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Die eingetretene Stille schien die vor Ausbruch eines Sturms zu sein.

Brehon Rumanns Ton wurde eisig. »Einen Protest

»Es heißt in den Verfahrensregeln für eine Gerichtsverhandlung, daß die streitenden Parteien bei ihren Anwälten zu sitzen haben. Neben mir sitzt der Fürst der Ui Fidgente, der Kläger in diesem Fall.«

Das weiche, engelsgleiche Gesicht des Brehons verzog sich zu einer düsteren, zornigen Miene. »Was soll das bedeuten?«

»Hinter dir sitzt der Angeklagte in diesem Fall, der König von Muman.«

Eadulf sah, wie Colgü hinter den Richtern eine verlegene Bewegung machte. Als König durfte er während der Verhandlung nicht selbst sprechen, außer in dringenden Fällen.

Brehon Rumanns Augen hatten sich geweitet. Er wollte schon widersprechen, da beugte sich Fachtna, der Richter der Ui Fidgente, zu ihm und lächelte So-lam anerkennend an.

»Das Argument des Anwalts findet eine starke Stütze in den Verfahrensregeln. Kläger und Beklagter müssen bei ihren Anwälten sitzen. Der Text sieht keine Ausnahmen vor. Als Beklagter müßte der König neben seinem dalaigh sitzen.«

»Aber dieselben Regeln legen fest, wo der König zu sitzen hat«, widersprach Dathal auf der anderen Seite Rumanns. »Wir befinden uns hier im Königreich Muman, am Sitz des Königs in Cashel. Wie kann der König dann den Platz verlassen, den das Gesetz für ihn vorschreibt?«

»Doch das Gesetz sagt, daß sein Platz als Beklagter neben seinem Anwalt ist«, beharrte Fachtna mit seinem aufreizenden Lächeln. »Der König hat das Gesetz ebenso zu beachten wie der Geringste seiner Untertanen.«

Rumann hob die Hände, als wolle er seine Kollegen beruhigen. »Ich bin der Meinung, daß man dem König nicht das Gesetz auferlegen kann. Ich kann mich dabei auf die Sieben Bücher und die Drei Bücher der alten Gesetzessammlungen berufen, in denen es heißt, daß niemand Bürgschaft für einen König leisten kann, denn wenn ein König seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann der Bürge keine Entschädigung erlangen, weil die Ehre des Königs wichtiger ist als jeder Anspruch an ihn.«

»Willst du damit sagen, daß der Fürst der Ui Fid-gente unrecht handelt, wenn er eine Klage gegen den König von Muman anstrengt?« erregte sich Fachtna. »Soll das heißen, daß gegen einen König nicht gesetzlich vorgegangen werden kann? Wenn das so ist, dann vergeuden wir unsere Zeit mit dieser Verhandlung. Nein, dieser Argumentation kann ich nicht zustimmen.«

Fidelma stand auf und räusperte sich.

»Du möchtest etwas dazu sagen, Fidelma von Cas-hel?« fragte Brehon Rumann, der sie mit Interesse betrachtete.

»Weise Richter ...« - Fidelma verbeugte sich vor den Brehons - »Brehon Rumann hat natürlich darin recht, daß das Gesetz sagt, niemand sollte für einen König bürgen, doch andererseits verbietet es das auch nicht.«

Fachtna setzte ein breites Lächeln auf. »Dann ist also die Anwältin von Cashel meiner Meinung? Daß der König als Beklagter in diesem Fall gilt und vor den Richtern und nicht hinter ihnen zu sitzen hat?«

»Das sind gleich drei Fragen auf einmal, Fachtna«, erwiderte Fidelma ernst. »Wenn du Solams Protest meinst, dann lautet meine Antwort nein, ich bin nicht deiner Meinung. Infolgedessen ergibt sich deine letzte Frage auch nicht aus deiner ersten.«

Fachtna rätselte, worauf Fidelma wohl hinauswollte.

Mit einem seltsam zischenden Ausatmen zeigte Ru-mann seine Verärgerung darüber, daß er ihre Antwort nicht verstand. »Die Anwältin von Cashel sollte sich klar ausdrücken. Was will sie uns sagen?« murrte er.

»Darf ich die gelehrten Brehons«, fuhr Fidelma fort, »daran erinnern, daß der Gesetzestext tatsächlich beschreibt, wie man die Ehre des Königs gegen seine Verantwortlichkeit vor dem Gesetz abwägen kann?«

Rumanns Augen verengten sich in seinem rundlichen Gesicht. »Erinnere uns«, sagte er knapp. In seinem Ton schien eine versteckte Drohung zu liegen.

»Die Stelle findet sich in den vier Abschnitten über Zwangsvollstreckung. Zu gesetzlichen Zwecken kann sich der König durch einen Ersatzmann vertreten lassen, einen aithech fortha, und über diesen Ersatzmann kann ein gesetzlicher Anspruch gegen den König erhoben werden, ohne daß der König die Schmach erdulden muß, von seinem Amt zurückzutreten oder sich einer Zwangsvollstreckung zu unterwerfen.« Fi-delma lächelte die Richter fröhlich an. »Ich hätte gedacht, der gelehrte Solam würde, statt zu diesem Zeitpunkt einen Protest einzulegen, vor Beginn der Verhandlung im Auftrag des Klägers veranlassen, daß der König auf diese Weise vertreten wäre, daß also ein Ersatzmann benannt würde, der in diesem Stuhl hier« -sie wies auf den leeren Stuhl neben ihr - »sitzen und den König symbolisch repräsentieren würde.«

Fidelmas Worte lösten eine Welle der Belustigung im Saal aus.

Solam wurde rot vor Ärger. Er wollte sich erheben.

Brehon Rumann machte ihm ein Zeichen, er solle sitzen bleiben. Brehon Dathal war sichtlich vergnügt.

»Hat ein Mitglied des Gerichts etwas dagegen, daß ein Ersatzmann auf den Stuhl des Beklagten gesetzt wird?« fragte er. »Hat jemand etwas gegen einen Ersatzmann einzuwenden, der als körperlicher Vertreter des Königs vor uns sitzt?«

Brehon Rumann schnaubte verärgert. Es war klar, daß er sich an die Gesetzesstelle nicht erinnert hatte. Fidelma hatte zwar recht behalten, doch Eadulf merkte, daß sie sich damit beim Vorsitzenden Richter nicht beliebt gemacht hatte. Daß Brehon Fachtna wütend war, konnte ihm jeder ansehen.

»Ich sehe keinen Anlaß, einfach jemanden auf den Stuhl zu setzen. Wir fahren fort in der Annahme, daß der leere Stuhl symbolisch das Königreich Muman repräsentiert.« Rumanns Stimme klang gereizt. »Gibt es also noch weitere Proteste oder Einsprüche oder können wir nun zum Thema der Verhandlung kommen?«

Solam räusperte sich und stand eilig auf.

»Ich bin ganz deiner Meinung, edler Brehon«, begann er mit einem gezwungenen Lächeln und bemühte sich, die Wogen zu glätten, die er selbst aufgerührt hatte. »Ich glaube an die Förmlichkeit der Verfahrensweise, die du uns in deiner Eröffnungsrede nahegelegt hast. Korrektes Verfahren ist kein Anlaß zur Leichtfertigkeit.«

»Es freut uns sehr, daß du mit der Entscheidung des Gerichts einverstanden bist«, warf Brehon Dathal spöttisch ein.

Brehon Rumanns Gesicht zeigte eine steinerne Ruhe, und es war nicht klar, ob es Solam gelungen war, ihn zu besänftigen, oder nicht.

Es trat eine Pause ein, und als Rumann nichts weiter sagte, fuhr Solam fort.

»Weise Richter, es ist eine sehr ernste Angelegenheit, die ich euch unterbreite. Bei dem Fall handelt es sich um nichts Geringeres als einen Mordversuch am Fürsten der Ui Fidgente. Die Anklage richtet sich gegen den König von Muman und diejenigen, die in seinem Namen und in seinem Auftrag tätig wurden. Wir werfen Colgü von Cashel vor, daß er sich mit anderen verschwor, Fürst Donennach zu töten!«

Solam hielt inne und blickte sich um, als erwarte er eine Reaktion auf seine Eröffnung. Das Schweigen in der Halle war bedeutungsvoll. Es gab keine Reaktion. Jeder in Cashel wußte, worum es ging.

Brehon Rumann war noch bissig. »Du wirst uns zweifellos die Tatsachen hinter deiner Anschuldigung noch vorlegen?« fragte er barsch.

Solam faßte sich wieder. »Weise Richter ...«, setzte er an, räusperte sich und sprach weiter, »es geschah am Feiertag des heiligen Ailbe, des Schutzpatrons dieses Königreichs, daß mein Fürst Donennach mit einem kleinen Gefolge nach Cashel kam, um über Mittel und Wege zu sprechen, die Freundschaft zwischen seiner Dynastie der Dal gCais und den Eoghanacht von Cashel zu festigen. Colgü von Cashel hatte Do-nennach am Brunnen von Ara mit wenigen Gefolgsleuten begrüßt und geleitete ihn und die Seinen nach Cashel. Donennach kam in Frieden und Freundschaft und Arglosigkeit.«