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»Ich habe die Eselsfurt schon als Kind benutzt«, versicherte ihm Fidelma. »Sie ist nicht gefährlich, wenn man sich in acht nimmt. Wenn du dich ablenken willst, denk doch mal darüber nach, wie Gionga herausbekommen haben könnte, daß wir nach Imleach wollen.«

Eadulf runzelte die Stirn. Die Überlegung hatte er noch nicht angestellt. »Vielleicht hat er mitgehört, wie wir mit deinem Bruder darüber sprachen? Oder er hat gehört, wie du beim alten Bruder Conchobar eine Zeichnung des Kruzifixes bestellt hast? Oder er hat nur gesehen, wie wir die Pferde sattelten, und einfach gut geraten?«

Fidelma schnalzte mißbilligend mit der Zunge. »Du bist keine große Hilfe«, schalt sie ihn, »denn du sprichst nur die Fragen aus, die ich mir auch schon gestellt habe. Ich brauche aber Antworten. Deine letzte Frage habe ich bereits verneint, denn in dem Fall hätte er weder die Zeit gehabt, seine Leute zu der Brücke zu schicken, noch sie durch einen Boten zu warnen, falls sie schon da waren. Er wußte schon eine Weile vor unserem Aufbruch, wohin wir wollten.«

»Dann brauchst du einen Propheten, der dir die Antworten gibt«, brummte Eadulf, verärgert durch die an ihm zerrenden Dornen und Zweige und durch seine Furcht vor dem Übergang über den rauschenden Fluß. »Du hättest deinen alten Freund und Zauberer Bruder Conchobar danach fragen sollen.«

»Warum nennst du ihn einen Zauberer?« fragte Fi-delma.

Eadulf stöhnte, als eine Dornenranke ihm den Knöchel ritzte. »Weil er aus den Sternen weissagt - das tut er doch? Wie kann er ein Christ sein wollen und so etwas tun?«

»Liegt darin ein Widerspruch?« überlegte Fidelma.

Eadulf reagierte zunehmend gereizt. »Was denn sonst?«

»Karten der Sterne zeichnen und ihre Bedeutung erforschen ist eine alte Tradition in diesem Land.«

»Der neue Glaube sollte solche heidnischen Überlieferungen auslöschen. Heißt es nicht im Buch Jesaja:

>Laß hertreten und dir helfen die Meister des Himmelslaufs und die Sterngucker, die nach den Monaten rechnen, was über dich kommen werde.

Siehe, sie sind wie Stoppeln, die das Feuer verbrennt; sie können ihr Leben nicht erretten vor der Flamme; denn es wird nicht eine Glut sein, dabei man sich wärme, oder ein Feuer, darum man sitzen möge.

... und du hast keinen Helfer.<«

Fidelma lächelte leise, wie immer, wenn Eadulf theologisch argumentierte, denn da er der neuen Lehre Roms anhing, ergaben sich viele Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen in ihrer Einstellung zum Glauben. Fidelma blieb bei ihrer eigenen Kultur.

»Du zitierst aus den alten Texten des jüdischen Glaubens«, erklärte sie.

»Aus dem unser Herr als Messias kam«, entgegnete Eadulf spitz.

»Genau. Er kam als Messias, als Erlöser, um ihnen einen neuen Weg zum Verständnis Gottes zu weisen. Wer waren laut Matthäus die ersten, die nach der Geburt Christi nach Jerusalem kamen?«

»Wer?« fragte Eadulf ratlos. Er wußte nicht, worauf sie hinauswollte.

»Astrologen aus dem Osten, die den Heiland suchten, denn sie hatten sein Kommen in ihren Himmelskarten gelesen. Hat nicht König Herodes versucht, ihnen ihre Kenntnis zu entlocken? Astrologen waren die ersten, die nach Bethlehem kamen und den Heiland anbeteten und ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe brachten. Hätte Gott die Astrologie verdammt, wäre es dann Astrologen erlaubt worden, Ihn als erste auf Erden zu begrüßen?«

Eadulf errötete gereizt. Fidelma wußte stets ein gutes Gegenargument, wenn er etwas zu behaupten versuchte, womit sie nicht übereinstimmte.

»Nun«, fuhr er störrisch fort, »im fünften Buch Mose heißt es deutlich: >. daß du auch nicht deine Augen aufhebest gen Himmel und sehest die Sonne und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest ihnen ...<«

»>. welche der Herr, dein Gott, verordnet hat allen Völkern unter dem ganzen Himmel<«, fügte Fidelma mit Betonung hinzu. »Du wolltest doch sicher den ganzen Vers aus dem fünften Buch Mose zitieren, Ea-dulf? Jedenfalls beten Astrologen die Sonne, den Mond und die Sterne nicht an und dienen ihnen nicht, sondern benutzen sie als Führer. Unsere Astrologen meinen, wir könnten den Lauf unserer Sterne ebensowenig ändern wie unsere Gesichtszüge und die Farbe unserer Haare und Augen. Doch wir besitzen den freien Willen, nach Belieben mit den Dingen zu verfahren, die uns gegeben sind.«

Eadulf seufzte tief. Er hatte genug von dem Thema und wünschte, er hätte es nicht aufgegriffen. Fidelma hingegen genoß solche Dispute und scheute sich nicht, dabei auch den Anwalt des Teufels zu spielen.

»Es widerspricht der Lehre ...«, begann er.

»Zeig mir einen klaren Hinweis in der Heiligen Schrift, der es Christen verbietet, sich dieser alten Wissenschaft zu widmen, abgesehen von ein paar obskuren Stellen .«

»Jeremia«, erinnerte sich Eadulf plötzlich.

»>Höret, was der Herr zu euch vom Hause Israel redet.

So spricht der Herr: Ihr sollt nicht der Heiden Weise lernen und sollt euch nicht fürchten vor den Zeichen des Himmels, wie die Heiden sich fürchten ...<«

»Was Israel tat, bevor der Messias kam, ist Israels Sache. Aber wir kommen von den Heiden her, und Je-remia gesteht immerhin ein, daß es Zeichen des Himmels gibt, wenn wir uns auch nicht vor ihnen fürchten, sondern sie lediglich zu deuten und zu verstehen suchen. Doch wenn es Zeichen des Himmels gibt, wer hat sie dort gesetzt? Wäre es nicht Blasphemie zu behaupten, eine andere Hand als die Gottes habe das getan?«

Eadulfs Gesicht war rot vor Ärger. Er wollte schon zornig auffahren, doch statt dessen begann er plötzlich zu lachen. »Wie komme ich nur darauf, daß ich einen Disput mit einer Anwältin gewinnen könnte?« meinte er kopfschüttelnd.

Nach einem Moment des Zögerns stimmte Fidelma in sein Lachen ein. »Castigat ridendo mores«, brachte sie leise eins ihrer Lieblingszitate an. Man verbessert die Sitten, indem man über sie lacht.

Plötzlich kamen sie aus dem Wald heraus auf ein weites Röhricht. Ihre Pferde scheuchten eine Schar kleiner Vögel auf, die geschlossen aufflogen und mit klingenden »pingping«-Lauten davonschossen. Sie sammelten sich zu einer ganzen Wolke, kreisten niedrig über dem Schilf, um die Gefahr abzuschätzen, und ließen sich dann wieder auf den hohen fiedrigen Schilfhalmen mit ihren dunkelbraunen Blüten und scharfkantigen Blättern nieder.

»Schilfmeisen«, erklärte Fidelma. »Unsere Pferde haben sie gestört.«

Eadulf hörte das Rauschen des Flusses ganz in der Nähe.

»Können uns die Krieger von der Brücke her sehen?« fragte er, denn wenn auch das Schilf stellenweise drei Meter hoch war, so wuchs es an dem Pfad, der sich zum offenen Fluß schlängelte, viel niedriger, und die Ufer waren von Rohrglanzgras gesäumt, einer kleineren Art.

»Nein. Der Fluß macht eine leichte Biegung, und die verbirgt uns. Außerdem werden sie glauben, wir wären nach Cashel zurückgekehrt, um die Krieger meines Bruders zu holen.«

Vorsichtig ritt sie an Eadulf vorbei und übernahm die Führung.

»Halte dich genau hinter mir und komme nicht vom Pfad ab. Der Grasboden sieht zwar fest aus, ist aber Morast, und es sind schon mal Leute darin versunken.«

Eadulf konnte ein Schaudern nicht unterdrücken, als er sich umsah.

Fidelma verzog das Gesicht, als er blaß wurde.

»Das Leben beschert uns immer wieder Risiken und Gefahren, also faß Mut«, riet sie ihm fröhlich und ritt zuversichtlich los. Ihr Pferd suchte sich den Weg durch das hohe, schwankende Schilf, das gegen den Himmel so wild und dramatisch wirkte. Eadulf erkannte, daß das Bruch aus einem Wirrwarr von Pflanzen bestand. Was er für reines Schilf gehalten hatte, war untermischt mit Riedgras, Sumpfbinsen und lange abgeblühten Rohrkolben. Das Ganze schimmerte in eigenartigen grünen, braunen und gelben Farben.