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Inzwischen kämpfte Bill im Krankenhaus von Maidenhead um sein Leben, und ich mußte wissen, ob er es schaffte. Scilla

hatte furchtbare Stunden vor sich, und ich dachte an mein Versprechen, ihr so schnell wie möglich Gesellschaft zu leisten. Zu viel Zeit war schon vertrödelt worden. Um den am Pfosten befestigten Draht konnte man sich ja auch morgen kümmern.

Bills Jaguar stand einsam auf dem Parkplatz. Ich setzte mich ans Steuer, schaltete Scheinwerfer und Nebellampen ein und fuhr los. Am Eingang zur Rennbahn bog ich links ab, fuhr zwei Meilen die Straße entlang, hielt mich nach der Brücke wieder links, schlängelte mich durch Maidenheads Einbahnstraßen und erreichte schließlich das Krankenhaus.

Ich betrat die hell erleuchtete Eingangshalle, aber Scilla war nirgends zu sehen. Ich erkundigte mich beim Portier.»Mrs. Davidson? Die Frau des Jockeys? Ja, sie sitzt da hinten im Wartezimmer. Die vierte Tür links.«

Ich fand sie. Ihre dunklen Augen wirkten noch größer als sonst, sie waren umschattet. Ihr Gesicht hatte jede Farbe verloren, die Nerzkappe lag auf dem Tisch.»Wie geht es ihm?«fragte ich.

«Ich weiß es nicht. Man sagt mir nur immer, ich solle mir keine Sorgen machen. «Sie war den Tränen nahe.

Ich setzte mich neben sie und nahm ihre Hände.

«Ich bin dir sehr dankbar, Alan«, sagte sie.

Nach einer Weile öffnete sich die Tür, und ein blonder, junger Arzt betrat das Zimmer.

«Mrs. Davidson, ich glaube…«: er machte eine Pause,»ich glaube, Sie sollten sich zu Ihrem Mann setzen.«

«Wie geht es ihm?«

«Nicht. sehr gut. Wir tun, was wir können. «Er wandte sich an mich:»Sind Sie ein Verwandter?«

«Ein Freund der Familie. Ich bringe Mrs. Davidson nach Hause.«

«Ich verstehe«, sagte er.»Wollen Sie warten oder später wiederkommen? Am späten Abend.«

Ich starrte ihn an und plötzlich wußte ich, daß Bill im Sterben lag.

«Ich warte hier.«

«Gut.«

Ich wartete vier Stunden, studierte das Muster der Vorhänge und die Risse im braunen Linoleum. Die meiste Zeit dachte ich an den Draht.

Schließlich kam eine Schwester, jung, hübsch, mit ernstem Gesicht.

«Es tut mir so leid… Major Davidson ist tot.«

Mrs. Davidson wünsche, daß ich ihn sähe, sagte sie. Wenn ich ihr folgen wolle. Sie führte mich die langen Korridore hinunter, in ein weißes, nicht sehr großes Zimmer, in dem Scilla neben dem Einzelbett saß.

Scilla sah zu mir auf. Sie konnte nicht reden.

Bill lag da, grau und still. Der beste Freund, den sich ein Mann wünschen konnte.

Kapitel 2

Früh am nächsten Morgen fuhr ich Scilla nach Hause. Sie war völlig erschöpft und außerdem durch Beruhigungsmittel halb betäubt. Die Kinder erwarteten sie auf der Treppe vor dem Haus, ernsthaft und großäugig. Hinter ihnen stand Joan, der die Kleinen anvertraut waren; ich hatte am Abend zuvor mit ihr telefoniert. Scilla setzte sich auf die Stufen und weinte sich aus. Die Kinder knieten und saßen neben ihr, umarmten sie und versuchten einen Kummer zu lindern, den sie kaum zu begreifen vermochten. Danach ging Scilla nach oben, um sich hinzulegen. Ich folgte ihr etwas später, zog die Vorhänge vor und strich ihr übers Haar. Sie war sehr schläfrig; ich hoffte nur, daß es viele Stunden dauern würde, bis sie wieder aufwachte.

Ich ging in mein Zimmer und zog mich um. Unten hatte Joan in der Küche das Frühstück für mich hergerichtet: Kaffee, Schinken mit Rührei, frische Semmeln. Ich gab den Kindern die für sie gekaufte Schokolade, und sie saßen um mich herum, während ich mich meinem Frühstück widmete. Joan machte sich auch noch eine Tasse Kaffee.

«Alan?«sagte William. Er war fünf Jahre alt, der Jüngste, und er wartete immer, bis man >ja?< gesagt hatte, bevor er weitersprach.

«Ja?«sagte ich.

«Was ist Daddy passiert?«

Also erzählte ich ihnen alles, bis auf die Sache mit dem Draht.

Sie blieben lange Zeit ungewöhnlich still. Dann fragte Henry mit seinen acht Jahren:»Wird er beerdigt oder verbrannt?«

Bevor ich antworten konnte, entspann sich zwischen ihm und seiner älteren Schwester Polly eine hitzige und erstaunlich

wohlinformierte Diskussion über die jeweiligen Vorteile von Begräbnis und Verbrennung. Ich war entsetzt, zugleich aber auch erleichtert, und Joan, die meinen Blick auffing, mußte sich das Lachen verbeißen.

Die unschuldige Abgebrühtheit ihrer Unterhaltung ließ mich meine Fahrt zurück nach Maidenhead in etwas besserer Stimmung antreten. Ich brachte Bills großen Wagen in die Garage und machte mich in meinem eigenen kleinen dunkelblauen Lotus-Sportwagen auf den Weg. Der Nebel hatte sich völlig aufgelöst, aber ich fuhr trotzdem nicht allzu schnell, weil ich darüber nachdachte, was wohl am besten zu tun sei.

Zuerst suchte ich das Krankenhaus auf, wo ich Bills Sachen in Empfang nahm, Formulare unterschrieb und alles Nötige veranlaßte. Für den nächsten Tag war eine Routineobduktion vorgesehen.

Es war Sonntag. Ich fuhr zur Rennbahn, aber alle Eingänge waren geschlossen. Auch im Büro der Rennleitung in der Stadt konnte ich niemand antreffen. Ich rief die Privatadresse des Rennleiters an, ohne daß sich jemand meldete.

Nach einigem Zögern wählte ich die Nummer des Vorsitzenden im Nationalen Rennsportkomitee, der höchsten Autorität für den Hindernissport. Sir Creswell Stampes Butler erklärte mir, er müsse erst nachsehen, ob Sir Creswell zu sprechen sei. Ich sagte, daß ich unbedingt mit ihm reden müsse. Kurze Zeit später hörte ich seine Stimme.

«Ich hoffe, daß Sie mir wirklich etwas Wichtiges mitzuteilen haben, Mr. York. Ich diniere gerade mit meinen Gästen.«

«Haben Sie schon gehört, Sir, daß Major Davidson gestern nacht gestorben ist?«

«Ja. Es tut mir wirklich sehr leid. «Er wartete. Ich atmete tief ein.

«Sein Sturz ist nicht auf einen Unfall zurückzuführen«, sagte ich.

«Wie meinen Sie das?«

«Major Davidsons Pferd ist durch einen gespannten Draht zu Fall gebracht worden«, erwiderte ich.

Ich erzählte ihm von meinem Fund an der Birkenhecke.

«Sie haben wohl Mr. Dace entsprechend unterrichtet?«fragte er. Mr. Dace war Rennleiter für die Bahn in Maidenhead.

Ich erklärte ihm, daß ich Mr. Dace nicht hatte finden können.

«Deswegen rufen Sie bei mir an. Ich verstehe. «Er machte eine Pause.»Nun, Mr. York, wenn Sie sich nicht getäuscht haben, ist die Sache zu ernst, um alleine vom Nationalen Komitee behandelt zu werden. Ich halte es für das beste, wenn Sie die Polizei in Maidenhead so schnell wie möglich informieren. Rufen Sie mich bitte heute abend wieder an. Ich werde inzwischen versuchen, Mr. Dace zu verständigen.«

Ich hängte ein. Immerhin lief die Sache jetzt.

Das Polizeirevier in der verlassenen Straße wirkte düster, schmutzig und wenig einladend. Ich ging hinein. Hinter dem Geländer standen drei Schreibtische; an einem von ihnen saß ein junger Wachtmeister, in eine Zeitung vertieft.

«Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Sir?«sagte er und erhob sich.

«Hat außer Ihnen hier noch jemand Dienst?«erkundigte ich mich.»Einer der Vorgesetzten? Es handelt sich um einen — einen Todesfall.«

«Einen Augenblick, Sir. «Er verließ den Raum durch eine Hintertür. Kurze Zeit später erschien er wieder und sagte:»Würden Sie bitte hier eintreten?«

Ich betrat ein kleines Büro, und er schloß die Tür hinter mir.

Der Mann, der sich hinter dem Schreibtisch erhob, war für einen Polizisten verhältnismäßig klein, stämmig, wahrscheinlich Ende Dreißig. Er schien mir eher robust als intelligent zu sein, aber ich fand später heraus, daß ich mich da getäuscht hatte.