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Solams bewegliche Stimme gewann an Kraft. Dramatisch breitete er die Arme aus.

»Das Gefolge des Fürsten ritt auf den Marktplatz dieser Stadt unterhalb der Mauern dieser Burg. Ohne eine Ahnung, welches Schicksal man ihm bereiten wollte, ritt mein Fürst voran. Ohne Warnung traf ihn der Pfeil vom Bogen des Attentäters. Gott sei gelobt! Die Hand des Bogenschützen war unsicher. Vielleicht lenkte der Atem Gottes den Flug des Pfeils - vielleicht war das Auge des Allmächtigen ...«

Brehon Rumann hob ärgerlich die Hand. »Ich würde es begrüßen, wenn der Anwalt darauf verzichtet, Vermutungen über die Handlungen Gottes in diesem Fall anzustellen, und sich auf die Handlungen der Menschen konzentriert«, riet er.

Solam schluckte schwer, sein Adamsapfel zuckte nervös.

Fidelma senkte den Blick und preßte die Lippen zusammen. Der Anblick des blinzelnden, verwirrten So-lam war urkomisch.

»Ahem, ja eben. Ja, genau. Die Hand des Bogenschützen . Der Pfeil fand nicht das beabsichtigte Ziel. Er traf Donennach im Oberschenkel. Eine schlimme Wunde, gewiß, aber nicht lebensgefährlich, und wie ihr seht . « - er wies auf Donennach, der ungeduldig auf seinem Stuhl saß - »mein Fürst genas.«

»Ja, offensichtlich ist er nicht daran gestorben«, bemerkte Brehon Dathal laut. Ein Kichern durchlief den Saal.

Solam hielt inne und faßte sich. Dann sprach er mühsam weiter.

»Danach brach die Hölle los. Donennach war vom Pferd gestürzt, deshalb kam der Attentäter nicht zum zweiten Schuß. Gionga, der Hauptmann der Leibwache Donennachs, wachsam wie immer, hatte gesehen, aus welcher Richtung der Pfeil gekommen war. Er ritt über den Marktplatz und fand zwei Attentäter, die auf dem Dach eines Lagerhauses Stellung bezogen hatten. Sie wollten zu ihren Pferden entkommen. Gionga sah sich zwei unbarmherzigen Gegnern gegenüber und war gezwungen, beide mit seinem Schwert niederzuhauen.

Die beiden Leichen wurden vor meinen Fürsten und andere Zeugen gebracht. Die Identität der Attentäter war an ihren Körpern abzulesen. Einer von ihnen trug den Halsreif des Ordens der Goldenen Kette, und das ist, wie jedermann weiß, das Abzeichen der Leibwache des Königs von Cashel .«

Solam neigte offensichtlich zu dramatischen Pausen, aber er traf wieder auf absolutes Schweigen, denn was er bisher gesagt hatte, war niemandem in der Großen Halle neu.

»Der zweite Mann war der Bruder eines leitenden Geistlichen der Abtei Ailbes, dem Primatssitz dieses Königreichs. Er führte eine der heiligen Reliquien Ailbes mit sich, genau gesagt, das Kruzifix Ailbes. Wir behaupten, daß der Bewahrer der heiligen Reliquien ihm dieses Kruzifix überlassen hat als Symbol dafür, daß dieses Attentat mit dem Segen des Comarb von Ailbe unternommen wurde. Ich werde beweisen, daß der Attentäter dieses Kruzifix während seiner verruchten Tat als Talisman bei sich trug. Diese heilige Reliquie konnte nur mit Zustimmung des Comarb von Ailbe aus der Abtei Imleach entfernt werden. Daraus geht hervor, daß sowohl der König als auch sein geistliches Oberhaupt in den Mordversuch an dem Fürsten der Ui Fidgente verwickelt sind.«

Diesmal ging ein Murmeln durch den Saal, in dem sich Zorn und Überraschung vermischten. Abt Ségdae holte hörbar Atem und wollte sich erheben. Colgu legte dem bejahrten Abt die Hand auf den Arm und warnte ihn mit einem Kopfschütteln, er möge das Verfahren nicht unterbrechen.

Brehon Rumann schlug mit seinem Hammer auf den Tisch und gebot Ruhe. »Fahre fort«, wies er Solam an.

Solam tat es mit einer erregten Geste. »Diesen Ausführungen habe ich nur noch wenig hinzuzufügen. Ich kann nur feststellen, daß Muman niemals ernsthaft den Frieden mit den Ui Fidgente suchte, sondern vorhatte, ihren Fürsten zu beseitigen, und dann vielleicht ein Heer ins Land der Dal gCais schicken wollte, um die Verwirrung zu nutzen, die daraus entstehen mußte. Damit würden sie die Herrschaft über die Ui Fid-gente erlangen und den unberechtigten Anspruch durchsetzen, den Muman seit Jahrhunderten erhoben hat, daß sie nämlich von Rechts wegen die Könige auch unseres Volkes wären.«

Abrupt setzte er sich.

Brehon Rumann wandte sich an Fidelma. »Bist du bereit, mit deinem Gegenplädoyer darauf zu erwidern, Schwester Fidelma?«

Fidelma erhob sich. »Ja. Weise Richter, ich habe die Absicht, in diesem Verfahren nicht nur die Beschuldigungen der Ui Fidgente zu widerlegen, sondern auch nachzuweisen, wo die Schuld wirklich liegt.«

»Bestreitest du die Tatsachen, die Solam uns unterbreitet hat?« fragte Rumann in unfreundlichem Ton. »Ziehst du seine Wahrhaftigkeit in Zweifel?«

»An dieser Stelle will ich damit sagen«, erwiderte Fidelma, »daß Solam euch nur eine Seite der Wahrheit mitgeteilt hat, aber nicht die ganze Wahrheit. Er hat euch nicht die Tatsache berichtet, daß damals, als der König von Muman und sein Gast, der Fürst der Ui Fidgente, auf den Marktplatz von Cashel ritten, der erste Pfeil der Attentäter auf den König von Muman abgeschossen wurde. Er hätte ihn ins Herz getroffen, wenn er sich nicht plötzlich vorgebeugt hätte, um mich, seine Schwester, zu begrüßen. Durch diese glückliche Bewegung traf ihn der Pfeil am Arm und verwundete ihn schwer. Warum hat Solam das nicht erwähnt?«

Mit gerötetem Gesicht und höhnischem Lächeln sprang Solam auf. »Ich vertrete hier den Fürsten der Ui Fidgente«, fauchte er auf seine aufgeregte Art. »Fi-delma wird für ihren Bruder sprechen.«

»Hast du diese Tatsache gekannt und uns verschwiegen?« fragte Brehon Rumann mit sichtlichem Unwillen.

»Ich kannte die Tatsache und wußte auch, daß Fi-delma davon reden würde. Ich bin nicht verpflichtet, ihre Argumente vorzubringen.«

Solams Reizbarkeit geriet ihm zum Nachteil, denn Brehon Rumann runzelte die Stirn. »Manchmal ist sparsamer Umgang mit der Wahrheit nicht besser als eine Lüge, Solam. Sei gewarnt. Ich dulde keine Halbwahrheiten.«

Solam neigte reuig den Kopf.

Fidelma überraschte alle, indem sie sagte: »Ich mache Solam keinen Vorwurf, weise Richter, weil er seine Wahrheit dadurch zu finden hofft, daß er alles wegläßt, was er meint, nicht äußern zu müssen. Ich wünschte, wir fänden die Wahrheit ebenso leicht, wie wir die Unwahrheit aufdecken können.

Tatsache ist jedoch, daß der König ebenfalls verwundet und als erster getroffen wurde, und das daraus entstehende Durcheinander war vielleicht der wahre Grund, weshalb der Attentäter nicht in der Lage war, den Fürsten der Ui Fidgente tödlich zu treffen. Oder wollte er es vielleicht gar nicht?«

»Das ist eine Unterstellung!« rief Solam und sprang auf. »Es ist eine Beleidigung und eine Beschuldigung der Ui Fidgente!«

»Es ist ebenso eine Unterstellung wie Solams Interpretation«, antwortete Fidelma gelassen. »Ferner ist es richtig, daß Gionga, der Hauptmann der Leibwache Donennachs, den Attentätern nachsetzte. Das tat auch der Tanist von Muman, Donndubhain. Beide waren am Tod der Attentäter beteiligt.

Ich behaupte, daß es keine Verschwörung des Königs von Muman gab, den Fürsten der Ui Fidgente zu ermorden, und das werde ich beweisen.«

Solam war wieder auf den Beinen. »Dieser Beweis dürfte interessant werden. Ich möchte nun meiner ersten Darlegung des Falles gegen Muman noch etwas hinzufügen. Ich habe bewiesen, daß einer der Attentäter ein Mitglied der Leibgarde des Königs von Cashel war .«

»Du hast nichts dergleichen bewiesen!« unterbrach ihn Fidelma. »Die Tatsache, daß er das Abzeichen der Goldenen Kette trug, macht ihn noch nicht zum Mitglied des Ordens.«

»Das werden wir im Licht des Beweismaterials beurteilen«, versicherte ihr Brehon Rumann.

»Das Beweismaterial wird noch eine andere Verbindung aufdecken«, fuhr Solam triumphierend fort. »Ich sagte bereits, daß der andere Attentäter der Bruder des Bewahrers der heiligen Reliquien in Imleach war. Am Abend vor dem Attentatsversuch verschwand der Bewahrer der heiligen Reliquien mit den Reliquien Ailbes aus Imleach. Er richtete es so ein, daß es aussah, als sei er von Feinden verschleppt worden. Das sollte er tun, damit man den Ui Fidgente die Schuld daran zuschieben könnte. Weise Richter, ich habe mich der Person dieses mitverschworenen Mönchs Bruder Mochta versichert, dessen Zwillingsbruder Baoill der Attentäter war, von dem ich sprach. Er sitzt dort und wird als Zeuge aufgerufen werden, und ich freue mich, sagen zu können, daß Gionga von den Ui Fidgente das Reliquiar Ailbes gefunden hat, das hier in Cashel versteckt war, damit man seinen Diebstahl den Ui Fidgente zuschreiben könnte.«