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»Erzähl erst deine Geschichte weiter«, drängte ihn Fidelma.

»Nun, du hast recht. Als die Wagen schließlich hielten, standen sie in einem großen Lagerhaus. Man holte mich heraus und brachte mich in diesen Keller, und hier habe ich im Dunkeln gelegen, bis ihr mich entdeckt habt.«

Fidelma überlegte rasch. »Als erstes müssen wir dich hier herausbringen, Bruder Bardan, und an einen sicheren Ort schaffen.«

»Bin ich denn in Gefahr, Schwester?«

»Ja, und zwar in erheblicher. Hätte Samradan deine Anwesenheit gegenüber den Reitern erwähnt, mit denen er sprach, dann wärst du bereits tot. Zum Glück war den Reitern Samradans illegaler Bergbau egal. Und Samradan selbst glaubte, du wärest rein zufällig auf seine illegale Schürfstelle gestoßen. So bist du Zeuge einer Verschwörung geworden, und das bringt dich in höchste Gefahr. Wir schaffen dich zu einer Freundin, und dort mußt du bis morgen abend bleiben.«

»Wieso morgen abend?«

»Dann holen wir dich ab und schmuggeln dich in den Palast von Cashel. Ich möchte nicht, daß jemand von deiner Anwesenheit hier etwas erfährt.«

»Samradan merkt es aber, wenn ich nicht mehr hier bin.«

»Stimmt auffallend«, murmelte Eadulf.

»Daran habe ich schon gedacht. Wenn Bruder Bar-dan sicher untergebracht ist, reden wir ein Wörtchen mit Samradan.«

»Aber was ist mit Bruder Mochta und den heiligen Reliquien?« wandte Bardan ein. »Ist er bei Finguine?«

Fidelma schüttelte den Kopf und lächelte dünn. »Gegenwärtig stehst du unter dem Schutz von Cashel, und Bruder Mochta findest du dort, wo wir dich hinbringen, und die heiligen Reliquien auch.«

Sie kletterten aus dem Keller, und Eadulf schloß hinter ihnen die Klapptür und schob die Riegel vor. Dann blies er die Kerze aus. Die Wolken hatten sich anscheinend verzogen, und der Mond schien jetzt beständig. Fidelma führte sie zur Tür, und sie verließen das Lagerhaus.

Eadulf stützte Bruder Bardan, der noch Schwierigkeiten mit dem Laufen hatte, nachdem er so lange gefesselt gewesen war, und so schnell es ging, schlichen sie am Rand der Stadt entlang. Sie versuchten, der Aufmerksamkeit der Wachhunde zu entgehen, deren Bellen in einiger Entfernung zu hören war.

»Gott sei Dank, wahrscheinlich hat sich ein Wolf oder ein anderes Raubtier zu nahe an die Stadt herangewagt und lenkt sie ab«, flüsterte Fidelma, als sie kurz stehenblieben, damit Bruder Bardan ein wenig verschnaufen konnte.

Sie brauchten eine Viertelstunde, bis sie ihr Ziel, das Haus von Della, erreichten.

Fidelma klopfte leise mit dem verabredeten Signal an die Tür.

Sofort öffnete Della. Ihr Gesicht war bleich, sie zitterte.

»Fidelma! Gott sei Dank, daß du kommst!«

»Was ist denn, Della?« fragte Fidelma.

»Der Mann, den du hergebracht hast, Bruder Mochta .«

Fidelma trat ins Haus. Della wirkte fast hysterisch.

»Was ist mit Bruder Mochta? Wo ist er?«

Fidelma bemerkte plötzlich, daß im Zimmer alles durcheinandergeworfen war.

»Man hat ihn weggeholt!« keuchte Della.

»Weggeholt?«

»Ihn und das Reliquiar, er hat es die ganze Zeit festgehalten. Er und der Kasten sind fort. Ich konnte nichts dagegen tun.«

Fidelma packte sie an den Schultern.

»Reiß dich zusammen, Della. Dir haben sie jedenfalls nichts getan. Das hier . «, sie umschrieb das Chaos mit einer Handbewegung, »läßt sich leicht wieder aufräumen. Aber was ist mit Mochta und dem Reliquiar passiert?«

Langsam beruhigte sich Della ein wenig. »Du hast ihn mir anvertraut, und man hat ihn weggeholt.«

Fidelma bemühte sich, Geduld zu bewahren. »Das hast du schon gesagt. Wer hat ihn weggeholt?«

»Dein Vetter Finguine, der Fürst von Cnoc Äine.«

Mit bestürzter Miene ließ Fidelma die Hände von Dellas Schultern sinken.

»Ihr habt also Bruder Mochta und die Reliquien hierhergebracht?« rief Bruder Bardan erleichtert aus. »Na, Gott sei Dank, daß Mochta nun endlich unter dem Schutz von Finguine steht. Jetzt können wir beruhigt sein.«

Fidelma fuhr herum, aber sie bezwang sich und sagte nur leise: »Wirklich?« Dann wandte sie sich wieder zu Della. »Wer kam denn mit Finguine? Oder war er es selbst, der dein Haus so verwüstete?«

»Nein, ein Krieger. Finguine tadelte ihn und sagte, das wäre nicht nötig gewesen. Der Krieger war der Anführer der Schar, die den Fürsten der Ui Fidgente begleitete, als er vor ein paar Tagen in Cashel einritt. Ich habe ihn wiedererkannt, er ritt neben Donen-nach.«

»Gionga? Meinst du Gionga, den Hauptmann der Leibwache Donennachs?« rief Eadulf ungläubig.

Della zuckte die Achseln. »Den Ui Fidgente. Seinen Namen kenne ich nicht. Ich weiß nur, als Donennach in Cashel einritt, befehligte der Mann die Leibwache des Fürsten.«

»Ich glaube, wir haben da ein Problem«, stellte Fi-delma fest.

Bruder Bardan sah sie verwundert an. »Das verstehe ich nicht.«

Fidelma würdigte ihn keiner Antwort. Sie schaute Della mit einem dünnen Lächeln an. »Ich muß dich noch einmal um etwas bitten, Della. Eadulf und ich müssen jetzt fort. Du mußt dich um Bruder Bardan kümmern, bis Eadulf oder ich ihn abholen. Das wird morgen abend sein.«

»Das kann ich nicht!« protestierte Della. »Du siehst doch, was sie hier angerichtet haben .«

»Der Blitz schlägt nie zweimal an derselben Stelle ein, Della. Bruder Mochta und das Reliquiar haben sie jetzt, also wird hier niemand nach Bruder Bardan suchen.«

In Bruder Bardans Gesicht spiegelte sich Verwirrung wider. »Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Warum soll ich mich jetzt verstecken? Finguine hat Bruder Mochta in seinen Schutz genommen und die heiligen Reliquien dazu.«

Fidelma antwortete ihm auch diesmal nicht und blickte weiter ihre Freundin an. »Della, du mußt das für mich tun.«

Die Frau schaute Fidelma einen Moment in die Augen, dann seufzte sie. »Na gut. Aber wie der Bruder möchte ich gern wissen, was hier vor sich geht.«

»Das Geschick des Königreichs Muman hängt davon ab, daß ihr genau das tut, was ich euch sage.«

»Also gut.«

Fidelma öffnete die Tür und winkte Eadulf, ihr hinaus in die Dunkelheit der Nacht zu folgen. Della kam ihr nach, sie zwang sich zu einem Lächeln.

»Am besten kommt man doch mit sich allein zurecht. Wird die Einsamkeit kurz unterbrochen, sehnt man sich bald nach ihr zurück«, sagte sie.

Fidelma erwiderte ihr Lächeln. Sie hatte Mitleid mit der Frau, der soviel Unglück widerfahren war. Sie berührte Dellas Arm.

»Wir alle sind zur Einsamkeit verurteilt, Della«, sagte sie, »manchmal schützt uns nur unsere eigene Haut, deshalb gibt es keinen Weg aus der Einsamkeit hinaus ins Leben.«

Fidelma und Eadulf gingen durch die nachtdunklen Gassen der Stadt.

»Woher wußte Finguine, wo du Bruder Mochta und das Reliquiar versteckt hattest?« fragte Eadulf.

»Erinnerst du dich, du hast Nion in dem Wirtshaus hier in der Nähe gesehen? Er hat es sicher Finguine gleich gemeldet, daß wir aus der Seitenstraße herausgeritten kamen. Es war für Finguine bestimmt nicht schwer, herauszufinden, daß ich dort eine gute Freundin habe und daß sie Della heißt. Er brauchte dann nur noch zwei und zwei zusammenzuzählen. Er hat sicher vermutet, daß ich das Reliquiar und Bruder Mochta gefunden habe, nachdem ihm das nicht gelungen war.«

»Ja, aber warum hat er Gionga mitgenommen? Fin-guine behauptet doch, er hasse die Ui Fidgente. Ich muß gestehen, ich bin ebenso verwirrt wie Bruder Bardan.«

»Weißt du noch, was ich dir von dem tomus-Spiel erzählt habe? Nun, es passen jetzt ein paar Stücke mehr zusammen. Aber ich brauche immer noch das eine Stück, das das Bild vervollständigt. Samradan kann es liefern. Suchen wir also den Kaufmann auf.«

»Weißt du denn, wo Samradan wohnt?« fragte Ea-dulf.

»Ja. Donndubhain hat mir das Haus gezeigt, als wir uns in der vorigen Woche das Lagerhaus ansahen.«