Empfang genommen, die jeden Einzelnen dazu aufforderten, seine Fingerabdrücke abzugeben. Sofort summte der ganze Raum von verwirrten Nachfragen und vereinzelt lautstarken Protesten der Männer. John, der davon ausgegangen war, dass die Polizei ihre Ermittlungen auf die Verbindung von Julia Feldmann zu dem deutschen Manager konzentrierte, war besonders überrascht.

Die aufkeimende Unruhe erstarb, als Superintendent Whittington vortrat und das Wort ergriff.