Giongas Gesicht erhellte sich. Er nickte eifrig. »Das stimmt. Aber er ...«
»Du hast nicht begriffen, daß du ihm in die Falle gingst, denn dadurch, daß du Krieger aussandtest, um mich am Verlassen von Cashel zu hindern, hast du noch mehr Verdacht auf deinen Fürsten gelenkt. Dein Verhalten schien die Schuld der Ui Fidgente noch zu vergrößern.«
Gionga schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Daran habe ich nicht gedacht.«
»Wer ist dieser Mann?« rief Brehon Rumann ungeduldig aus. »Genug der Anspielungen, nenne seinen Namen!«
»Welcher Mann hob die Hand, als die Leibwache König Colgüs an jenem Morgen auf den Marktplatz ritt?« fragte Fidelma. »Wir alle dachten, es sei ein Signal für seine Reiter, aber es war ein Signal für die Attentäter. Welcher Mann ritt sofort hinter Gionga her? Welcher Mann riet Gionga, eine Wache auf die Brük-ke über den Suir zu schicken? Welcher Mann sagte mir in einem unbedachten Moment, er habe eine gewisse Silberspange von Samradan gekauft, während doch Samradan aus seinen Silbergeschäften ein solches Geheimnis machte, daß der einzige, der außer Nion davon wußte, sein Partner und Schutzherr war?«
Langsam war Donndubhain aufgestanden und Fi-delma vor den Richtern gegenübergetreten. Während der ganzen Verhandlung hatte er geschwiegen. Er hatte mit unbewegtem Gesicht auf seinem Platz gesessen, hatte einfach vor sich hin gestarrt, weder nach rechts noch nach links gesehen. Jetzt war der Augenblick gekommen, da endlich alle wußten, wen Fidelma beschuldigte. Er stand nun gerade noch einen Schritt von ihr entfernt. Nach wie vor bewahrte er eine gelassene Miene.
»Was versuchst du mir da anzuhängen, Kusine?« Sein Ton war freundlich, doch seine Augen blickten hart und starr.
»Dir anzuhängen? Du bist der Drahtzieher einer üblen Verschwörung, Vetter. Du warst eifersüchtig, als Colgü zum Tanist gewählt und König von Muman wurde, denn du meintest, der Königstitel stände eigentlich dir zu. Selbst als du zum Tanist, zum Thronfolger für Colgü, gewählt wurdest, genügte dir das nicht. Colgü ist noch jung, und wenn nichts Unvorgesehenes eintrat, konntest du nicht hoffen, jemals König zu werden. Also hast du beschlossen, das Unvorhergesehene selbst herbeizuführen.
Colgü sollte ermordet werden. Die Schuld würde man den Ui Fidgente geben. Unruhe und Aufruhr würden Muman zerreißen, und du, lieber Vetter, würdest dann plötzlich ans Licht treten und die Krone für dich fordern, mit dem Versprechen, das Königreich wieder zu einen. Du hättest die Unterstützung des ganzen Königreichs, wenn du gegen die Ui Fid-gente marschieren würdest, um sie zu vernichten. Aus der Asche dieses Landes würdest du den Tribut an die Ui Neill zahlen und damit Mael Düin von Ailech die Gelegenheit geben, erneut seine blutige Hand nach der Herrschaft über unser Königreich auszustrecken.«
Viele hatten sich erhoben in der Großen Halle und drängten dorthin, wo sich das Drama abspielte. Eadulf wurde von ihnen mitgerissen und nach vorn geschoben. Er klammerte sich verzweifelt an seinen Pilgerstab, um in der Masse auf den Beinen zu bleiben.
Er geriet in die Nähe von Donndubhain und Fi-delma. Ihm gefiel das Mienenspiel des Tanist nicht, das sein hübsches Gesicht zu einer Maske ungebän-digten Hasses verzerrte. Es war deutlich, daß Fidel-mas Wahrheiten ihn ins Mark getroffen hatten.
Der Tanist von Cashel versuchte ihre Beschuldigungen selbstbewußt zurückzuweisen.
»Die Brehons wollen Beweise und keine Vermutungen hören, Kusine«, sagte er, vorgeblich belustigt. »Wo hast du die Beweise für diesen empörenden Unsinn?«
»Meinst du, ich habe noch nicht genug Beweise geliefert? Dort steht Gionga. Er wird dir sagen, wie du ihn überredet hast, seine Krieger auszusenden .«
»Und wenn schon? Für alles andere hast du keine Beweise. Baoill und Fedach sind tot, und .«
Fidelmas breites Lächeln ließ ihn innehalten. »Welchen Namen hast du eben genannt?« fragte sie ruhig.
»Baoill und .« Er brach ab, als er merkte, welchen Fehler er soeben begangen hatte.
»Ich glaube, der Name, mit dem du den Bogenschützen meintest, war Fedach? Habe ich nicht gesagt, daß niemand seinen Namen kannte? Daß der einzige lebende Mensch ...«
»Das ist noch kein Beweis. Ich kann ihn von jemand anderem gehört haben und .«
»Dein Entschluß, Samradan neulich nachts zu töten, war ein verhängnisvoller Fehler. Ohne diesen Mord wäre das Puzzlespiel, unser tomus-Spiel, das wir als Kinder spielten, nicht aufgegangen.«
»Aber ich habe dich doch zum Versteck der Pferde der Attentäter in Samradans Stall geführt«, wandte Donndubhain ein. »Hätte ein Schuldiger das getan?«
»Ja. Du hast die Pferde selbst dort versteckt. Zur Zeit des Attentats war Samradan in Imleach. Die Pferde standen erst woanders, vielleicht in deinen eigenen Ställen. Du hast sie an demselben Abend zu Samradan gebracht, an dem du ihn erstachst, um den Kreis zu schließen, damit die Schuld auf den Toten fiele. In deinem Eifer, mich auf die falsche Fährte zu setzen, hast du einen Fehler gemacht, indem du mir die Pferde zeigtest. Sie waren noch erhitzt und feucht von dem Weg dorthin aus ihrem vorherigen Versteck. Wahrscheinlich läßt sich feststellen, welcher deiner Diener die Pferde auf deinen Befehl verbarg. Aus deinem eigenen Mund haben wir den Namen des Bogenschützen erfahren - Fedach.«
»Unsinn! Der Name beweist gar nichts.«
»Du hattest alle Erkennungsmerkmale von den Pferden entfernt, außer dem Zeichen der Ui Fidgente am Sattel, in der Hoffnung, dadurch könnte mein Verdacht immer noch auf Fürst Donennach gelenkt werden. Du hattest auch die Börse des Bogenschützen geleert, und das war dumm von dir, denn das zeigte deutlich, daß alles arrangiert war. Aber eine Münze hattest du übersehen, einen piss, eine Münze der Ui Neill.«
Sie hielt sie hoch.
»Dadurch wußte ich, daß der Bogenschütze kurz zuvor in Ailech gewesen war.«
»Aber das beweist nicht, daß ich im Solde von Ai-lech stehe«, sagte Donndubhain. »Das weist mir keine Schuld nach.«
»Nein. Doch der tote Samradan zeigte mir, daß du ihn ermordet hast. Wo ist die Silberspange, die du von Samradan gekauft hast und deren Silber aus eurem gemeinsamen illegalen Bergbau stammte? Die er bei Nion ganz speziell für seinen Schutzherrn in Auftrag gab, die mit den fünf Granatsteinen?«
Donndubhains Hand fuhr unwillkürlich zu seiner Schulter. Sein Gesicht wurde totenbleich.
Fidelma hielt ihm die Spange hin, die sie aus Samra-dans starrer Hand gewunden hatte. Sie zeigte sie allen.
»Ich fand sie in Samradans Hand. In seinem Todeskampf hatte er sie Donndubhain abgerissen zusammen mit dem Stück Stoff, das daran hängt.«
»Du kannst aber nicht beweisen, daß es meine ist. Eine Silberspange mit Sonnensymbol und roten Granaten an den Spitzen«, höhnte Donndubhain. »Ich hab schon mehrere davon gesehen. Schau mal!«
Er zeigte auf Nion. Tatsächlich trug der Schmied eine ähnliche Spange mit Sonnensymbol und roten Granaten.
Zornig blickte Donndubhain auf Finguine.
»Und dort! Er trägt genau die gleiche.«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Ja, Finguines Sonnenspange wurde auch von Nion angefertigt. Deshalb sind sie so ähnlich. Die Spangen stammen von demselben Kunstschmied. Aber die Spangen von Nion und Finguine tragen drei rote Granaten, und diese wurde speziell für dich gefertigt und hat fünf rote Granaten. Ich sah sie an dir am Tage des Attentatsversuchs. Vielleicht soll sie die fünf Königreiche von Ei-reann darstellen. Reicht dein Ehrgeiz so weit, Donn-dubhain?«
Donndubhain reagierte blitzschnell. Seine eine Hand fuhr in sein Hemd und zog einen kurzen Dolch hervor, den er im Gürtel verborgen hatte. Mit der anderen Hand packte er Fidelma. Sie hatte nicht damit gerechnet und sah sich im nächsten Augenblick mit dem Rücken gegen seine Brust gepreßt und spürte seinen Dolch an der Kehle.