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Ich dachte an Dane.»Selbst in diesem Fall war es nicht so interessant für sie, daß sie es Onkel George weitererzählt hätte.«

«Das weiß man nie«, erwiderte er. Ich trat auf den Anlasser und fuhr weiter. Ich wollte ihm nicht gerne den wichtigsten Grund für meine Annahme nennen, daß noch ein Gegner

existierte: die Überzeugung, daß ich in der durch die Gehirnerschütterung hervorgerufenen Gedächtnislücke wußte, wer es war.

Als ich es schließlich doch erwähnte, nahm er es ernsthafter auf, als ich erwartet hatte. Ein paar Minuten später sagte er nachdenklich:»Vielleicht läßt Ihr Unterbewußtsein nicht zu, daß Sie sich daran erinnern, weil Sie diese Person mögen.«

Kapitel 19

Die beinahe unerträgliche Erkenntnis, daß ich Kate verloren hatte, vergällte mir jeden Tag. Ich hielt es für unwahrscheinlich, daß ich sie jemals wiedersehen würde, und versuchte, mich so vernünftig wie möglich darauf einzustellen.

Vierzehn Tage nach der Gerichtsverhandlung ritt ich in Banbury, und Kate war da. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und hatte tiefe Schatten um die Augen. Ihr Gesicht war blaß und gefaßt; ihre Miene veränderte sich nicht, als sie mich sah. Sie wartete vor dem Wiegeraum und sprach mich an, als ich näherkam.

«Alan, ich glaube, ich muß mich für das entschuldigen, was ich neulich zu dir sagte. «Diese Worte kosteten sie offensichtlich große Mühe.

«Es ist schon gut«, sagte ich.

«Nein., eben nicht. Ich habe über deine Worte nachgedacht. und über die Kinder, die mit dem Judoexperten in die Schule fuhren., und ich begriff, daß man Onkel George das Handwerk legen mußte. Es war nicht deine Schuld, daß Tante Deb sterben mußte. Es tut mir leid, daß ich das behauptet habe. «Sie atmete schwer, als hätte sie eine unangenehme Pflicht erfüllt.

«Bist du den weiten Weg hierhergekommen, um mir das zu sagen?«fragte ich.

«Ja. Es hat mich sehr bedrückt, daß ich so ungerecht war.«

«Liebste Kate«, sagte ich, während die Düsternis der vergangenen Wochen mit einem Schlage verschwand,»ich hätte viel darum gegeben, wenn es nicht Onkel George gewesen wäre, glaub mir das. «Ich sah sie scharf an.»Du siehst hungrig aus. Hast du heute schon etwas gegessen?«»Dann wird es aber Zeit«, meinte ich, nahm sie beim Arm und führte sie ins Restaurant. Dort sah ich ihr beim Essen zu. Zuerst ging es sehr langsam, aber bald machte sich ihr Appetit geltend, und ihre Wangen bekamen wieder etwas Farbe.

Sie machte sich gerade über die zweite Portion her, als sie in freundlichem Ton sagte:»Könntest du nicht auch etwas essen?«

«Ich reite doch.«

«Ja, ich habe es in der Zeitung gelesen. >Forlorn Hope<, nicht wahr?«

«Ja.«

«Du bist vorsichtig, nicht wahr? Er springt nicht sehr gut, meint Pete.«

Ich starrte sie in freudiger Überraschung an, und sie wurde rot.

«Kate!«sagte ich.

«Ich dachte, du könntest mir nie verzeihen, daß ich so ekelhaft zu dir war. Ich versuchte mir immer wieder vorzusagen, daß ich dich nie mehr sehen will, aber es hatte keinen Zweck. Ich. nahm nicht an, daß du dich noch einmal melden würdest, nach dem Gesicht zu schließen, das du in Brighton machtest. Ich dachte also, daß ich zu dir kommen müßte, wenn du erfahren solltest, daß es mir leid tut, und dann würde ich ja sehen, wie. du reagierst.«

«Was hast du denn erwartet?«

«Ich dachte, du würdest kalt und abweisend sein, und ich hätte es dir nicht übelnehmen können. «Sie führte ihre Gabel mit einem übergroßen Happen zum Mund.

«Willst du also meine Frau werden, Kate?«fragte ich.

Sie sagte mit vollem Mund:»Ja«, und aß weiter. Ich wartete geduldig, während sie noch einen Stoß Biskuits und Käse verzehrte.

«Wann hast du denn zum letztenmal gegessen?«fragte ich, als sie endlich die Serviette weglegte.

«Ich weiß nicht mehr.«

«Ich möchte dich küssen«, sagte ich.

«Für Liebespaare sind die Rennbahnen nicht entworfen worden«, meinte sie.»Wie wär’s mit einem Pferdewagen?«

«Wir haben nur zehn Minuten«, erwiderte ich.»Ich starte im zweiten Rennen.«

Ohne viel Umstände borgten wir uns Petes Transportwagen. Ich nahm sie in die Arme, und diesmal fielen die Küsse ganz unschwesterlich aus.

Die zehn Minuten vergingen wie im Flug, und man würde mit dem Rennen nicht auf uns warten. Kate setzte sich auf eine Bank, und ich betrat den Wiegeraum und zog mich um.

Clem gab mir die Decke mit den Zusatzgewichten. Ich sah ihn an und dachte: Du nicht, du nicht. Jemand schlug mir auf die Schulter.

«Na, wie geht’s dir denn?«rief Sandy.»Was macht unser Sherlock denn?«

«Er hat sich pensionieren lassen«, meinte ich grinsend.

«Nein, im Ernst? Nach diesem Erfolg?«

«Ich bleibe lieber bei den Pferden, das ist weniger riskant.«

«Bewahre dir nur deine Illusionen«, sagte Sandy.»Du wirst, auch noch anders denken, wenn du dir so viele Knochen gebrochen hast wie ich. «Er nahm den Sattel unter den Arm und marschierte zur Waage.

Auf der anderen Seite stand Dane, mit dem Rücken zu mir. Er hatte Kate und mich vom Parkplatz zurückkommen sehen. Ein Blick auf unsere strahlenden Gesichter genügte ihm. Er hatte Kate mit zwei kurzen Sätzen beglückwünscht, zu mir aber noch kein Wort gesagt. Ich ging an ihm vorbei und begab mich auf den Sattelplatz. Er folgte mir. Pete trainierte unsere beiden

Pferde, und wir mußten zu ihm.

Pete trat mitten ins Fettnäpfchen.

«Alan, Kate hat mir schon Bescheid gesagt. Gratuliere.«

Dane warf ihm einen finsteren Blick zu, und Pete wechselte hastig das Thema. Er sprach über Danes Pferd, und ich sah mich ein bißchen um. Dort drüben, zehn Meter entfernt, stand Clifford Tudor und hielt seinem neuen Jockey eine Standpauke.

In einiger Entfernung überwachte Sir Creswell Stampe, wie sein Sohn David in den Sattel gehoben wurde. Überall standen Pferdebesitzer und Trainer, die ihren Jockeys letzte Anweisungen gaben.

So viele Leute, die ich kannte. So viele Leute, die ich mochte. Wer von ihnen war es?

Pete half mir beim Aufsteigen, ich winkte Kate zu und trabte zum Start.

Dane überholte mich. Als er an mir vorbeikam, fauchte er:»Der Teufel soll dich holen. «Er trieb sein Pferd an, und ich konnte ihm keine Antwort geben.

Am Rennen nahmen elf Pferde teil. Wir ritten im Kreis herum, während der Starter die Namen aufrief. Sandy bat um die Erlaubnis, absteigen zu dürfen, damit er seinen Sattel fester binden konnte. Der Starter sah auf die Uhr und nickte ungeduldig.

Sandy löste die Gurte, richtete den Sattel gerade und band ihn wieder fest. Ich beobachtete ihn, statt mich auf >Forlorn Hope< zu konzentrieren, so daß ich die Schuld an dem Folgenden selbst trug.

Ein Gehilfe hob vor der Nase meines Pferdes die weiße Fahne, durch die den Tribünen angezeigt wurde, daß das Rennen gleich beginnen würde. >Forlorn Hope< erschrak, ging hoch wie ein Zirkuspferd und warf mich ab. Ich fiel auf den Rücken und sah, wie >Forlorn Hope< davonrannte.

Ein paar Sekunden lag ich nach Atem ringend da. Sandy kam mit ausgestreckter Hand zu mir, um mir aufzuhelfen. Er lachte und machte irgendeine dumme Bemerkung.

Plötzlich überfiel mich ein merkwürdiges Schwindelgefühl, und ich schien unter Halluzinationen zu leiden. Ich lag in der Sonne und spürte Regen im Gesicht. Obwohl ich unverletzt war, hatte ich plötzlich Schmerzen. Es hatte den Anschein, als seien Gegenwart und Vergangenheit durcheinandergekommen.

Ich starrte in Sandys Gesicht. Da war das vertraute, breite Grinsen, da waren die lachenden, braunen Augen mit den rötlichen Wimpern, aber was ich gleichzeitig sah, war dasselbe Gesicht, wie es sich mir im strömenden Regen näherte, mit grausamen Augen und grimmig zusammengekniffenem Mund. Ich hörte eine Stimme sagen:»Neugieriger Hund, vielleicht kümmerst du dich von jetzt an um deine eigenen Angelegenheiten«, und ich riß die Hand hoch, um mein Gesicht vor dem Fußtritt zu schützen, der jetzt kommen mußte. Mein Blick wurde klar, Sandy und ich sahen einander in die Augen, als trügen wir einen Kampf aus. Er ließ seine Hand sinken, und die Gutmütigkeit verschwand aus seinem Gesicht, wie bei einem Schauspieler, wenn er seine Rolle ausgespielt hat und das Stück zu Ende ist.