»Ich bin in Katar«, berichtete er. »Wir gehen jetzt davon aus, dass Hickman möglicherweise an einem der drei wichtigsten Orte des Islam zuschlagen wird.«
»Das wären die Kaaba, das Grab Mohammeds oder der Felsendom«, sagte Overholt. »Ich habe mich informiert.«
Overholt hatte am Vortag einige Stunden mit dem Islam-Experten der Agency verbracht und einen ganzen Stapel Dokumente gelesen, die die Recherche-Abteilung für ihn vorbereitet hatte.
»Sehr lobenswert«, sagte Cabrillo anerkennend.
»Außerdem habe ich von der National Security Agency sämtliche Kommunikation überprüfen lassen, die Hickman während der letzten Wochen geführt hat, und schließlich sehr interessante Ergebnisse erhalten«, sagte Overholt. »Er hatte Kontakt mit Pieter Vanderwald — soeben wurde von einer von Vanderwalds Tarnfirmen ein Expresspaket nach Saudi-Arabien geschickt.«
»Pieter, der Giftmischer?«, fragte Cabrillo.
»Genau der«, bestätigte Overholt.
»Jemand sollte sich seiner annehmen«, sagte Cabrillo.
»Ich habe eine entsprechende Anweisung herausgegeben«, erwiderte Overholt. »Im Augenblick ist ein Einsatzteam auf der Suche nach ihm.«
»Hast du in letzter Zeit mit Hanley gesprochen?«, erkundigte sich Cabrillo.
»Ja«, antwortete Overholt, »er beschrieb mir, was deine Männer in der Spinnerei in Maidenhead gefunden haben. Wir sind sicher, dass es irgendein Gift ist, das Vanderwald geliefert hat.«
»Und dieses Gift haben sie auf die Gebetsteppiche gesprüht«, sagte Cabrillo.
»Bestimmt hat er die Container versiegelt, sonst wären die Piloten während des Fluges erkrankt und mit der Maschine abgestürzt. Hickman ist verrückt, aber nicht dumm. Erst wenn die Container geöffnet werden, haben wir ein Problem.«
»Was stündlich geschehen kann«, sagte Cabrillo.
In diesem Moment begann das Faxgerät in Overholts Büro zu drucken. Er fuhr mit seinem Schreibtischsessel hinüber, nahm die bedruckten Bögen Papier aus dem Ablagefach, rollte zu seinem Schreibtisch zurück und überflog sie.
»Ich tippe darauf, dass er im Felsendom zuschlägt und den Israelis die Schuld für die ganze Affäre in die Schuhe schiebt«, sagte Overholt.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Cabrillo.
»Erinnerst du dich noch an die Jacht, die den Meteoriten zu den Faröern gebracht hat und von unserer Flugkörper-Fregatte gestoppt wurde?«
»Klar«, sagte Cabrillo.
»Ich habe einen Spezialisten der NSA an Bord geschickt«, sagte Overholt. »Er hat den Rädelsführer am Ende doch zum Sprechen gebracht.«
»Und?«
»Vor zwei Wochen hat Hickman ein eigenes Team nach Israel geschickt, um den Felsendom mit Videokameras und Sprengstoff präparieren zu lassen. Wenn er es schaffen sollte, den Stein Abrahams zu stehlen, dann hat er offenbar vor, ihn nach Jerusalem zu bringen, durch die Explosion zu zerstören und anschließend das Video von dieser Tat weltweit vorzuführen.«
»Was ist mit der Operation in Saudi-Arabien?«, fragte Cabrillo. »Hat er darüber irgendetwas preisgegeben?«
»Offensichtlich wusste er nichts davon. Hickman muss mit den Vorbereitungen für dieses Unternehmen eine andere Gruppe betraut haben.«
»Dann solltest du mir einen Gefallen tun«, sagte Cabrillo.
»Ich höre.«
»Geh die Personalunterlagen des gesamten in Katar stationierten Militärs durch.«
»Weshalb?«
»Ich brauche jeden Muslim, den ich kriegen kann.«
»Wer wird sie in Mekka anführen?«
»Keine Sorge«, sagte Cabrillo, »dafür habe ich genau den richtigen Mann.«
Die Oregonlief soeben in die Straße von Gibraltar ein, als Hanley nach seinem Gespräch mit Juan Cabrillo auflegte. Er aktivierte sein Intercom.
»Hali und George sollen sofort in den Kontrollraum kommen«, sagte er und wiederholte die Bitte noch einmal.
Während er auf die beiden Männer wartete, wandte er sich an Eric Stone. »Ändere den Kurs und steuere Israel an, und zwar den Hafen, der Jerusalem am nächsten liegt.«
Eric Stone lud eine Landkarte auf seinen Monitor. Ashdod erfüllte mit seinem Hafen die geforderten Voraussetzungen. Er gab entsprechende Befehle ein, und das Steuerprogramm des Schiffs änderte automatisch seine Parameter. In diesem Moment betrat George Adams den Kontrollraum.
»Was gibt’s?«, erkundigte er sich.
»Du musst sofort deinen Helikopter startklar machen und Hali nach Tanger in Marokko bringen.«
»Und was soll ich danach tun?«, fragte Adams weiter.
»Tank deinen Vogel auf und komm zur Oregonzurück.«
»Wird sofort in die Wege geleitet«, sagte Adams und ging hinaus.
Wenig später erschien Hali Kasim im Kontrollraum.
»Bist du bereit, eine Operation zu führen?«, fragte Hanley.
»Klar, Max, jederzeit«, erwiderte Kasim grinsend.
»Juan ist zwar der Einzige, der Zugang zu euren Personalakten hat«, sagte Hanley, »aber wenn ich dich richtig verstanden habe, bist du Muslim. Stimmt das?«
»Das ist richtig.«
»Gut.« Max Hanley nickte zufrieden. »Die Challenger ist zurzeit von Katar nach Marokko unterwegs. Du musst einen Einsatztrupp nach Mekka bringen.«
»Und zu welchem Zweck, Max?«, fragte Kasim.
»Du« — Hanley sah seinen Kollegen ernst an — »wirst die Aufgabe haben, die heiligsten Orte des Islam zu beschützen.«
»Das wird mir eine große Ehre sein«, entgegnete Hali Kasim feierlich.
48
Sich als Nichtmuslim in Mekka aufzuhalten löste bei Hickman keinerlei Beklemmungen aus.
Er hasste die islamische Religion und alles, wofür sie stand. Nachdem er sich mit den zwölf Indern um vier Uhr nachmittags in dem Haus in Riad getroffen und sie über die bevorstehende Operation informiert hatte, starteten sie zu ihrer zehnstündigen Fahrt nach Mekka und zur Kaaba. Dazu benutzten sie einen gestohlenen Lieferwagen, dessen arabische Aufschrift auf den Seitenwänden ihn als Dienstfahrzeug einer Reinigungsfirma auswies. Die Inder selbst trugen wallend lange weiße Gewänder, und jeder war mit Schrubber, Putzeimer, Spachtel und Bürsten ausgerüstet.
Hickman hatte gegen ein entsprechendes Honorar an einen Fälscher einen Empfehlungsbrief in arabischer Sprache schreiben lassen, aus dem hervorging, dass der Trupp den Auftrag hatte, auf dem gesamten Gelände möglichst alle Kaugummireste zu entfernen. In einem hellgelben Plastikgerätewagen hatte Hickman hinter einer weißen Stoffabdeckung sowohl den Meteoriten als auch einige Spraydosen versteckt, die Vanderwald seiner letzten Lieferung beigepackt hatte. Bei jedem Hindu war eine Ladung C-6-Sprengstoff mitsamt einem winzigen Zeitzünder mit Klebeband in Taillenhöhe auf dem Rücken befestigt worden. An jedem ihrer Beine, verhüllt von den weiten Gewändern, die sie trugen, klebte außerdem eine Pistole — für den Fall, dass es irgendwelche unvorhergesehenen Schwierigkeiten geben sollte.
Der Lieferwagen stoppte vor dem Tor, durch das man in die riesige Moschee gelangte. Hickman und die anderen stiegen aus, holten den Gerätekarren, Eimer und Schrubber aus dem Lieferwagen und gingen auf den Torwächter zu. Hickman hatte für diesen Augenblick unermüdlich trainiert und sowohl die arabische als auch die Körpersprache erlernt. Er reichte dem Wächter den Empfehlungsbrief und begleitete dies mit einem entsprechenden Kommentar.
»Wir sind im Namen Allahs hier, um die heilige Stätte zu säubern«, sagte er mit gewichtigem Unterton.
Es war schon spät, der Wächter war müde und die Moschee geschlossen.
Es gab keinen Grund für ihn zu glauben, dass die Männer etwas anderes waren als das, wofür sie sich ausgaben — daher winkte er sie kommentarlos durch. Hickman, der den Karren vor sich herschob, erreichte als Erster das Innere des Schreins.
Sobald er sich in der Moschee befand, schob er sich eine Atemmaske mit Filter über Mund und Nase und drapierte seine Kopfbedeckung dergestalt um sein Gesicht, dass nur noch seine Augen zu sehen waren. Er gab den Hindus ein Zeichen, auszuschwärmen und die Sprengladungen rundum zu verteilen. Danach steuerte er gezielt auf die Kaaba zu.