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»Ein Unwetter ist im Anmarsch«, stellte Campbell fest, »aber ich schätze, dass es nicht vor morgen Nachmittag oder Abend hier ist.«

»Gut«, sagte Cabrillo. Er beendete seine Reisevorbereitungen und richtete sich auf. »Sie wissen noch, wie Sie das Telefon bedienen müssen?«

»Ich bin ein Säufer«, erwiderte Campbell, »aber kein Idiot.«

Cabrillo starrte in die Dunkelheit. »Was meinen Sie, wie lange wird die Fahrt dauern?«

»Sie müssten morgen früh am Ziel sein«, antwortete Campbell, »wenn Sie der Route folgen, die ich Ihnen beschrieben habe.«

»Ich habe ein mobiles GPS und den Kompass in der Raupe, außerdem die Landkarten, auf denen Sie den Weg eingezeichnet haben. Daher glaube ich, dass ich mich schon zurechtfinden werde.«

»Egal, was Sie vorhaben«, sagte Campbell, »folgen Sie dieser Route. Der größte Teil des Weges führt am Rand der Eisplatte entlang, aber irgendwann müssen Sie auf die Platte rauf. Und da oben geht es ziemlich rau zu, ständig ändern sich die Verhältnisse. Falls Sie in Schwierigkeiten geraten oder die Schneekatze auf den Rücken legen, wird es lange dauern, ehe jemand Sie erreicht — vielleicht zu lange.«

Cabrillo nickte, dann ging er einen Schritt auf Campbell zu und schüttelte ihm die Hand. »Passen Sie auf sich auf«, rief er gegen das zunehmende Heulen des Windes an, »und halten Sie sich mit dem Whiskey zurück, bis wir Sie in ein Behandlungszentrum schaffen können.«

»Ich werde Sie nicht enttäuschen, Mr. Cabrillo«, versprach Campbell, »und vielen Dank für alles — zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich das Gefühl, Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Oder von mir aus auch Hoffnung.«

Cabrillo nickte abermals und kletterte dann in die Führerkanzel der Thiokol Spryte. Er schloss die Tür hinter sich und schlüpfte aus seinem Parka. Dann gab er Gas, ließ den Motor aufheulen und im Leerlauf weiterlaufen. Nun trat er auf die Kupplung, legte den ersten Gang ein und lenkte das Vehikel langsam vom Haus weg. Die Ketten der Thiokol-Raupe schleuderten Schnee in die Luft, während das Haus zurückblieb.

Campbell wartete im Rahmen der Hintertür seines Hauses, bis die Lichter der Schneekatze in der Dunkelheit verschwanden. Dann kehrte er ins Haus zurück und schenkte sich eine sparsam bemessene Portion Whiskey ein. Er musste die Dämonen in sich beruhigen, die schon jetzt damit begannen, ihr wahres Gesicht zu zeigen.

Cabrillo spürte, wie sich der Sicherheitsgurt um seine Hüften spannte, als die Raupe die Bergflanke hinunterglitt und die weite ebene Eisfläche erreichte, die die Verbindung zum Festland darstellte. Als die Schneekatze ihre Fahrt bergab beendete und die letzten Meter schneebedeckten steinigen Untergrundes bis zum zugefrorenen Meeresarm überwand, hatte er das deutliche Gefühl, dass sich seine Blase krampfartig zusammenzog. Unter dem Eis, nicht allzu weit entfernt, warteten gut dreihundert Meter eisiges Wasser und ein felsiger Meeresboden.

Falls die Schneekatze auf eine dünne Stelle geriet und er mit dem Fahrzeug einbrach, hätte er nur noch wenige Sekunden zu leben.

Indem er diese Vorstellung schnellstens verdrängte, trat Cabrillo aufs Gaspedal.

Die Ketten der Schneekatze fraßen sich in den Rand der Eisfläche, dann zogen sie das gesamte Fahrzeug auf die spiegelglatte Piste. Das Licht der Dachlampen illuminierte das Schneetreiben, während das Fahrzeug übers Eis ratterte. Der heftige Wind animierte die Schneeflocken zu einem wilden Tanz in den Lichtkegeln, so dass es völlig unmöglich wurde, Entfernungen zu schätzen.

Cabrillo befand sich in einer Welt ohne Zeit und räumliche Dimensionen.

Fast jeder andere hätte es mit der Angst zu tun bekommen und daran gedacht umzukehren …

12

In Reykjavik hatte Max Hanley an Bord der Oregon alle Hände voll zu tun. Der arabische Friedensgipfel ging dem Ende entgegen, und sobald die Konferenzen am nächsten Tag abgeschlossen wären, stiege der Emir in seine 737 und die Verantwortung für seine Sicherheit ginge wieder auf seine eigenen Leute über.

Bislang war die Operation reibungslos verlaufen. Der Emir hatte sich bei nahezu unsichtbarer Präsenz seines Personenschutzes frei in Island bewegen können. Die verschiedenen Teams der Corporation beherrschten die Fähigkeit, mit der Umgebung zu verschmelzen, geradezu meisterlich. An diesem Tag, nach Beendigung der Konferenzen und Gespräche, hatte der Emir den Wunsch geäußert, die Blaue Lagune zu besuchen, den Teich einer natürlichen heißen Quelle, der angelegt worden war, als ein neues geothermales Elektrizitätswerk gebaut wurde. An diesem Ort ergoss sich Wasser, mit Mineralien stark angereichert, über große Flächen vulkanischen Gesteins und bildete in der herrschenden Kälte unter freiem Himmel eine Oase der Wärme. Dampf, der von dem heiß aus der Erde strömenden Wasser aufstieg, bildete weiße Wolken — wie in einem Dampfbad. Die Menschen, die im Wasser badeten, erschienen und verschwanden wie Geister auf einem nebelverhangenen Friedhof.

Sechs Angehörige des Teams der Corporation hatten sich in der Nähe im Wasser aufgehalten, während sich der Emir in den warmen Fluten aalte.

Ein paar Minuten zuvor hatte Max Hanley die Meldung erhalten, dass der Emir sich im Umkleideraum umzog. Nun war Hanley dabei, die beiden Eskorten zu koordinieren, die die Ausflügler zum Hotel des Emirs bringen sollten.

»Hat der Austausch geklappt?«, wollte Hanley von Eddie Seng per Satellitentelefon wissen.

»Einer rein«, antwortete dieser, »einer raus. Niemand konnte was mitkriegen.«

»Das sollte uns den Gegner vom Hals halten«, sagte Hanley.

»Es ging so glatt wie ein Babypo«, bestätigte Eddie Seng.

»Sorg dafür, dass die beiden Karawanen im Abstand von ein paar Minuten eintreffen«, sagte Hanley, »und benutze den Hintereingang.«

»Du kannst dich drauf verlassen«, sagte Seng, ehe er die Verbindung unterbrach.

»Hast du alle Vorbereitungen getroffen?«, wollte Hanley von Julia Huxley, der Ärztin der Oregon, wissen, während sie den Kontrollraum betrat.

»Die Entgiftungsklinik befindet sich in Estes Park, Colorado«, entgegnete Julia Huxley. »Ich habe eigens eine isländische Krankenschwester engagiert, die hervorragend Englisch spricht und ihn auf dem Flug nach New York und später nach Denver begleiten soll. Ein Transporter der Klinik holt ihn dann in Denver ab. Er braucht lediglich von Kulusuk nach Reykjavik allein zu fliegen. Ich habe dem Piloten Bescheid gesagt und ein paar Libriumtabletten am Flughafen hinterlegen lassen, damit er sie ihm verabreicht. Das sollte unser Baby eigentlich beruhigen und seine Krämpfe lindern, bis die Krankenschwester ihn in ihre Obhut übernimmt.«

»Gute Arbeit«, lobte Hanley. »Wir lassen das Projekt anrollen, sobald uns Juan sein Okay gibt.«

»Was die zweite Angelegenheit betrifft«, sagte Julia Huxley, »soll sich Juan vor Strahlung in Acht nehmen, wenn er sich dem Meteoriten nähert. Ich habe Kaliumjodid an Bord, das wir ihm geben können, wenn wir uns wiedersehen, aber je mehr Distanz er zu dem Objekt einhält, desto besser für ihn.«

»Er hat die Absicht, den Gegenstand in Plastikfolie und in eine alte Decke einzuwickeln und ihn dann in eine Stahlkiste auf der Ladefläche der Schneekatze zu legen.«

»Das ist völlig okay«, sagte Julia Huxley. »Er sollte vor allem aufpassen, nicht irgendwelchen Staub einzuatmen.«

»Wir gehen davon aus, dass es keinen Staub gibt — auf dem Foto sieht das Ding wie eine riesige Kugellagerkugel aus. Was an Staub daran haftete, dürfte beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglüht sein. Daher sollte Cabrillo keinen Schaden nehmen, solange er nicht allzu engen Kontakt zu der Kugel hat und über längere Zeit ihrer Strahlung ausgesetzt ist.«